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Freitag, 19. Mai 2006

Hab gerade den Herodot heimgetragen....

und bin schon beim Blättern an einigen lustigen Stellen hängengeblieben. Ich glaube, der wird sich wohl trotz der 754 Seiten ganz gut lesen, wobei ich ja seine Sprache fast sogar irgendwie ulkig finde. Das kann aber auch einfach nur an der Übersetzung liegen.
Da schreibt er zum Beispiel darüber, wie Kater ihre eigenen Jungen töten, um wieder von der Katze "rangelassen" zu werden - ich wußte gar nicht, dass sowas schon im Herodot steht -, "denn das Tier ist sehr kinderlieb." Das könnte man nun zweideutig, wenn nicht sogar dreideutig verstehen. Dann erzählt er weiter:

Auch bei einer Feuersbrunst geht es mit den Katzen wunderbar zu. Während die Ägypter um das Feuer herumstehen und auf die Katzen achten, ohne an das Löschen zu denken, schleichen sich die Katzen zwischen den Menschen durch oder springen über sie weg und stürzen sich in die Flammen. Darüber sind dann die Ägypter sehr traurig. Wenn in einem Hause eine Katze von selbst stirbt, schneiden sich alle Bewohner nur die Augenbrauen ab, wenn aber ein Hund stirbt, scheren sie sich den Kopf und den ganzen Leib.
Als mein Vater mir das Buch gab, fing er ebenfalls an im Buch zu blättern und hätte es dann am liebsten gleich selbst gelesen. Er meinte, wenn er sieht, was da so alles drin steht, müßte er auch mal wieder reingucken und ich solle es ja schnell wieder zurückbringen.

Im übrigen lag er wie immer im Bett und klagte, als ich heute kam, dass es ihm so schlecht geht, dass er gar nicht viel isst und gar keine Lust habe, irgendwas zu machen außer zu schlafen, aber der Papierkorb, den er am Bett zu stehen hat, war voller leerer Pralinen-, Keks- und Schokoladenschachteln. Kein Wunder, dass er keinen Hunger hat und nicht viel isst, wenn er seine ganzen Süßigkeitenvorräte plündert, von denen er jede Menge hat und generell nie was abgibt.
Inzwischen hat er sich an seinem Bett schon so eingebaut, wie Marlene Dietrich in ihren letzten Jahren, allerdings ohne Telefon, da er ja nicht telefonieren kann und will. Wenigstens geht er noch alleine auf's Klo.
Aber ich frage mich ehrlich, wozu er, wenn er den ganzen Tag im Bett liegt, drei Armbanduhren trägt - zwei an einem Handgelenk und eine am anderen. Nun ja, darüber darf man sich wahrscheinlich nicht mehr wundern. Wer weiß schon, wie schrullig ich mit 76 sein werde.

Die Geschichte, die NICHT "Freibeuter des Herzens" heißt - Teil 5

„Ich bin Robert.“ stellte er sich vor.

Nachdem ich ebenfalls meinen Namen genannt hatte, wagte ich sogleich einen invasiven Vorstoß, indem ich fragte: „Und warum habt ihr euch getrennt?“, womit ich ihm außerdem subtil zu verstehen geben wollte, dass ich schon einiges über ihn wusste, damit er nicht auf die Idee käme, mir irgendetwas Falsches zu erzählen.

„Wir haben uns auseinandergelebt.“ antwortete er stereotyp und setzte hinzu: „Und es gab Konflikte wegen des Erbes.“ Seine unwirklich blauen Augen huschten verlegen umher.

Das interessierte mich nun in der Tat brennend. Was für Konflikte konnte es da wohl geben? Ich wusste, dass Großonkel Albert 97 Jahre alt war. Betraf es die Taubeninsel und den Grundbesitz? Doch direkt danach zu fragen erschien mir etwas zu unhöflich, weshalb ich mich, nicht ohne Anstrengung, zurückhielt.
Langsam merkte ich, wie mir die Müdigkeit in alle Glieder kroch, und noch ehe ich selbst diesen Gedanken denken konnte, fragte er mich, ob ich gehen wolle und er mich vielleicht nach Hause bringen dürfe.

Wir schlenderten in das Wohnzimmer zurück, um uns zu verabschieden. Onkel Gustav fummelte gerade unter dem Pulli an Tante Bärbel’s BH und auch bei den anderen schien die Stimmung noch immer ungebrochen gut zu sein, wenn man sie so zu den Polkaklängen von „In Rixdorf ist Musike“ in einer Polonaise um den Tisch herumkriechen sah. Irgendwie war ich ganz froh darüber, dem Anblick einer Rentner-Gruppensex-Orgie zu entkommen.

Inzwischen war es Nacht geworden. Ein atemberaubender Sternenhimmel hatte sich über die dunklen Dächer gebreitet und der warme Frühlingswind strich wie ein sanftes Kätzchen um meine Beine. Genau die richtige Kulisse für ein filmreifes Tete a tete, das unvergesslich bleiben würde, dachte ich. Doch leider hatte ich die Rechnung ohne seinen Wagen gemacht, dem er schnurstracks entgegenstrebte, ohne dabei aufzuhören mich zu stützen, als wäre ich selbst schon altersschwach oder als würde ich zumindest unter gefährlichen Gleichgewichtsstörungen leiden. Das konnte unmöglich der Fall sein, aber ich sagte nichts und ließ mich widerstandslos zum silbermetallicfarbenen Audi führen. Also wurde doch nichts aus der Romantik unter sternenklarem Himmel, mit verbummelten Schritten und ebenso verbummelten Worten. Leise verfluchte ich mal wieder den technischen Fortschritt, der mit seiner sich fortwährend steigernden Schnelligkeit jedwede romantische Augenblicke zerstörte, mal ganz abgesehen davon, dass ich auch wenig Lust verspürte, in mein Katastrophengebiet zurückzukehren. Sollte ich ihn fragen, ob ich mit zu ihm kommen kann? Himmel, nein! Das ging überhaupt nicht! Was würde er von mir denken!

Aber vielleicht konnte ich ihn dazu bringen, ein bisschen rumzuknutschen? Schnell kramte ich sämtliches Repertoire meiner Verführungskünste aus dem Gedächtnis hervor, wo es lange ungenutzt gelegen hatte. Irgendwie machte er nicht den Eindruck, als hätte er jetzt sowas im Sinn, aber mein Gott, ich würde ihn schon nicht vergewaltigen, wenn er nicht wollte. So ein bisschen Knutscherei, was machte das schon? Früher war das Standard auf jeder Schulparty.