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Sonntag, 28. Mai 2006

Das neue Bad

Die Sonne und der Regen fechten heute einen harten Kampf miteinander aus. Mal behält dieser und mal jener die Oberhand.

Jedenfalls ist es zu kalt, um es sich auf dem Balkon gemütlich zu machen, was ich zwar lieber getan hätte, aber dafür bin ich wenigstens mit dem letzten Kleinkram im Bad fertig geworden. Es sieht jetzt aus wie neu, bzw. fast neu, und die Reste des Terassenparketts haben wirklich gerade so noch gereicht, um sie im Bad auszulegen. War ja eigentlich nicht geplant, aber es war noch so viel übrig und irgendwie finde ich, dass das eine gute Idee gewesen ist, weil sich das Holz barfuss sehr gut anfühlt. Es ist viel wärmer als die Fliesen, man braucht also keinen Duschvorleger oder ähnliches. Allerdings ist es wirklich knapp gewesen, denn hinter dem Klo fehlt ein kleiner Streifen Fliesen, da ich nur noch halbe hatte. Immerhin bin ich schon froh, dass ich die Fliesen um das Klo herum vernünftig ausgesägt bekommen habe. Ich habe mir dafür extra Papierschablonen angefertigt, die ich dann auf die Fliesen übertragen habe. Und - wer hätte das gedacht - die Fliesen passen fantastisch zu meinem neuen Spiegelschrank aus Holz, der eigentlich nur ein Frustkauf gewesen ist, da ich schon seit Jahren nach einem neuen Spiegelschrank suchte. Leider kann ich nicht irgendeinen nehmen, da es in dem kleinen Bad auf jeden Zentimeter Tiefe ankommt. Mein alter Spiegelschrank war 16 cm tief und das war schon das höchste der Gefühle, aber nachdem mein Mückenschutzspray ein Loch in den Plastikboden geweicht hatte, war er absolut nicht mehr haltbar. Jeder Zentimeter mehr entscheidet darüber, ob man noch bis zum Klo durchkommt oder vorher erschlagen wird. Leider beginnen die neuen Spiegelschränke alle fast ausschließlich ab 18 cm Tiefe, was absolut zuviel ist. Das wundert mich ein bißchen, denn es kann doch nicht sein, dass nur ich so ein kleines Bad habe. Schließlich, nach jahrelangem Suchen, fand ich einen in einem Katalog, doch als ich ihn bestellte, war er schon ausverkauft (also bin ich wohl doch nicht die einzige, die ein kleines Bad hat). Dann war ich so frustriert, dass ich einfach auf gut Glück diesen Holzspiegelschrank gekauft habe, denn er gefiel mir zwar, war mit 17,5 cm eigentlich auch noch zu tief. Doch zu meiner Freude mußte ich feststellen, dass sich die 17,5 cm auf den oberen Kranz bezogen, der Korpus aber nur 15 cm mißt, was für mein Bad absolut ideal ist. Das war ein intuitiv guter Frustkauf. Jetzt stört mich nur noch ein bißchen das Plastikregal unter dem Waschbecken. Da ich schon so wenig Platz habe, versuche ich den unter dem Waschbecken natürlich auch irgendwie zu nutzen, allerdings reicht er nicht für einen normalen Waschbeckenschrank. Die passen da alle nicht. Jetzt bin ich am überlegen, ob ich, wenn man irgendwo einfache Teakholzbretter zu kaufen bekommt, mir nicht selbst ein passendes Waschbeckenregal aus ebendiesen bauen sollte. Schließlich habe ich ja schon genug fertige Möbel zusammengebaut. So schwer stelle ich mir das nicht vor. Ich sehe es echt schon kommen, dass ich tatsächlich noch anfange, meine eigenen Möbel herzustellen. Wo soll das noch hinführen?

Die Geschichte, die NICHT "Oswald - Die Terrorpuppe" heißt - Teil 8

Von den peinlichen Gedanken an meinen letzten Fettnäpfchenfehltritt, oder genauer gesagt Sahnecremenäpfchenfehltritt, wurde ich durch einen Blick auf die zerfetzte Wand mir gegenüber abgelenkt. Wie ein schwarzes, gesichtsloses Auge beobachtete mich der freigelegte Hohlraum, und dies ist nicht nur eine simple Metapher zur Hebung des künstlerischen Niveaus dieser Geschichte, oh nein, ich fühlte mich tatsächlich auf unbestimmte Weise beobachtet, sobald ich die Wand betrachtete.

Endlich entschloss ich mich aus dem Bett zu klettern, stolperte über eine leere Coladose, die auf dem Fußboden herumrollte (wie die dorthin gekommen ist, war mir ein Rätsel) und griff noch in Unterwäsche, die aus nichts weiter bestand als einem hellblauen Slip, nach dem Hammer, der in einer Ecke lag. Mit einigen geschicktem Schlägen gelang es mir, die Ränder des Loches um einige Zentimeter zu erweitern. Dann nahm ich den Schraubenzieher und schob das, was sich darin befand, mit der Spitze hin zur Öffnung. Es verhakte sich einige Male, doch schließlich, nach geduldigem Fischen, wurde ein kleines Bein sichtbar. Ich vergaß fast zu atmen vor Erstaunen, denn das, was hier das Licht der Welt erblickte, war eine kleine Puppe, kaum größer als zehn Zentimeter. Sie, besser gesagt er, wie ich aus Kleidung und Haarschnitt ableitete, schien mindestens ebenso erstaunt zu sein wie ich, denn er blickte mich mit einem geradezu komisch wirkendem, entsetzten Ausdruck an.
„Ich fasse es nicht. Da hat doch tatsächlich jemand eine Puppe versteckt.“ Fassungslos schüttelte ich mit dem Kopf. „Nein so was. Bei einem Sparstrumpf könnte ich das ja noch verstehen, aber eine Puppe!“ So führte ich noch eine Weile meine Selbstgespräche fort, setzte das Püppchen auf die Fensterbank und genehmigte mir statt eines Frühstücks ein Glas Grapefruitsaft, welchen ich trank und dabei das kleine Ding neben meinem Orchideentopf unaufhörlich anstarrte.

Zufällig bemerkte ich, dass meine Fußsohlen schwarz waren. Ich hatte zwar gestern den herabgefallenen Putz notdürftig zu einem wie mir schien riesigen Haufen zusammengefegt, doch der schmierige schwarze Staub klebte überall auf der Folie und nun an meinen Füßen.
Ich sprang deshalb unter die Dusche, was nicht nur meinen Füßen gut tat, und machte mich mit neuer Energie an die Arbeit. Dieser Mann, Robert hieß er, war völlig vergessen.

Zuerst pinselte ich eine Flasche Tiefengrund auf den sandigen Putz, welche ich hellsichtigerweise ebenfalls gekauft hatte, und als dieser getrocknet war, plünderte ich meine Spachtelpulvervorräte, welche ich in einer großen Schüssel mit Hilfe eines traditionell dekorierten polnischen Volkskunst-Kochlöffels anrührte. Eine Glättkelle war auch zur Hand und nach mehreren Stunden emsigen Rührens und Spachtelns, waren die Ziegelsteine unter einer glatten Füllschicht verschwunden. Zufrieden betrachtete ich das Ergebnis und klaubte einige Klumpen der hellen Masse aus meinen Haaren und von meinem Gesicht, da klopfte jemand an die Tür. „Himmel! Das wird doch nicht wieder mein Nachbar sein?“ betete ich, aber es kam viel schlimmer – es war Robert.
„Hi!“ grinste er und seine Grübchen sprangen mich an, während ich versuchte ruhig zu bleiben und nicht urplötzlich zu sterben.
„Wollte mal schauen, ob du gut angekommen bist und ob es dir gut geht.“

„Danke.“ erwiderte ich zerstreut, damit bemüht, meine bekleckerten Ringelleggings und das verschwitzte Unterhemd mit Würde zu tragen. Dann erst fiel mir auf, dass er immer noch vor der Tür stand und keine Anstalten machte, wieder zu gehen. Also bat ich ihn herein.
Ich merkte, wie sein Schritt kurz stockte, als er das Zimmer betrat. Eine Sekunde für ihn, eine Ewigkeit für mich, und da ich ihm nicht anbieten wollte, auf meinem zerwühlten Bett Platz zu nehmen, standen wir beide etwas verloren in der Gegend rum. Licht fiel in breiten Streifen durch das Fenster, kleine Staubflöckchen tanzten emphatisch zwischen uns in der Luft. Alle Möbel waren noch beiseite gerückt und abgedeckt.

„Hm, sieht nach Arbeit aus.“ bemerkte er scharfsinnig.

„Genau!“ antwortete ich.

„Komme ich ungelegen?“

Dämliche Frage. Die konnte er sich wohl selbst beantworten. Doch ich riss mich zusammen und erzählte schnell, was ich mit dem Zimmer vor hatte, ohne auf seine Frage einzugehen.
Dann wusste ich vor Verlegenheit nicht mehr, was ich sagen sollte und griff schnell nach der kleinen Puppe.

„Schau mal. Die habe ich in einem Ziegelstein gefunden. Ist das nicht komisch?“

Er schien weder etwas Komisches noch sonst etwas Interessantes daran zu finden, ja, ich hatte sogar den Eindruck, dass er mir gar nicht zuhörte. Wahrscheinlich hatte er sich seinen Besuch bei mir irgendwie anders vorgestellt.

„Kann man dich auch mal treffen, ohne dass du gerade blau oder beschäftigt bist?“

Dieser leise Spott in seiner Stimme gefiel mir überhaupt nicht, um es gelinde auszudrücken.
Er hätte sich ja wenigstens an seine gestrige elegantere Umschreibung erinnern können. In mir begann es zu brodeln.

„Du hast mich doch gerade erst zweimal getroffen.“ antwortete ich trocken.

„Ja, eben. Und ich würde es gerne wieder. Ich finde dich sehr nett und ich hätte Lust, mal wirklich einen ganz entspannten Nachmittag mit dir zu verbringen, ganz ohne Stress.“

Toll! Als trächtiges Zebra fand er mich also nur noch nett. Ich seufzte. Er machte einige Schritte zur Tür und trat gegen die Cola-Dose (warum lag die eigentlich immer noch da?), dann zog er ein kleines Kärtchen aus der Jackentasche.

„Hier, meine Telefonnummer. Und auch wenn du nicht anrufen solltest, melde ich mich bestimmt wieder.“ Spitzbübig grinsend platzierte er sie auf einem der Bücherstapel im Flur und drehte neugierig das obere Buch um. Es war „Die Glut der Leidenschaft“. Schlimmer konnte es nicht mehr kommen.