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Sonntag, 25. Juni 2006

Die (immer noch) namenlose Geschichte - Teil 20

Vielleicht waren meine Augenringe etwas zu tief, meine Haut etwas zu blass, meine Fingernägel etwas zu zersplittert und mein Gesichtsausdruck etwas zu lustlos, doch Robert schien es nicht zu bemerken. Freudig begrüßte er mich vor dem baufällig-barocken Tor eines städtischen Naherholungsgebietes. Die Jacke hatte er diesmal weggelassen. Er trug ein sommerlich-legeres weißes Baumwollshirt zu einer knielangen Bermudahose, welche den Blick frei gab auf außerordentlich schön geformte und optimal behaarte Waden. Selbst in meinem jetzigen Zustand konnte mir das nicht entgehen. Sogleich fühlte ich etwas durch meine Adern fließen, ich will es Leben nennen, und die nette Art von Begrüßung tat ein übriges, dass ich mich mit einem Mal überhaupt nicht mehr müde fühlte.
Warmer Wind wehte übermütig durch mein Haar und der süße Duft des gelb-hängenden Geißblatts stieg mir verheißungsvoll in die Nase. Robert plauderte sofort drauflos, er hatte eine sehr unterhaltsames und souveränes Verhalten an sich, welches mir die Illusion meiner eigenen Persönlichkeit um so stärker ins Gedächtnis brachte. Mir war jetzt schon klar, dass ich ihm unter den Händen zerrinnen würde wie schmutziger Staub und es würde ihm nicht einmal auffallen. Aber daran wollte ich jetzt nicht denken. Bereit alles hinter mir zu lassen, schlenderte ich mit ihm auf den Eingang zu, wobei ich auf einem kleinen Mauervorsprung eine buntbemalte afrikanische Buschtrommel wie ein wundersames Omen in einer Ecke stehen sah. „Merkwürdig“ dachte ich, „was man in dieser Stadt so alles findet...“

Wir kreuzten die Allee mit den blühenden Apfelbäumen und steuerten geradewegs auf den Biergarten zu, aus welchem gedämpftes Gemurmel und gelegentliches Gläserklirren, unterbrochen von mehrmaligem Lachen klang. Schnell hatten wir uns einen freien Tisch neben einer alten Linde gesucht, die angenehmen Halbschatten spendete, und sofort untersuchten wir genauestens die Speisekarte. Ich orderte einen großen Salat und er ein überbackenes Steak (warum wusste ich das schon vorher?), die würzige Luft machte Appetit - genießerisch ließ ich die zitronige Marinade auf der Zunge zergehen, nachdem ein untersetzter, kraushaariger Kellner uns das gewünschte gebracht hatte. Robert hatte sich sofort über sein Steak her gemacht, erinnerte sich aber zwischendurch netterweise an mich und fragte, ob ich mal davon kosten möchte. Wir einigten uns auf den Tausch von einem Stückchen Steak und einem Kartoffelschnitz gegen ein Tomatenviertel und einen Würfel Fetakäse, die Handlung des Herübereichens der Kostprobe mit der Gabel seinerseits wurde von ihm mit dem Wort „Raubtierfütterung“ begleitet. Erleichtert stellte ich fest, dass ich nicht rot wurde. Er konnte mich nun bis an sein Lebensende mit unserer ersten Begegnung in seinem Wagen aufziehen, er würde kein Vergnügen daran haben.

„Ist nett hier.“ stellte er fest. „Gemütlich. Kommst du oft hier her?“

„Nö, eigentlich nicht. Ich bin niemand, der sich oft in Biergärten und Cafes herumtreibt. Und du?“

„Na ja, sagen wir so: es ist nicht mein Lebenssinn.“

Wir lachten und beschlossen mit einen großen Eisbecher für jeden nachzulegen, jedoch erst nachdem er mich gefragt hatte, ob ich nicht lieber ein Stück Sahnetorte möchte. Ich hörte diese Neckereien kaum noch und winkte nur grinsend ab. Kleine weiße Fallschirmchen tanzten überall in der Luft, ließen sich in unseren Haaren, auf den Armen und Schultern nieder. Deutlicher konnte man niemanden darauf aufmerksam machen, dass wir uns mitten in der Paarungszeit befanden.

Durst

Licht bricht sich
am bleichen Silber
meiner Traurigkeit
und fliegt vorbei,
jahrzehnteschnell,
- der Schatten bleibt
Ein Stern versinkt,
erlischt im Nimmermehr,
stirbt ungekannt
in den Wassern der Nacht,
welche ich schöpfe
mit vollen Händen