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Freitag, 31. Oktober 2008

Halloween auf dem Dachboden

Seit Monaten schon hören wir über unserem kleinen Büro in dem großen, alten Haus merkwürdige Geräusche. Es klingt, als würde etwas umherrollen oder über den Boden schleifen, als wäre jemand da oben. Über uns ist aber nur der Dachboden. Keine Kegelbahn, auch wenn es sich so anhört. Ich habe seit längerem vor, der Sache auf den Grund zu gehen, vergaß es jedoch, bis es mir drei Tage vor Halloween wieder einfiel. Hm, das trifft sich gut, dachte ich bei mir, Halloween ist am Freitag und da ist abends niemand mehr im Haus. Die doppelt passende Gelegenheit, um einmal nachzuschauen und sich gegebenenfalls zu gruseln. Also wartete ich vor meinem Dienstcomputer, bis die Laternen auf der Straße angingen und kein einziger Laut mehr aus den langen, leeren Fluren des Hauses drang. Ich beschloß, den Hinteraufgang zu benutzen, auch wenn dort das Licht nicht funktioniert. Im Dunkel des Treppenhauses, nur ab und zu durch das wenig hellere Restlicht des Abendhimmels durchbrochen, tastete ich mich eine Etage nach oben, bis auf dem obersten Treppenabsatz die Dunkelheit so undurchdringlich wurde, daß in der Schwärze absolut nichts mehr zu unterscheiden war, weder Tür noch Wand. Trotzdem spürte ich gleich darauf eine Klinke unter meinen Fingern und wußte sofort, daß die Dachbodentür nur angelehnt war.

Irgendwie hatte ich nicht wirklich damit gerechnet, sondern erwartet, daß die Tür fest verschlossen sein würde. Ich hätte daran gerüttelt, wäre unverrichteter Dinge, aber nicht unbedingt enttäuscht nach Hause gegangen und hätte die Sache vergessen. Doch die Tür stand offen und ich jetzt mitten in ihr, ohne in der Schwärze um mich herum irgendetwas ausmachen zu können. Zögernd taste ich nach einer Wand neben mir und dem möglicherweise existierenden Lichtschalter. Ich fahre mit der Hand die Wand hinauf und hinunter. Fühlt sich nach einfachem Putz an. Weiter unten treffe ich auf einen klappernden metallenen Gegenstand. Was ist das? Das werde ich im Dunkeln sicher nicht herausfinden, deshalb weiter nach dem Lichtschalter gesucht. Hoffentlich ist es hier einigermaßen sauber und es hängen nicht überall Spinnen herum. Etwas weiter in die Wand hineintastend spüre ich plötzlich etwas Pelziges. Erschrocken ziehe ich die Hand zurück. War das wirklich pelzig oder habe ich mir das nur eingebildet? Vorsichtig suche ich die Stelle noch einmal. Nein, es ist nichts Lebendes, es ist nur der Lichtschalter aus Plastik, der sich im Vergleich zum kühlen und glatten Metall pelzig anfühlt. Schnarrend springt das Licht an und es bleibt trotzdem dunkel. Nur in geschätzten hundert Metern Entfernung ist ein schaler Lichtschein auszumachen, der sich um düstere Balken herumschlängelt. Wenn ich es bis dort hin schaffe, hätte ich Licht. Aber in völlig fremdem Gelände bis zu diesem Punkt vorzudringen erscheint mir zu riskant. Schließlich möchte ich mir nicht die Beine brechen, erkläre ich mir selbst vernünftig. Andererseits ist da aber auch noch die unbestimmte Angst davor, im Dunkeln durch einen bis dahin unbekannten riesigen Raum zu stolpern, während ich keinerlei Vorstellung habe, was mich dort erwartet. Sich eine Treppe hinauf- oder hinunter zu tasten ist dagegen vergleichsweise harmlos. Ich steige also wieder hinunter und beschließe, es noch einmal auf der Vordertreppe zu probieren. Immerhin gibt es dort Licht.

Auch hier steht die Dachbodentür offen. Doch als ich sie aufstoße, stehe ich unerwarteterweiser in einem schäbigen Bürokorridor. Das Licht knallt krachend an und wirft aus Neonröhren einen grünbleichen Schein auf die gelben Wände.

Halloween auf dem Dachboden 1

Erstaunt schaue ich mich um und erschrecke, als der morsche Boden unter dem abgenutzten Linoleum verräterisch laut zu meinen Schritten knarrt. Der schmale flackernde Gang wirkt unheimlich. Ganz am Ende kann ich eine Tür mit Knauf ausmachen und meine zu erkennen, daß sie ebenfalls nur angelehnt ist.

Halloween auf dem Dachboden 2

Ob ich dort hindurch muß? An den Türen entlang des Ganges lese ich seltsame Schilder. Damit meine ich nicht die, auf welchen 'Archiv' oder 'Kasse' steht, sondern die, auf denen "Bitte nicht abschließen" steht, denn jede einzelne Tür ist - fest verschlossen. Endlich erreiche ich die allerletzte Tür und ziehe sie mit einem klumpigen Gefühl im Magen auf. Wieder erwartet mich eine Überraschung. Eine kleine hölzerne Treppe führt über Rohre und Kabel auf ein hölzernes Podest, welches sich im Dunkel zwischen alten Balken verliert.

Halloween auf dem Dachboden 3

Geht es dort hindurch zum Dachboden? Vorsichtig steige ich über Treppe und Kabel. Die Neonröhren aus dem Gang hinter mir spenden hier nur noch wenig Licht, aber immerhin mehr, als ich vorher auf der anderen Seite des Hauses hatte.

Halloween auf dem Dachboden 4

Das verlebte Holz knirscht gefährlich. Und gibt kurz darauf zu meinem Schrecken fast lautlos unter mir nach. Sekundenbruchteile später höre ich etwas dumpf und in meinen Ohren fürchterlich laut gegeneinanderprallen. Gleichzeitig halte ich mich geistesgegenwärtig an der splittrigen, aber geraden Kante des Holzbodens fest. Eine Falltür! Es muß eine Falltür sein. Mühsam rolle ich mich zur Seite, bis ich auf dem Rücken liegen bleibe. Splitter haben sich unter meine Nägel gebohrt, wie ich ganz nebenbei bemerke. Mein Blick fällt nach oben. Über mir sehe ich einen schwarzen Balken von dem herab etwas baumelt. Oh, mein Gott! Sehr langsam begreife ich und eine eisige Kälte kriecht über meine Arme bis in die schmerzenden Fingerspitzen. Ein Galgen! Es ist ein Galgen! Leise und ungerührt wiegt sich die Schlinge in eintönigen Kreisen.

Halloween auf dem Dachboden 5