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Montag, 28. Februar 2011

Zen mit Eistüte

Zen mit Eistüte

Überleben Glückssache

Ich weiß ja, warum ich eigentlich über dieses Thema nicht wirklich Literatur lesen möchte. Lieber tauche ich in ferne poetische Welten ab. Als ich dieses Buch "Überleben Glückssache. Was Sie als Krebspatient in unserem Gesundheitswesen erwartet" las, mußte ich dauernd weinen, weil ich vieles wiedererkannte. Aber wenn ich mich damit erst beschäftige, wenn alles vorbei ist, nützt mir das nichts mehr. Wobei in diesem Buch nicht viel Neues steht, interessant ist aber, daß das kritische Erleben der Patientin (Autorin) und die Meinung der Ärzte dazu gegenübergestellt werden. Vorbildlich auch das umfangreiche Glossar zum Nachschlagen verschiedener Fachbegriffe, vor allem jene, die Brustkrebs betreffen. Viele beschriebene Situationen sind wie von mir erlebt. Ebenso die Gefühle und Erfahrungen der Autorin, manches ist jedoch auch etwas anders gelaufen. Die Autorin hatte in einigen Dingen Glück, d.h. Dinge, die ich als Glück empfunden hätte oder empfinden würde: eine Ärztin als Freundin, die sie überallhin begleitet und ihr geholfen hat, eine Maskenbildnerin als Freundin, einen sehr guten Chirurgen und anscheinend bis auf Haarausfall null Nebenwirkungen bei den Chemos. Beneidenswert, doch dafür schlug die Chemo bei ihr nicht deutlich an. Vielleicht muß man sich ja richtig krank fühlen, damit es dem Tumor ebenfalls schlecht geht, so wie bei mir. Das Glück scheint mir in anderen Dingen hold zu sein, so zum Beispiel auch was die Klinik betrifft in der ich gelandet bin. Alles mußte ganz schnell gehen, bzw. sollte schnell gehen und ich hatte fast keine Möglichkeit und nicht den Kopf, um mich noch großartig umzuhören, zu vergleichen und zu entscheiden. Es war also Zufall oder Schicksal, daß es diese Klinik und diese Ambulanz geworden ist, aber ich habe das Gefühl, daß ich es, trotz der Ärgernisse, die es natürlich dort ebenfalls gibt, ganz gut getroffen habe. Ich höre jedenfalls täglich Schlimmeres und lese auch in diesem Buch davon. Ok, Klinik bleibt Klinik, Chemoambulanz Chemoambulanz, und ein Schulmediziner Schulmediziner. Man kann über bestimmte Dinge einfach nicht mit ihnen sprechen, da sie zu fach- und symptomfixiert sind, doch meine ich, daß sie sich in ihrem "Reich", ihrem Wirkungsrahmen, durchaus große Mühe geben, ebenso wie das Personal, wobei es selbstverständlich immer und überall solche und solche gibt. Auch fühle ich mich dort durchaus noch größtenteils als Mensch. Aber etwas, das in der Autorin in ihrer ganzen Geschichte durchweg Wut auslöst, ist auch hier ein genauso großes Problem, welches ich als ebenso kritisch erlebe, nämlich die fehlende Information. Immer und überall muß man fragen, nachbohren und muß immer wieder Grenzen setzen, was die Abnahme der eigenen Entscheidungen betrifft. Nur weiß man ohne Information nicht immer, wonach man eigentlich fragen, oder was man wissen muß. Es ist nötig, sich mühsam jedes Wissen Stück für Stück über andere Patienten, Bücher oder das Internet zusammenzusuchen. Und zwar echtes Hintergrundwissen und nicht nur den oberflächlichen Kram aus den Patientenratgebern, die auch noch meistens von Pharmafirmen herausgegeben werden. Einige Dinge würde ich bis heute nicht wissen, wenn ich nicht nachgefragt oder mich anderweitig informiert hätte. Und einige Dinge, besonders in der Klinik, lösen im Nachhinein bei mir ebenfalls Wut aus. Als ich anfangs gebeten hatte, die Befunde in Kopie zu bekommen, wurden mir diese nach Absegnung durch die Ärztin abkopiert, allerdings nicht alle, doch das merkte ich erst, als ich neues Wissen dazugewonnen hatte. Und wieder mußte ich fragen, als ich merkte, da fehlen noch Ergebnisse, und irgendwann kommt man sich schon blöd vor und wie ein Störenfried. Im Buch schreibt eine Ärztin, daß einfach die Zeit fehlt, um sich um solche "Sekretariatsarbeiten" zu kümmern, aber ich hätte eine ganz einfache Lösung dafür . Wenn jeder Arzt, der einen Befund schreibt, gleich einen Durchschlag für den Patienten ausdrucken würde, eine Sache von wenigen Sekunden, und er muß diesen ja nicht gleich dem Patienten in die Hand drücken, gäbe es dieses Problem nicht. Ich finde, die Ärzte verhalten sich völlig paradox. Denn wenn man ihren Meinungen, wie man sie im Buch lesen kann, glauben möchte, wünschen sie sich selbstverantwortliche und aufgeklärte Patienten, aber sie verhalten sich nicht so. Um selbstverantwortlich entscheiden und handeln zu können braucht man Informationen und genau die werden wie selbstverständlich zurückgehalten. Ich war schon immer der Meinung, jeder Patient sollte automatisch alle Befunde ausgehändigt bekommen, ob er sie nun haben möchte oder nicht. Mancher wirft sie vielleicht in die Ecke oder hat kein weiteres Interesse, sich damit auseinanderzusetzen, aber für andere ist dies vielleicht erst der Anstoß, sich auch selbst genauer zu informieren. Und siehe da - man höre und staune - es geht! Auf Grund dieses Buches wurde in der Klinik des behandelnden Arztes der Autorin das Verfahren eingeführt, daß jeder Patient eine Aktenmappe mit allen kopierten Befunden und Arztbriefen in die Hand gedrückt bekommt. Halleluja! Aber muß man als Patient eigentlich immer erst ein Buch schreiben, damit so etwas überall zum Standard wird?

Jahresvertrag mit der Klinik

Ich werde aufgefordert zu einer Besprechung mit einem der Ärzte in die Klinik zu kommen. Der Nachname beginnt mit St, weshalb ich denke, daß es Frau Dr. St. ist. In dem Raum mit großem, rechteckigen Konferenztisch sehe ich sie auch sitzen, allerdings ignoriert sie mich komplett und scheint mich gar nicht zu bemerken. Ich setze mich zu ihr an den Konferenztisch und warte. Wahrscheinlich ist sie zu beschäftigt und hat noch andere Patienten. Während des Wartens werde ich immer müder und schlafe ein. Als ich nach einer Stunde wieder erwache, verläßt sie gerade den Raum, was mich erst irritiert. Doch gleich darauf kommt ein männlicher Arzt, dessen Nachname ebenfalls mit St beginnt und begrüßt mich. Also habe ich wohl mit ihm die Besprechung. Es macht eine Bemerkung, daß ich aber sehr pünktlich sei und legt los, mir etwas zu erzählen. Leider ist seine Stimme so leise und undeutlich, daß ich ständig mit Achselzucken, und "Ich hab Sie nicht verstanden." reagieren muß, was mir selbst peinlich ist. Deshalb entschuldige ich mich damit, daß ich so müde sei, bin mir aber nicht sicher, ob dies wirklich der Grund ist. Ich bekomme mit, daß er mit mir einen Jahresvertrag abschließen möchte, verstehe aber nicht, was dies bedeutet. Scherzhaft sage ich deshalb, daß ich eigentlich nicht hier arbeiten wollte. Es macht mir Sorgen, daß ich irgendetwas unterschreiben und erfüllen soll, was ich zwischen Arzt und Patient eher ungewöhnlich finde. Er teilt mir nun mit, daß ich künftig woanders behandelt werde. Ich verstehe etwas von U-Bahnhof Brückenstraße. Das gefällt mir gar nicht, zumal ich wahrscheinlich mehrmals umsteigen muß, aber hierher nur 10 Minuten mit dem Bus fahre. Deshalb erhebe ich Einspruch und mache mein Argument geltend. Währenddessen ist eine Frau in grüner Operationskleidung in den Saal gekommen und hat den letzten Teil der Besprechung gehört. Sie mischt sich ein, indem sie mir sagt, ich solle bloß nicht dorthin gehen, das wäre nicht passend für mich. Dies bestärkt mich in meiner Meinung, weshalb ich nun definitiv ablehne. Der Arzt nimmt es gelassen, zerbricht sich jedoch um die Organisation den Kopf. Anscheinend ist der andere Behandlungsort für ihn günstiger, wenn er gleich danach Feierabend hat, und anscheinend ist er künftig bei den Behandlungen zugegen.

Bemerkung: Als ich heute wegen des Blutbilds in die Praxis kam, war dort Fr. Dr. St. anwesend, da sowohl die Chefärztin, als auch ihre Vertreterin erkrankt sind. Sie ignorierte mich jedoch keineswegs, sondern erkannte mich gleich wieder, obwohl ich sie seit dem Klinikaufenthalt nicht mehr gesehen habe.