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Sonntag, 22. Juni 2014

Moderne Kunst als Verstärker des Unbewußten

Die Brüskierung des Interesses durch Unverständlichkeit hat eine Introversion desselben und eine dadurch bedingte Konstellation des Unbewußten zur Folge. Den gleichen Effekt hat auch die in Frage kommende moderne Kunst. Man kann ihr daher eine bewußte oder unbewußte Absicht zuschreiben, beim Betrachter eine asketische, der verständlichen und erfreulichen "Welt" abgewandte Blickrichtung zu bewirken und dafür, gleichsam als Ersatz für eine verlorene, menschlich erfaßbare Umwelt, eine Offenbarung des Unbewußten zu erzwingen. Der praktischen Verwendung des Assoziationsexperimentes und des Rorschachtestes liegt diese Absicht zugrunde: sie sollen über die Beschaffenheit der Bewußtseinshintergründe Auskunft geben. Diese Aufgabe erfüllen sie auch mit großem Erfolg. Die "Experimentalanordnung" der modernen Kunst ist offensichtlich die gleiche; sie stellt dem Betrachter die Frage: "Wie reagierst du? Wie denkst du? Was für eine Phantasie drängt sich dir auf?" Das heißt mit anderen Worten: die moderne Kunst hat nur noch scheinbar das von von ihr produzierte Bild im Auge, in Wirklichkeit aber meint sie das betrachtende Subjekt und dessen unwillkürliche Reaktion...
....Persönliche Komplexe entstehen dort, wo Kollisionen mit der instinktiven Veranlagung stattfinden. Diese sind die Punkte verminderter Anpassung, deren Empfindlichkeit Affekte auslöst, und es sind die Affekte, welche dem zivilisierten Menschen die Maske der Angepaßtheit vom Gesicht nehmen. Es scheint dies das Ziel zu sein, auf das unsere moderne Kunst indirekt hinarbeitet. Wohl scheint heute noch auf diesem Gebiete äußerste Willkür und unabsehbares Chaos vorzuherrschen. Aber der dadurch bedingte Verlust an Schönheit und Sinn wird wettgemacht durch eine Verstärkung des Unbewußten.

(aus: "Geheimnisvolles am Horizont" von C.G. Jung)