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Dienstag, 20. September 2016

Nachtzug nach Budapest

In einer Sendung im RBB hörte ich letztens davon, daß die Deutsche Bahn ihren Nachtzugverkehr ab dem nächsten Jahr einstellen will. Ich weiß nicht mehr, ob es dabei nur um bestimmte Strecken oder um alle Nachtzüge ging, aber doch im größeren Umfang. Es wurden Fahrgäste befragt und in Schlafwagenwaggons hineingeschaut. Einmal in meinem Leben bin ich mit einem Nachtzug gefahren, muß es jetzt also nicht dringend nachholen, zumal das Erlebnis nicht wirklich schön war. Dabei hatten wir damals in unserem Abteil sogar nur vier Betten statt wie in den heutigen Zügen sechs Betten. Da ich die Jüngste war, wurde ich nach oben verfrachtet, doch oben waren die Betten noch kürzer als unten. Mal abgesehen davon, daß es klaustrophobisch eng war, konnte ich die gesamte Nacht meine Beine nicht ausstrecken. Ich konnte sie aber auch nicht vertreten, da die Abteiltür so laut war, daß das ganze Abteil sofort wach gewesen wäre. Das hatte irgendwie etwas von Arrest in einer Sardinendose mit zusätzlicher Folterkonfiguration. Ich finde ja, daß nur Schlafen in einem Nachtzug schlimmer ist, als Schlafen im Krankenhaus (ok, bis auf das eine Mal, als die Hochstellvorrichtung meines Bettes nicht funktionierte). Dazu kommt, daß man nicht einmal aus dem Fenster sehen kann und eigentlich verreist man doch, zumindest mit dem Zug, um aus dem Fenster zu sehen. Dadurch kann man sich von allen Unannehmlichkeiten wegdenken. Nachtzüge haben irgendwie so ein romantisches Image. In Filmen besitzen die Schlafabteile meist nur zwei Betten und sehen auch völlig anders aus. Man denke an James Bond oder Alfred Hitchcock, ganz zu schweigen vom Orient-Express. Die Realität ist zwar durchaus abenteuerlich, aber weniger romantisch. Und dennoch finde ich es schade, daß es sie nicht mehr geben soll, denn wie in der Sendung festgestellt wurde, werden sie viel und gerne gebucht. Vermutlich gibt es nicht wenige Menschen, die von ihrer Körpergröße und ihrem Schlafbedürfnis her perfekt in die Schlafwagenabteile hineinpassen, und für die diese Art zu reisen sehr praktikabel und nützlich ist.

EDIT/Es geht tatsächlich um alle Nachtzüge, siehe http://www.nachtzug-bleibt.eu/:

Auf der Fahrt zum Klimagipfel nach Paris hat DB-Vorstand Ronald Pofalla verkündet, dass die DB in einem Jahr alle Nachtzüge abschaffen will. Irreführenderweise wird das zunächst als Konzept, die Nachtverbindungen auszubauen, dargestellt, und es klingt so, als habe die DB die Kritik ihrer Kunden verstanden:
"Umfragen haben klar gemacht, dass es eine Nachfrage nach solchen Verbindungen gibt", erklärte Bahn-Vorstand Ronald Pofalla am Wochenende. Es sei bereits eine Arbeitsgruppe eingerichtet worden, die Konzept und Streckenkapazitäten prüfe, so der Bahnvorstand. Das Unternehmen reagierte damit auf die anhaltende Kritik auf das Ausdünnen der Nachtverbindungen.
Aber dann erklärt Ronald Pofalla, was mit dem »Ausbau der Nachtverbindungen« gemeint ist: ICEs, die nachts durchfahren...

...Nachtzüge, um das denen zu erklären, die wie der ehemalige DB-Vorstand Ulrich Homburg noch nie einen von innen gesehen haben, sind Züge, in denen man in Betten und/oder auf Liegen schlafen kann, in den meisten findet man beides und auch noch Sitze. Sie fuhren und fahren unter Namen wie D-Nacht, CityNightLine, EuroNight, InterCity-Night, Trenhotel (»Hotelzug« auf spanisch), Intercité-Nuit, Nocturno ... und und und. Im Schlafwagen hat man Betten, Waschgelegenheit oder WC/Dusche im Abteil, es gibt einen Begrüßungstrunk und Frühstück; im Liegewagen kann man sich preiswert ausstrecken und in einem Bettbezug einwickeln – und wem die 21 Euro für die preiswerteste Liegekategorie zu teuer sind, nimmt den Sitzwagen. Getränke und kleine Speisen gibt's beim Zugpersonal, und manchmal gibt es auch ein richtiges Restaurant oder zumindest ein Bordbistro. Sie zu benutzen, ist meistens ein Vergnügen.

Ein Intercity oder ICE, der nachts durchfährt, fällt nicht in diese Kategorie. Er hat nämlich nur Sitze, das Licht brennt unbarmherzig die ganze Nacht, vor jeder Milchkanne kommt die Ansage »Wir erreichen jetzt Hintertupfingen. Ihre wichtigsten Anschlüsse: Regionalexpress nach Vordertupfingen um 3:45 Uhr von Gleis 3, Regionalbahn nach Kuhdorf um 4:20 von Gleis 4. Der Ausstieg ist in Fahrtrichtung links. Wir danken für Ihre Fahrt mit der Deutschen Bahn und wünschen Ihnen noch einen schönen Tag.« Nach jeder Milchkanne heißt es dann: »Wir begrüßen die in Hintertupfingen zugestiegenen Fahrgäste ...«
Wenn es Züge gibt, auf die der Ausspruch des früheren Bahnchefs Mehdorn »Zugfahrten über vier Stunden sind eine Tortur« zutrifft, dann sind es solche nächtlichen ICEs und ICs. Ganz nebenbei sind sie ein Paradies für Diebe....


Nochmal EDIT: Wie ich gerade las, erfolgte die Debatte während eines Fußballspiels oder sollte da erfolgen. Also an Zufälle glaube ich ja nicht mehr, nachdem mich die Förderalismusreform während der Fußball-WM 2006 stutzig gemacht hat. Es würde mich absolut überhaupt nicht wundern, wenn das "Sommermärchen" sogar von der Politik geplant und "gesponsort" wurde. Aber so lange bei solchen Veranstaltungen die Massen gerne ihr Hirn irgendwo abgeben und sich für nichts anderes mehr interessieren, wird die Politik mit Spielen als Ablenkungsmanöver wohl weiterhin Erfolg haben.