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Berlin 1945

Ich fand einen sehr interessanten und ausführlichen Bericht über die Ereignisse in Berlin Frühjahr 1945, wo auch der Standort des Stellvertretenden Generalkommandos des III. Armeekorps erwähnt wird, also wahrscheinlich der meines Großvaters, nämlich der Hohenzollerndamm:

Der erste Kampfkommandant hieß General Reymann. Er erließ den grundsätzlichen Befehl für die Verteidigung Berlins, unterhielt einen Gefechtsstand im Stellvertretenden Generalkommando des III. Armeekorps am Hohenzollerndamm und besaß so gut wie keine Möglichkeit, jemals bis zum Führer in den Bunker vorzudringen.
Sehr aufschlußreich finde ich auch die genaue Beschreibung des damaligen Zuständigkeitswirrwarrs:

Der Kampfkommandant war zwar für den Ausbau der Verteidigungsanlagen zuständig, aber der Reichsverteidigungskommissar stellte die Arbeitskräfte, welche die Anlagen bauen sollten. Reymann meldete einen täglichen Mindestbedarf von 100 000 Arbeitern an. An guten Tagen brachten die Hauptamtsleiter von Goebbels 30 000 Menschen auf die Beine - aber damit noch nicht an den Arbeitsplatz.

Das Organisationschaos hatte bereits vor dem Angriff der Sowjets einen derartigen Grad erreicht, daß Spandauer und Pichelsdorfer den Befehl bekamen, in Karlshorst zu schippen, Bewohner von Tempelhof aber nach Spandau dirigiert wurden. Die Arbeiter waren den ganzen Tag über damit beschäftigt, an ihre Arbeitsstelle zu kommen, denn die öffentlichen Verkehrsmittel waren teilweise schon ausgefallen, und falls sie noch fahren konnten, blieben sie wegen der Luftangriffe stehen.

Zwei Volkssturmbataillone, die dem Kampfkommandanten Berlins unterstanden, waren im Gau Brandenburg zu Hause und gehörten daher zum Reich des in Potsdam residierenden Gauleiters Stürtz, der mit Goebbels in Fehde lebte. Stürtz zog die Bataillone kurzerhand aus dem Abschnitt heraus, wo sie bereits eingesetzt waren, und stellte sie der im Spreewald operierenden 9. Armee zur Verfügung. Er wollte Goebbels nur ärgern, der tatsächlich nicht in der Lage war, diese Bataillone wiederzubekommen.

Von Goebbels bedrängt, ohne Zugang zum Führerhauptquartier, suchte der Kampfkommandant Anschluß an eine höhere Kommandobehörde, doch weder OKW noch OKH wollten von ihm etwas wissen.

Dann erreichte Reymann, daß der Verteidigungsbereich' Berlin der Heeresgruppe Weichsel des Generalobersten Heinrici unterstellt wurde. Ausgestattet mit prächtigen Karten und Tabellen, meldete sich Reymann bei seinem neuen Oberbefehlshaber. Heinricis Stabschef überzeugte, sich durch einen Blick auf Reymanns Papiere, daß der General weder Waffen noch Soldaten zu bieten hatte, und tobte: "Diese Wahnsinnigen dort in Berlin sollen von mir aus im eigenen Saft schmoren." Unmißverständlich meinte er damit die Insassen des Führerbunkers.


Und hier ist der Standort noch genauer - der Hohenzollerndamm 150:

1936-37 vom Architekten Rudolf Klar Dienstgebäude für das Generalkommando des III. Armeekorps und für das Wehrbereichskommando III erbaut. Es gab zwei große Verwaltungsgebäude, ein Offiziersheim, eine Turnhalle, eine Reithalle, Pferdeställe, ein Mannschaftshaus, ein Wachgebäude und eine KfZ-Halle.

Doch eine Frage beschäftigt mich ganz besonders. Wenn mein Großvater die Befreiung von Berlin miterlebt hat, und das ist ziemlich sicher, da er im April/Mai 1945 dort gewesen ist, wenn auch nur im Arbeitsdienst, wieso schrieb er seine Erlebnisse dann erst ab der Gefangenschaft auf? Schließlich muß ja vorher auch sehr viel los gewesen sein und wenn er das Bedürfnis hatte, diese Ereignisse für andere festzuhalten, was sehr den Anschein hat, wäre ja die Zeit davor als Bericht ebenfalls äußerst interessant gewesen.
g a g a - Fr, 01:07

Schlichter Gedanke:
er hatte vielleicht wegen der aufwühlenden Ereignisse und deren Dynamik einfach nicht die Ruhe und Muße, darüber zu reflektieren, sich zu sammeln, alles im Detail so zu erinnern, wie er es später konnte. (Auch in weniger existentiellen Zusammenhängen kenne ich es, den Wald der Wörter vor lauter Bäumen nicht zu fassen zu bekommen...)

Ja,

dieser Gedanke kam mir so auch. Trotzdem schade, daß ich ihn nicht mehr fragen kann.

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