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Die Geschichte, die NICHT "Das Geheimnis des Zarengoldes" heißt - Teil 27

Die Entfernung zwischen „Sturmvogel“ und „Wasilissa“ dagegen verringerte sich sehr viel langsamer, aber zunehmend. Schon konnte man mit bloßem Auge die Mannschaft sehen, die geschäftig an Bord des Kanonenbootes umherwuselte. Auch diese hatten den fremden, auf sie zusteuernden Dreimastschoner bereits im sich lichtenden Morgendunst entdeckt. Eine wärmende Sonne strahlte nun ungehindert auf das smaragdfarben schimmernde Meer hinunter. Peter hockte trübsinnig in einer Ecke auf dem Deck und starrte auf einen krummen Nagel, der aus der Bordwand ragte. Ein hagerer Schatten fiel über ihn und der Schiffsjunge blickte auf.
„Warum hast du zugestimmt?“ Die blauen Augen von Wilfrid Zeew schauten ihn fragend an.

„Ich, ich konnte nicht anders.“ stotterte Peter. „Er hat gesagt, er wirft mich sonst über Bord.“

„Wer?“

„Na der Käpt’n.“

Zeews Augen verengten sich und auf seinem Gesicht erschien eine gläserne Härte. Dann setzte er sich neben Peter auf das Deck und schwieg. Er suchte nach etwas an seinem Gürtel und reichte dem Schiffsjungen schließlich ein Messer.

„Nimm das. Du wirst es drüben brauchen können.“

Peter bedankte sich und wurde ein klein wenig rot. Das Messer hatte einen Elfenbeingriff, in den etwas eingraviert war, und machte den Eindruck, schon oft benutzt worden zu sein. Vielleicht war es ein Andenken. Peter fühlte sich heimlich hingezogen zu dem schlaksigen jungen Mann. Nicht erst jetzt, auch früher schon hatte er ihn beobachtet und gefunden, dass er völlig anders war als die meisten auf dem Schiff. Man merkte ihm an, dass er eine gute Bildung und Erziehung genossen hatte, und im Gegensatz zu den anderen Männern schien er einigen moralischen Grundsätzen zu folgen. Trotz seines unübersehbaren Ehrgeizes gepaart mit einem manchmal etwas arrogantem Auftreten, wirkte er nie gierig und dachte in jeder Situation stets auch an die ganze Mannschaft. Und nun fasste der Schiffsjunge Vertrauen zu ihm.

„Woher kommst du?“ fragte Peter seinen älteren Freund.

„Aus Holland.“ antwortete der einsilbig.

„Und deine Familie?“

„Tot.“ Peter schauderte bei dieser Antwort, obwohl er dasselbe Schicksal mit ihm teilte. Doch im Munde eines anderen hörte es sich grauenhafter an, als er es selbst empfand. Der Schiffsjunge wagte nicht genauer nachzufragen und Zeew blieb stumm, bis er mit einem Mal anfing zu erzählen.

„Mein Vater war ein holländischer Kaufmann und kreuzte mit mir und meiner Mutter vor Madagaskar, um dort eine neue Existenz aufzubauen, als wir auf das Piratenschiff trafen. Sie töteten alle, mich nahmen sie mit. Ich wurde ihr Schiffsjunge, so wie du es jetzt bist. Ich glaube, ich bin der einzige, der überlebt hat.“

„Und du bist hier geblieben?“

„Wo hätte ich sonst hin sollen?“

Ja, wo hätte er sonst hin sollen, wo sollte Peter sonst hin? Er konnte wieder in Sansibar betteln gehen und gerade im Moment wäre er nirgendwo lieber gewesen als dort. Er wäre zwar alleine, ohne die fragwürdige Sicherheit der „Familie“, die ihn nun in Form der Schiffsmannschaft umgab, aber wahrscheinlich würde er dafür den nächsten Sonntag noch erleben.

Völlig in ihre eigenen Gedanken versunken saßen beide da und starrten vor sich hin, während das Leinen der Segel in vertrauter Weise leise und unrhythmisch gegen die Taue klatschte.

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