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Historischer Brief vom Ende des zweiten Weltkriegs

Eine ganze Kiste voll uralter Dokumente und Unterlagen aus dem Nachlass meines Großvaters, die im Nachlass meines Vaters gelandet sind, durchwühle ich gerade. Mit darunter Ahnenpässe, Briefe, Zeugnisse, Hochzeitszeitungen, königliche Befehle und einiges mehr. Unter anderem fand ich diesen Brief, offensichtlich von einem Kind nach dem zweiten Weltkrieg geschrieben. Es ist einer der wenigen Briefe aus diesen Mappen, den ich richtig lesen kann, denn der junge Briefeschreiber hat sich wirklich Mühe beim Schönschreiben gegeben:

"Lieber W.!
Sei froh, daß du wieder in eure Wohnung ziehen konntest. Bei uns sind immer noch die Russen drin. Sie haben mir fast alle Spielsachen weggenommen, auch meine Schulmappe...."

Schlimm, schlimm!

Historischer Brief
Chutzpe - Do, 01:33

Uuuh, ich würde es lieben, diese Dokumente zu sichten.

Das tue

ich auch. Leider ist das meiste ziemlich schwierig zu lesen. Bin gerade beim Tagebuch meines Urgroßvaters.
nömix - Do, 09:38

Ich lese gerade aus dem Nachlass meiner Großmutter die Postkarten, die ihr mein verliebter Großvater während ihrer Verlobungszeit geschrieben hat. Es sind tatsächlich hunderte, offenbar führten die beiden eine wöchentliche Korrespondenz. Meine Großmutter hat sie alle sorgfältig in einem Album gesammelt. (Zum Glück kann ich Sütterlin bzw. Frakturschrift ziemlich flüssig lesen, da wir es noch in der Schule gelernt haben - allerdings nicht im Deutsch-, sondern im Darstellende Geometrieunterricht.) Solche Liebespost wird heutzutags wohl nimmer so häufig geschrieben.

Ich habe sowas

nicht in der Schule gelernt, kann aber, dank der alten Bücher in der Bibliothek meines Vaters, Fraktur gedruckt trotzdem flüssig lesen. Schreibschrift, ganz besonders in Vor-Sütterlin um 1870 wird schon kniffliger und läßt sich nur mit Mühe einigermaßen entziffern. Liebesbriefe habe ich bisher leider nicht gefunden, bei meiner Korrespondenz geht es meist um Ahnenforschung und Verwandtschaftsaustausch.
Chutzpe - Do, 11:52

Das kann ich verstehen. Ich kann die sogenannte alte deutsche Schrift und Sütterlin einigermassen gut lesen. Hat mir mein Opa beigebracht. Wenn etwas handschriftlich ist, ist es natürlich schwierig.

Hallo Zucker :-)

Aus der Kiste könnte ich meine Nase gar nicht mehr rausbekommen :-)
Ich bewundere immer wieder die schöne Schrift, mit denen unsere Vorfahren geschrieben haben. (Wieviele Schläge mit dem Zeigestock das Lernen wohl gebraucht hat :-( ).
Wir haben auch einige alte Postkarten und ein Familienstammbuch von Schätzelchens Vorfahren zu Hause. Deutsche Schrift.
Ein bisschen erinnert mich die vereinfachte Ausgangsschrift, die seit etlichen Jahren an einigen Schulen gelehrt wird, an die Deutsche Schrift.
Ein Bekannter konnte für uns die Texte entziffern.
Vor kurzem habe ich mir in einem Museumskiosk ein Übungsheft besorgt, mit der ich das Schreiben der deutschen Schrift üben und mir auch die Postkarten selber übersetzen kann.
Grüßli und viel Spass beim stöbern .. :-)

So ein Schreibheft

zum Schreiben üben der alten Schrift hört sich ja interessant an. Das Lesen geht aber auch ohne einigermaßen. Ich habe mir vorgenommen, das Tagebuch meines Urgroßvaters zu "übersetzen", also quasi leserlich in den PC zu übertragen. Manchmal sitze ich wirklich mit der Lupe drüber und rätsel herum. Da das ganze Tagebuch ziemlich dick ist, bin ich gespannt, ob mir gelingt, das alles zu entziffern. So ein bißchen fühle ich mich wie eine Archäologin, die über alten kryptischen Schriftrollen sitzt. *gg*
schlafmuetze - Fr, 22:35

Cool,

das ist eine interessante Sache mit dem Tagebuch. Es leserlich in den PC zu übertragen, setzt Ausdauer voraus. Die wünsche ich dir. Und interessante Einblicke über Leben und Ansichten deines Großvaters.
Viel Erfolg wünsche ich dir.
Grüßli :-)

Danke.

Ob meine Ausdauer für diese Sache ausreicht, darauf bin ich auch gespannt. ;o)
Namesi (Gast) - Fr, 22:11

Du

hast es gut. Was meine Ahnen betrifft, gibt es nicht viel zu entdecken. Mütterlicherseits (wasndasfürnwort?) stammen sie aus Stettin. Die Evakuierung infolge des zweiten Weltkrieges ließ nur zu, praktische Dinge mitzunehmen. Außer ein paar Fotos ist nichts in Steinbach-Hallenberg, da bin aufgewachsen, angekommen. Gut, es gab Geschichten, die am Küchentisch erzählt wurden, die ich auch gierig aufgesaugt habe (merkwürdiges Bild). Aber Verschwiegenheit gab es auch. So wurde ein Geheimnis daraus gemacht, wie mein Großvater starb. Meine Fragen dazu gingen jedesmal ins Leere. Inzwischen sind bis auf die Schwester meiner Mutter alle gestorben, die darüber etwas erzählen könnten. War es Selbsttötung? Habe ich von ihm meine Depressionen geerbt? Väterlicherseits haben die Vorfahren nichts aufgeschrieben. Außer einer Ahnentafel (sowas war ja Schulpflicht zur Nazizeit) und Tagebuchaufzeichnungen meines Vaters über seine Kriegsgefangenschaft in den USA und in Schottland liegt nichts Schriftliches vor. Dieses Tagebuch hatte ich als Kind wie ein Museumsstück geschützt (wattiert verpackt). In meiner wilden Jugendzeit/Armeezeit nahm es mein Neffe an sich. Für mich ist es verloren. Vielleicht sollte ich für meine Kinder das mir in Erinnerung gebliebene mündlich Überlieferte festhalten, bevor mich die große Vergesslichkeit überkommt. Ein makaberes Erinnerungsstück, dass sich in meinem Besitz befindet, ist ein Familenfoto, das der Bruder meines Vaters in seiner Brusttasche bei sich trug, als er im Krieg fiel. Es ist gelocht von dem tödlichen Granatsplitter.

Daß von den Ahnen

nichts zu finden ist, kenne ich ja mütterlicherseits auch, da meine Mutter mit ihrer Familie in Berlin ausgebombt wurde und sie beim Flüchten nichts weiter mitgenommen haben, als einen Batzen Schmalz. Wenn sie deshalb über die Klagen hörte, was die Russen in der dörflichen Gegend meines Vaters angestellt hatten (so wie oben, oder auch, daß sie das Klavier meiner Großeltern beschlagnahmten), dann rollt sie nur mit den Augen und meint, die hätten vielleicht Sorgen gehabt, sie selbst und ihre Familie hatten nicht mal mehr ein Dach über dem Kopf.

Ich finde gar nicht mal, daß es bei dir wenig ist, zumindest wenn das Tagebuch noch existieren würde. So ein Tagebuch ist doch viel mehr wert als alle Zeugnisse und Konfirmationsurkunden, die recht wenig wirklich über die Ahnen aussagen. So ein Foto mit einem Loch von dem Granatensplitter ist auch etwas besonderes. Es ist bestimmt ein seltsames Gefühl, es in der Hand zu halten.

Ich habe übrigens die Aufzeichnungen meines Großvaters über seine russische Kriegsgefangenschaft in der Kiste wiedergefunden und muß sagen, ich bin enttäuscht. Mein Vater hat immer so ein Geheimnis darum gemacht und meinte, das wäre nichts für mich. Jetzt habe ich es gelesen und es geht hauptsächlich um Essen, ob es Nachschlag gab oder nicht, um Entlausungen, Bibelstunden und einige musikalische Höhepunkte. Dazwischen moralische und religiöse Reflexionen. Meine Theorie ist deshalb nun, daß mein Opa nur deshalb in dieser Zeit Tagebuch geschrieben hat, weil er sich langweilte, denn aus anderen Zeiten existieren von ihm keine Aufzeichnungen, bis auf die Gedichte, die er ebenfalls geschrieben hat.

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