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Luxus-Probleme

Als ich heute mit zwei riesigen schweren Säcken von Taschen das Haus verließ, schaute ich gleich mal in den Briefkasten, ob ich wieder eine Terminankündigung für morgen früh ab 7 Uhr des Wasserlabors zur Wasserprobe finde, so wie im letzten Jahr. Aber nein, in diesem Jahr scheinen sie mich endlich zu verschonen. Dafür kehrte ich mit zwei riesigen schweren Säcken von Taschen nach Hause zurück - nur der Inhalt war ausgetauscht. Neben Geschenken brachte ich einen neuen Stapel aussortierter Bücher mit nach Hause - immer, wenn ich selbst endlich wieder etwas Luft und genügend von mir aussortiert habe, wartet schon wieder der Nachschub. Ich kriege die Regale einfach nicht leer. Aber das sind dann halt auch Bücher, die ich, wenn ich sie kostenlos mitnehmen kann, nicht liegenlassen möchte. Dafür kaufe ich ja keine mehr. Unter anderem diesmal ein Jugendstil-Bildband (ich liebe Jugendstil), verschiedenes über Meditation und körperliche Bewußtheit und Henry Millers "Wendekreis des Krebses". Meine Mutter hat es gelesen und beschwerte sich, daß er so sexistisch schreibt. Nun ja, ich kenne es noch nicht und wollte es immer mal lesen.

Und die Hoffnung auf weniger Süßigkeiten in diesem Jahr, bzw. in den nächsten Monaten muß ich wieder fahren lassen. Ich hatte ja wirklich in der Adventszeit nur sehr wenig Weihnachtskram gekauft und dieses vorher, bis auf wenige Ausnahmen, vor Weihnachten gar nicht angerührt. Ich wollte es diesmal erst an Weihnachten selbst hervorholen, denn wenn man das Zeug schon Monate vorher ißt, ist es gar nichts besonderes mehr, das man nur mit Weihnachten in Verbindung bringt. Es wird immer langweiliger und weil es immer langweiliger wird, braucht man immer mehr davon, damit an Weihnachten noch ein Unterschied zu merken ist. Also machte ich mir wirklich erst zum Heiligen Abend einen bunten Teller, weil das eben zu Weihnachten gehört. Und was habe ich gegessen? Ich rührte von dem bunten Teller so gut wie nichts an und naschte stattdessen eine Apfelsine und zwei Mandarinen! Nach dem heutigen Abend habe ich jetzt allerdings wieder so viel Süßkram, daß es alles gar nicht mehr in meine Schublade paßt. Und wenn ich weiter so wenig davon esse, dann reicht es wahrscheinlich noch das ganze nächste Jahr. Ich weiß bloß nicht, wo ich das alles lagern soll. Und wenn ich nicht weiß, wo ich die Sachen lassen soll, esse ich oftmals mehr, als ich eigentlich Appetit drauf habe oder gut für meine Zähne ist, nur damit dieser Krempel nicht in jeder Ecke herumliegt und alles zumüllt. Mit Schokolade ist es inzwischen fast schon so wie mit Papier - beides vermehrt sich selbstständig, ob man nun will oder nicht.

Des weiteren bekomme ich auffällig oft mit, daß andere Menschen genauso froh sind wie ich, daß dieses Jahr endlich vorbei ist. Ich hatte ja über 2016 gemeckert, doch 2017 war noch einen Zacken schlimmer. Wobei ich feststelle, daß im Vergleich zu den Schicksalsschlägen, die ich bei anderen so mitbekomme, meine Probleme reine Luxus-Probleme sind. Leute, die unfreundlich und rücksichtslos sind - who cares? Leute, die die Verantwortung für sich selbst an mich abgeben wollen - who cares? Leute, die mich unter Druck setzen - who cares? Leute, die mich abwerten und erwarten, daß ich das tue, was sie für richtig halten - who cares? Das alles macht mich zwar traurig, aber da wiegen die gesundheitlichen Probleme weit mehr, wobei diese im Moment zum Glück auch eher Jammern auf hohem Niveau sind. Trotzdem darf das nächste Jahr gerne wieder besser werden.
(Ich habe heute erst erfahren, daß Miriam Pielhau schon in 2016 verstorben ist. Das hatte ich irgendwie überhaupt nicht mitbekommen. Da hat leider alles Marathonlaufen nichts genützt.)

Zuviel Süßkram
rosenherz - Mi, 14:20

Mir ergings ähnlich mit Miriam Pielhau. Ich hab auch erst unlängst mitbekommen, dass sie bereits 2016 verstorben ist. Noch mehr erschrocken bin ich über den Tod von Vera Birkenbiehl, von dem ich im Vorjahr gelesen habe. Sie war bereits 2011 gestorben und ich habe erst sechs Jahre später davon Kenntnis erlangt.

Manche Menschen

wirken so, daß man denkt, sie schaffen alles. Wenn sie es dann doch nicht schaffen, macht das dann irgendwie doppelt so betroffen.
rosenherz - Do, 22:45

Mich irritiert das "schaffen", wenn Menschen in Extremsituationen extremes Verhalten an den Tag legen. Krebs oder eine andere Krankheit sehe ich als Prozess, der ungewiss und individuell verläuft. Ich kenne unterschiedliche Geschichten. Die jüngste Geschichte in der Verwandtschaft betrifft eine Tante mit Nierentumor. Der wurde eher zufällig entdeckt durch einen Ohnmachtsanfall während der Sonntagsmesse. Wenige Wochen später lag sie am OP-Tisch und ich war überaus besorgt um die Tante (72), wie sie all das verkraften könne. Doch für sie schien es weniger tragisch, als fürs Umfeld. " Ich habe ein schönes Leben gehabt. Mir iss es gleich, wenn es jetzt aus sein sollte!" resümierte sie am Telefon. Ein Jahr später geht es ihr recht gut, sie scheint vollständig genesen zu sein
Bei unserer Nachbarin verlief es anders. Sie hatte mit 32 erstmals eine Brustkrebsdiagnose. Im Laufe von 13 Jahren war es dann 6 x Brustkrebs (!) gewesen, mit insgesamt über 100 Chemotherapien (!), die sie durchgemacht hat. Vor wenigen Monaten ist sie gestorben mit 45. Im gleichen Alter wie meine Schwester.

Genau das

meine ich mit "schaffen" - alles ist ungewiß. Die einen überleben oder genesen sogar, und bei anderen schafft der Körper es nicht, und das, obwohl sie äußerlich durchaus so wirken. Ich vermute mal, die entspannte Einstellung deiner Tante hat auch einiges dazugetan. Ist jedenfalls besser für das Immunsystem, als komplett in Panik zu verfallen. Nur je jünger man ist und je weniger Leben man gelebt hat, um so schwerer ist es, so gelassen zu bleiben.
rosenherz - Mi, 19:48

"Schaffen" klingt nach einer Leistung, die erbracht wurde, um damit das Leben weiter in Besitze nehmen zu dürfen.

Es ist ja auch

eine Leistung, die der Körper da vollbringt. Jeder Körper vollbringt ständig enorme Leistungen, aber wenn sich ein Körper von einer Krankheit heilt, die ja das gesamte System betrifft, ist es etwas besonderes, denn wenn es nicht so wäre, wär Krebs nichts anderes als ein Schnupfen, der bei jedem ausheilt. Und der Körper kann sich nunmal nur selbst heilen - alles andere drumherum ist nur Unterstützung oder soll Unterstützung sein.

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