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Entdeckung der verlorenen Zeit

Sonntag, 21. Dezember 2008

Der erste Roman

Oh Happy Day! Oh Happy Day! Glorie Glorie Hallelujah!

Ich hab es geschafft. Ich habe meinen ersten Roman fertig. Wie ein Berserker schrieb ich heute die letzten Seiten, es ist wie ein Endspurt nach einem 1000m-Lauf, wenn das nahe Ziel noch einmal zusätzliches Adrenalin freisetzt, um es mit neuen Kräften endlich hinter sich zu bringen. Dafür fühle ich mich jetzt auch wie nach einem 1000m-Lauf. Mein Herz klopft wie verrückt vor Freude und Anspannung und ich bin mir nicht sicher, ob ich heute noch runterkomme und überhaupt schlafen kann. Das ganze Projekt lag schon wie ein Stein auf mir. Natürlich hätte ich diesen einfach zur Seite legen können, aber das wollte ich nicht, denn schließlich war es meine Herausforderung, wenigstens einmal im Leben einen Roman zu schreiben. Und das habe ich jetzt. Sogar einen mit 330 Seiten. Eine wirklich schöne runde Zahl, wie ich finde. Immer nur Kurzgeschichten und Gedichte wecken nicht unbedingt das Fieber im Blut. Zu behaupten, fertig zu sein, ist allerdings etwas übereifrig, denn eigentlich beginnt nun erst die wirkliche, weniger lustige Arbeit. Nämlich das Überarbeiten und Korrigieren. Am liebsten würde ich ja die gesamte Geschichte umarbeiten, weil die so dämlich ist, aber das werde ich nicht tun. Sie hat sich so entwickelt und bleibt auch so, egal wie blöd. Sonst werde ich Herrn Luchterhand gar nicht mehr los.

Oh Happy Day! Oh Happy Day! Glorie Glorie Hallelujah!

Dienstag, 12. September 2006

...

Ok, wenn ich mir vorstelle, was ich noch alles schreiben muss, damit die Geschichte so wird, wie mir es wage vorschwebt, mal ganz abgesehen davon, was mir zwischendurch so für Sachen einfallen, könnten es wohl doch 700 Seiten werden. Allerdings müßte ich dann tatsächlich etwas schneller schreiben, damit das Ganze noch fertig wird, bevor ich das Zeitliche segne. :-/

Freitag, 25. August 2006

Die Geschichte, die NICHT "Das Geheimnis des Zarengoldes" heißt - Teil 31

Bevor Herr Luchterhand ging, machte er mir den Vorschlag, einen der Schränke vor die Stelle mit dem Fleck zu rücken, der nun wie eine riesige schwarze Spinne an der Wand lauerte.
Wenn die sowieso da stünden, fiele die Wand dahinter ja nicht mehr auf. Eigentlich waren die Schränke nicht für diese Wand vorgesehen, aber in meiner Ratlosigkeit nickte ich nur. Hauptsache, dieses Monstrum war weg. In gemeinsamer Anstrengung zerrten wir gleich beide Möbelstücke hinüber. Danach verabschiedete sich Herr Luchterhand und ich blieb nur wenig beruhigt zurück. Fast schien es, als würde der Fleck, nun, da ich ihn nicht mehr beobachten konnte, in meiner Fantasie noch unheimlicher und größer zu werden. Krampfhaft versuchte ich mir, sein Bild wieder vor Augen zu projizieren. Ich fühlte mich nicht wohl und fröstelte leicht, obwohl es eine warme Nacht war. Das Zimmer hatte sich in der Sonne des Tages enorm aufgeheizt und noch war einiges von der Hitze darin gefangen. Sie hätte ausgereicht, um jedem den Schweiß aus den Poren zu treiben, und der Schweiß lief tatsächlich in kleinen Rinnsalen meinen Körper hinunter, jedoch hatte ich unerklärlicherweise dabei das Gefühl eisiger Kälte um mich herum. Ich wusste schon jetzt, dass es eine unruhige Nacht werden würde, dabei sehnte ich mich nach wirklich tiefem Schlaf.

Noch vor dem Morgengrauen wachte ich auf und glaubte eine Hand gespürt zu haben, die meinen Hals umfasste, danach schlief ich unruhig weiter, Bilder von grotesken Formen verfolgten mich, die sich aus winzigen Verstecken hervordrängelten. Und wieder erschien ein Gesicht über mir, das mir inzwischen fast vertraut ist, doch diesmal wollte sich stets der Anblick einer blonden, attraktiven Frau davorschieben, ihren Mund missmutig verziehend. Das Glitzern der Perlenohrringe bricht sich in hohen Kirchenglasfenstern und das Licht von Kerzen flackert trostlos in der Dunkelheit. Eine barsche Stimme spricht: „Bring mir das Zarengold! Bring mir das Zarengold oder du hast dein Leben verwirkt!“ Ich versuche zu antworten, doch nur ein Krächzen entringt sich meiner Kehle, bis es mir gelingt die Worte zu formen: „Ich weiß nichts vom Zarengold.“
„Schweig! Deine Großfürstin Sophie Alexejewna befiehlt es dir!“ Sie kommt näher und näher, ich blicke in graue, bösartige Augen, in welchen sich kleine Kerzenflämmchen wie das unbezwingbare Feuer der Hölle spiegeln.

Ich erwachte von dem kalten Schauder, der sich trotz erhöhter Zimmertemperatur und Überdecke von den Zehenspitzen bis in die Haarfollikel meiner Kopfhaut hinein ausbreitete. Als ich mit meiner Hand über die Augen rieb, war diese so blutleer, dass sie sich fast fremdartig anfühlte, weshalb ich sie schnell wieder auf das Bett fallen ließ. Sofort war mir klar, dass ich den Traum diesmal nicht mehr übergehen konnte. Irgendetwas musste er bedeuten und „Sophie Alexejewna“ – war das nicht der Name, den ich schon beim letzten Mal gehört hatte? Wollte mir jemand etwas mitteilen? Eine Sophie Alexejewna?
Doch was hatte ich mit ihr zu tun und wer war sie überhaupt? Moment mal, sie hatte heute noch mehr gesagt. „Großfürstin“ und „Zarengold“ – hört sich nach Russland an. In einer plötzlichen Eingebung sprang ich aus dem Bett und suchte in den Bücherstapeln nach dem dicken Geschichtslexikon mit Personenregister. Als ich es nicht fand, klappte ich das Notebook auf und wartete ungeduldig am unaufgeräumten Küchentisch, mit meinen nackten Beinen wippend, bis es sich schwerfällig nach oben gefahren hatte.

Donnerstag, 24. August 2006

Die Geschichte, die NICHT "Das Geheimnis des Zarengoldes" heißt - Teil 30

Tagebucheintragung vom 23.08.1979

Heute habe ich Olgalein, wir waren gerade bei einem Einkaufsbummel in den Rathaus-Passagen und haben nach einem Paar toller neuer Schuhe (hochhackige Pumps mit Goldapplikation) für sie angestanden, gefragt, ob sie sich vorstellen könnte, mit mir zusammenzuziehen. Sie hat genickt und ist weggegangen, um sich eine Grilletta zu holen.
Unmengen von Spatzen umschwärmten sie, als sie auf dem Platz ihr Brötchen verfütterte.
Sie sah so niedlich aus in dem hellblauem Hosenanzug und mit den zu einem Zopf gebundenen blonden Haaren.& Als sie wieder zurückkam, schimpfte sie mit mir, weil wir noch nicht an der Reihe waren und ich tröstete sie. Ein bisschen ungeduldig ist sie ja manchmal und mir fällt immer häufiger auf, dass sie eine etwas verletzende Art an sich hat, mit mir zu reden. Ab und zu werde dann richtig wütend, diese Aggressivität, die dabei in mir aufsteigt macht mir Angst, deshalb lasse ich mir nichts anmerken. Aber eigentlich hat sie recht. Ich bin wirklich zu dumm.
Zum Beispiel im Schuhgeschäft, als sie verschiedene Schuhe anprobierte – einige davon machten keinen sehr haltbaren Eindruck und als ich die Schuhfachverkäuferin danach fragte, fuhr Olga mir über den Mund, ich solle still sein, ich verstünde nichts davon. Zur Verkäuferin meinte sie, sie solle gar nicht hinhören, ich rede den ganzen Tag nur Müll. Dieser Blick, bzw. Nichtblick – ich kann ihn nicht beschreiben – er bohrt sich in mein Herz. Nun ja, ich verstehe wohl tatsächlich nicht viel von Schuhen. Aber warum muss sie so mit mir und über mich vor anderen reden? Ich tue das doch auch nicht. Mit mir hat sie es wahrscheinlich nicht leicht und ich liebe sie, deshalb will ich geduldig sein. Ich werde mir nicht anmerken lassen, wie sehr es mich verletzt und einfach meine unintelligente Klappe halten. Sie kann sowieso viel besser reden als ich.
Jedenfalls freue ich mich riesig, dass wir bald eine gemeinsame Wohnung haben werden. Dann kann ich Tag und Nacht mit ihr zusammen sein und wir werden alles, Freud oder Leid, miteinander teilen. Ich wüsste gerne, ob sie sich genauso darauf freut wie ich, aber leider ist sie mir bisher bei dieser Frage immer ausgewichen. Egal! Es wird traumhaft werden, da bin ich sicher. Und an ihre kleinen Macken werde ich mich bald gewöhnen, wobei es ja eigentlich nicht ihre sind, sondern meine, denn ich bin es doch, der sich so dusselig anstellt. Ich werde mir viel Mühe geben mich zu bessern, damit sie keinen Grund mehr hat, mit mir böse zu sein.

Mittwoch, 23. August 2006

Die Geschichte, die NICHT "Das Geheimnis des Zarengoldes" heißt - Teil 29

„Du hast doch eben aus einer Dachluke geschaut?“

„Ja, das habe ich. Ich hatte wie gesagt etwas gehört und rausgeschaut.“

„Und was ist mit meiner Wand? Hast du damit etwas zu tun?“

Klaus schaute mich groß an und fragte: „Was ist mit deiner Wand?“

„Das gleiche, was ich dir heute schon erzählte, nur dass es jetzt wieder da ist, obwohl ich es überstrichen hatte. Du glaubst gar nicht, wie ich mich erschreckt habe.“

Herr Luchterhand kaute an einem seiner Finger und wirkte sehr nachdenklich. „Und deshalb bist du durchgedreht?“ Die Frage hatte die Betonung einer Feststellung.

„Ähm, ja, ich weiß nicht...“ stotterte ich verwirrt und drehte verlegen an einer Haarsträhne, versuchte mich zu erinnern, wie es dazu gekommen ist, „da war noch so viel anderes.“

„Was denn?“ Die nackte Glühbirne warf einen hellen Fleck auf den nackten Boden, während dessen die Schatten aus den Ecken krochen.

„Ich hatte den Eindruck, du spionierst mir hinterher. Ich habe doch gemerkt, wie du immer an deiner Tür standest oder einmal von der Treppe heruntergeschaut hast, als ich im Hausflur war. Auch das Treffen heute halte ich nicht für einen Zufall.“

Herr Luchterhands Ohren bekamen eine ungesunde purpurne Farbe, doch er nickte mir zu, wobei er die Augen schloss. „Stimmt, tut mir leid. Ich habe mir einfach Sorgen gemacht.“

„Aber warum denn, verdammt noch mal? Ich werde aus deinem Gerede nicht schlau.“

Statt zu antworten bat er mich, sich die Wand anschauen zu dürfen. Gemeinsam stiefelten wir zu meiner Wohnung hinab, deren Tür noch immer weit offen stand. Ohne jede Regung starrte er auf den grauen Fleck, schien über etwas nachzusinnen, fern mit seinen Gedanken.
Plötzlich schaute er hoch, sein Blick fiel auf das kleine Püppchen, das noch immer auf dem Fensterbrett saß. Er nahm es und wieder glaubte ich seine Gedanken auf eine weite Reise gehen zu sehen. So abwesend, wie er war, fragte ich mich innerlich, was es wohl bei diesen Sachen so viel nachzudenken gäbe und sogleich beantwortete er die Frage, indem er vollkommen ernst behauptete: „An irgendjemanden erinnert mich diese Puppe.“

Ich erwiderte nichts, hielt das für unnötig, zumal ich nicht verstand, dachte jedoch gleichermaßen an meine spontane Namensgebung. Ihm eine Stuhl in der Küche anbietend, bat ich ihn gleichzeitig um völlige Offenheit und eine umfassende Erklärung, sowohl des Ursprunges seiner Sorgen als auch seiner Worte. Mit einem Glas Grapefruitsaft in seinen Händen überlegte er, vielleicht darüber, wie er am besten beginnen solle, und räusperte sich.

„Weißt du, es ist so – ich wohne schon sehr viele Jahre in diesem Haus. Und früher, das war noch mit meiner Partnerin, wohnten wir hier in deiner Wohnung. Nachdem Olga verschwunden war, zog ich einige Jahre darauf in die andere daneben, weil die etwas kleiner und preiswerter ist.“

„Eha.“ sagte ich, nicht wirklich sicher, was ich davon halten sollte.

„Und das Kuriose ist, dass der Mieter, der danach in dieser Wohnung lebte, ebenfalls verschwand.“

Ich glaubte meinen Ohren nicht zu trauen, doch meinen Lippen entrang sich nur ein schwaches „Aha.“. Dann legte ich noch mit einem trockenem „Soll das jetzt ein Scherz sein, oder was?“ nach.

Er schüttelte den Kopf. „Nein, es ist kein Scherz. Es war wirklich so. Er war von einem Tag zum anderen verschwunden und seine Möbel und Sachen befanden sich noch alle in der Wohnung. Das wurde allerdings erst Wochen später bemerkt, als wir, die Mieter des Hauses, ihn schon ziemlich lange nicht mehr gesehen hatten.“

Ich glaubte das einfach nicht, wollte es nicht glauben, und dennoch fühlte ich mich seltsam beunruhigt. „So was gibt es gar nicht. Es können doch nicht gleich zwei Leute, die in derselben Wohnung lebten, völlig unabhängig voneinander verschwinden. Das ist doch Unsinn.“

„Verstehst du jetzt, warum ich mir Sorgen mache?“ erwiderte er langsam und mit überdeutlicher Betonung, zwei große Schlucke aus dem Glas hinterhernehmend.
„Zufällig war dieser Mieter, als er verschwand, ebenfalls beim Renovieren.“

In meinem Kopf wirbelte alles durcheinander. Sollte ich das ernst nehmen? Und wenn ja, welche Rolle spielten dann die Wand und die Puppe in dieser Geschichte? Ich konnte beim besten Willen keine logischen Zusammenhänge erkennen, aber zum Denken war ich sowieso viel zu aufgewühlt. Und zwar so sehr, dass ich anscheinend nicht mitbekommen hatte, wie ich die Frage laut vor mich hinsagte.

„Jetzt weiß ich es!“ platzte Herr Luchterhand heraus, „Diese Puppe erinnert mich an jenen Mieter, merkwürdig......“

Ich schüttelte ungläubig den Kopf. Mich erinnerte sie an Robert, also wer weiß, was ich davon halten durfte. Dann bemerkte ich, dass Herr Luchterhand irgendwie in sich zusammengefallen war und fast verzweifelt wirkte. Er machte auf mich den Eindruck eines kleinen Jungen, der seinen Haustürschlüssel verloren hat und sich nun bemühte der Schelte zu entgehen, indem er ihn wiederfindet. Er schien tatsächlich etwas verloren zu haben, nur war es nicht der Schlüssel.

„Es ist so seltsam. All diese Jahre alleine ist mir, als lebe ich in einem Traum. Ich habe ständig das beängstigende Gefühl, etwas sehr Wichtiges vergessen zu haben, doch so viel ich auch nachdenke, mir fällt nichts ein. Es ist wie ein Traum, in dem man sich an einen Traum zu erinnern versucht.“ Seine Worte verhallten leise in der Nacht, welche vor dem geöffneten Fenster noch immer ihr schwarzes Samt über der Stadt ausgebreitet hatte.

Dienstag, 22. August 2006

Die Geschichte, die NICHT "Das Geheimnis des Zarengoldes" heißt - Teil 28

Ich dagegen starrte weiter dem verloschenem Stern hinterher, nur von blitzartig vorbeischießenden, sich vor dem schwarzen Himmel noch schwärzer abhebenden Flatterviehchern in meinen Gedanken unterbrochen, als ich auf einmal ein dumpfes Geräusch von oben hörte. Verwirrt schaute ich zu dem im Sternenlicht dunkelsilbern leuchtendem Blechdach gleich neben der großen Schubkarre hinauf, doch konnte nicht ausmachen, woher das Knarren und Scharren kam. Für einen kurzen Augenblick hatte ich den Eindruck, dass aus einer der Dachluken der Umriss eines Kopfes hing, der sich sofort wieder zurückzog. Endlich merkte ich, dass das Knarren aus dem Zimmer kam und als ich hineingegangen war, hörte ich deutlich Schritte über mir auf dem Dachboden. Rastlos liefen sie kreuz und quer über mich hinweg, während die Balken unter ihnen ächzten und wankten. Normalerweise war der Dachboden immer abgeschlossen und nur der Hausmeister hatte einen Schlüssel.

Mit einem leisen Klicken machte ich Licht im dunklen Zimmer und erstarrte augenblicklich wie vom Donner gerührt. Ein noch durchsichtiger grauer Fleck breitete sich wie das Delta eines breiten Flusses über die erst gestern mit Farbe übertünchte Wandstelle aus.
Ich spürte eine leise Panik in mir aufsteigen, die mich fast handlungsunfähig machte, so dass ich mehrere Minuten reglos verharrte. Dabei spürte ich, wie sich nicht nur die feinen Härchen meiner Arme, sondern auch die an meinen Beinen senkrecht aufstellten. Erst die Schritte über mir, noch immer ruhelos, brachten mich zur Besinnung. Ich weiß nicht, ob das, was ich tat, logisch war – das mögen meine inzwischen mit Recht ungeduldigen Leser entscheiden -, jedenfalls tat ich es, rannte Hals über Kopf aus der Wohnung, sie weit geöffnet zurücklassend, sprintete die Treppe hinauf und fiel sozusagen mit der Tür in den Dachboden.

Herr Luchterhand schaute mich mit großen hellen Augen an, als ich, ich kann mich selbst nur noch sehr schwach an diesen Moment erinnern, auf ihn zuraste und ihn am Kragen packte: „Du perverser Spanner! Du mieser A....., lass mich endlich zufrieden, hörst du! Ich weiß nicht, was du hier oder in meiner Wohnung oder im Keller machst, warum du es machst, was du damit bezweckst, aber ich sage es dir das letzte Mal: Hör auf damit!“

Klaus Luchterhand war reichlich blass um die Nase geworden und fühlte sich unter meinen Händen an, wie ein nasses Plüschtier, dass man hin- und herbiegen konnte, soviel man wollte. In meinem Zorn hörte ich kaum sein leises Stimmchen, mit welchem er sich betroffen versuchte zu rechtfertigen: „Ich habe doch gar nichts gemacht!“

„Ha! Denkst du ich merke nicht was du tust? Es ist ja nicht zu übersehen, vor allem in meiner Wohnung, auch wenn ich keine Ahnung habe, wie du das anstellst!“

„Ich weiß gar nicht, wovon du redest, ich...ich...habe nichts getan, außer hier nach dem Rechten zu sehen.“

Seine vollkommen überraschtes Gestammel brachte mich wieder zu mir und sofort kam ich mir leicht dämlich vor. Meine Hand löste sich von seinem Kragen, als wäre sie nicht meine und ich trat einige Schritte zurück, um sie wie ein unbenötigtes Werkzeug irgendwo zu verstauen. Nun erst begann ich zu zittern und mich an der Wand abstützend, ließ ich mich auf den abgewetzten Holzfußboden plumpsen, wo ich einige Minuten schweigend saß.

Als ich mich gesammelt hatte, fragte ich sehr viel leiser, doch mit jeder Menge Skepsis in meiner Stimme, ob es wahr ist, was er sagt. Herr Luchterhand nickte und wie, um seine Erklärung nochmals zu unterstreichen bestätigte er wieder, dass er nur zufällig hier oben sei, weil er etwas gehört habe und ansonsten nicht wisse, wovon ich da eben geredet habe.

Montag, 24. Juli 2006

Die Geschichte, die NICHT "Das Geheimnis des Zarengoldes" heißt - Teil 27

Die Entfernung zwischen „Sturmvogel“ und „Wasilissa“ dagegen verringerte sich sehr viel langsamer, aber zunehmend. Schon konnte man mit bloßem Auge die Mannschaft sehen, die geschäftig an Bord des Kanonenbootes umherwuselte. Auch diese hatten den fremden, auf sie zusteuernden Dreimastschoner bereits im sich lichtenden Morgendunst entdeckt. Eine wärmende Sonne strahlte nun ungehindert auf das smaragdfarben schimmernde Meer hinunter. Peter hockte trübsinnig in einer Ecke auf dem Deck und starrte auf einen krummen Nagel, der aus der Bordwand ragte. Ein hagerer Schatten fiel über ihn und der Schiffsjunge blickte auf.
„Warum hast du zugestimmt?“ Die blauen Augen von Wilfrid Zeew schauten ihn fragend an.

„Ich, ich konnte nicht anders.“ stotterte Peter. „Er hat gesagt, er wirft mich sonst über Bord.“

„Wer?“

„Na der Käpt’n.“

Zeews Augen verengten sich und auf seinem Gesicht erschien eine gläserne Härte. Dann setzte er sich neben Peter auf das Deck und schwieg. Er suchte nach etwas an seinem Gürtel und reichte dem Schiffsjungen schließlich ein Messer.

„Nimm das. Du wirst es drüben brauchen können.“

Peter bedankte sich und wurde ein klein wenig rot. Das Messer hatte einen Elfenbeingriff, in den etwas eingraviert war, und machte den Eindruck, schon oft benutzt worden zu sein. Vielleicht war es ein Andenken. Peter fühlte sich heimlich hingezogen zu dem schlaksigen jungen Mann. Nicht erst jetzt, auch früher schon hatte er ihn beobachtet und gefunden, dass er völlig anders war als die meisten auf dem Schiff. Man merkte ihm an, dass er eine gute Bildung und Erziehung genossen hatte, und im Gegensatz zu den anderen Männern schien er einigen moralischen Grundsätzen zu folgen. Trotz seines unübersehbaren Ehrgeizes gepaart mit einem manchmal etwas arrogantem Auftreten, wirkte er nie gierig und dachte in jeder Situation stets auch an die ganze Mannschaft. Und nun fasste der Schiffsjunge Vertrauen zu ihm.

„Woher kommst du?“ fragte Peter seinen älteren Freund.

„Aus Holland.“ antwortete der einsilbig.

„Und deine Familie?“

„Tot.“ Peter schauderte bei dieser Antwort, obwohl er dasselbe Schicksal mit ihm teilte. Doch im Munde eines anderen hörte es sich grauenhafter an, als er es selbst empfand. Der Schiffsjunge wagte nicht genauer nachzufragen und Zeew blieb stumm, bis er mit einem Mal anfing zu erzählen.

„Mein Vater war ein holländischer Kaufmann und kreuzte mit mir und meiner Mutter vor Madagaskar, um dort eine neue Existenz aufzubauen, als wir auf das Piratenschiff trafen. Sie töteten alle, mich nahmen sie mit. Ich wurde ihr Schiffsjunge, so wie du es jetzt bist. Ich glaube, ich bin der einzige, der überlebt hat.“

„Und du bist hier geblieben?“

„Wo hätte ich sonst hin sollen?“

Ja, wo hätte er sonst hin sollen, wo sollte Peter sonst hin? Er konnte wieder in Sansibar betteln gehen und gerade im Moment wäre er nirgendwo lieber gewesen als dort. Er wäre zwar alleine, ohne die fragwürdige Sicherheit der „Familie“, die ihn nun in Form der Schiffsmannschaft umgab, aber wahrscheinlich würde er dafür den nächsten Sonntag noch erleben.

Völlig in ihre eigenen Gedanken versunken saßen beide da und starrten vor sich hin, während das Leinen der Segel in vertrauter Weise leise und unrhythmisch gegen die Taue klatschte.

Freitag, 21. Juli 2006

Die namenlose Geschichte - Teil 26

Ich hatte rasch die Abdeckplanen von den Möbeln und die letzten Farbspritzer entfernt, die Pinsel gereinigt hatte, auf deren Stielen der Aufdruck „Reine Chinaborsten“ zu lesen war, was mich aber nicht viel schlauer in Hinblick auf die Herkunft der Haare machte, und überlegte nun, was ich mit dem restlichen Tag und dem Urlaub tun sollte. Natürlich war es nur eine infame Illusion Zeit zu haben, denn kaum dachte ich darüber nach, fielen mir tausend Sachen ein, die noch zu erledigen waren. Und die naheliegenste war, einen neuen Teppich zu besorgen. Sorgfältig maß ich mit dem Zollstock den Fußboden aus und notierte mir die Zahlen in meinem Gedächtnis. Dann machte ich mich frisch, zog mir gesellschaftsfähige Klamotten an, eine leichte beigefarbene Sommerhose und gehäkeltes, bauchfreies Top zu offenen Schuhen und schlenderte die Straße zur U-Bahn entlang. Als ich das Haus verließ hatte ich auf der Treppe hinter mir vorsichtig eine Tür schließen hören. Hatte er noch immer nicht genug vom Spionieren? Egal. Ich kümmerte mich jetzt zuerst um das, was vor mir lag, und das war in diesem Moment ein Teppich aus dünnen, knisternden und zusammengerollten Rindenstreifen. Mir fiel auf, wie heiß es geworden war und die Platanen, welche die Straße säumten, warfen ihr Kleid ab, als würde ihnen in der Hitze ebenfalls viel zu warm sein, um noch den kleinsten Fetzen Rinde am Leib zu tragen. Ich war froh, dass ich den Großteil meiner Arbeit geschafft hatte, denn nun, wo sich der Sommer in so massiver Weise ankündigte, würde es schwer werden, anstrengendere Tätigkeiten zu verrichten. Die Hängemattensaison war eröffnet.

In der Hitze lief alles gemächlicher ab, selbst auf der U-Bahn-Station herrschte bis auf die hindurchrauschenden Züge ein gemäßigtes Tempo. Gemütlich rumpelte der Waggon die alte Hochbahn entlang und ich ging meiner heimlichen Leidenschaft, dem Balkon-Gucken, nach. Dies konnte man in der Bahn besonders gut, da man auf gleicher Höhe mit den eskortierenden Fassaden war, und grinsend bemerkte ich einen alten, schon strohbraun vertrockneten Weihnachtsbaum, der noch immer auf einem der Balkone sein kärgliches Dasein fristete, in Gesellschaft eines Pappmache-Schneemanns, welcher nur wenige Meter weiter auf die Straße hinunter winkte. An meinem Ziel, einem großen Möbeleinrichtungshaus, angekommen, wanderte ich durch die Teppichbodenabteilung, die im übrigen angenehm klimatisiert war, und hatte schon bald einen hell-gemuschelten Schurwollteppichboden entdeckt, welcher sofort mein Herz eroberte. Der Kaufvertrag wurde unterschrieben und der Liefertermin ausgemacht. Einen schönen Tag wünschte mir der junge Verkäufer und den würde ich haben.

Zeitlos bummelte ich die Schaufenster entlang, ohne Absicht noch irgendetwas zu kaufen. Mit solchen Entscheidungen wollte ich mich heute nicht mehr belasten. Stattdessen holte ich mir ein Softeis und ließ mich auf einem der Stühle dicht neben den Wasserkaskaden nieder, welche in der Sonne glitzerten und ab und zu erfrischende Almosen zu mir herüber schickten.
Faul knabberte ich an der Eiswaffel und schaute in die wirbelnden kleinen Strudel, welche das fallende Wasser hinterließ, als ich hinter mir eine Stimme hörte.

„Guten Tag!“

Neugierig schaute ich mich um und da stand der Herr Luchterhand, blass und grau. Eine melierte Strähne fiel ihm vorwitzig in die Stirn, was ihm ein etwas aufgelöstes Aussehen gab und irgendwie überhaupt nicht zu ihm passte. War er mir etwa gefolgt? Er lächelte mich an.

„Na, machst du auch einen kleinen Stadtbummel?“

Ich konnte es nicht glauben, dass er mir gefolgt war, das ging über mein Vorstellungsvermögen. Es musste Zufall sein.

„Ja“ antwortete ich, „ich war neuen Teppichboden kaufen. Setz dich doch!“
Ich zeigte auf den Platz neben mir.
„Das Eis von da drüben schmeckt übrigens sehr lecker. Hol dir doch auch eins.“

Er winkte ab. Dann wollte er wissen, ob ich mit der Renovierung fertig sei.

„Ja“ sagte ich etwas zögernd, denn ich dachte an den gestrigen Abend, „ich hoffe doch.“
und fragte, ob ihm schon mal bei seinen Meißelarbeiten irgendwas an der Bausubstanz des Hauses aufgefallen sei.

„Wieso?“ war seine Gegenfrage und sein Blick erschien mir unangenehm lauernd.

Ich erzählte ihm von dem schmierigen schwarzen Staub, der sich in den Teppich eingenistet hatte und sogar durch die Tapete gekommen war. Er wirkte mit einem Mal sehr unruhig, geradezu besorgt, was mich etwas wunderte, da ich zwar verstehen konnte, dass es mich selbst erschreckt hatte, aber ansonsten glaubte, für jemand anderen würde sich das wohl kaum besonders besorgniserregend anhören. Doch er hing regelrecht an meinen Lippen und wollte wissen, ob noch andere merkwürdige Dinge vorgefallen seien.

„Nein.“ antwortete ich vorschnell, denn gleich danach fiel mir das Püppchen ein. Deshalb verbesserte ich mich und erzählte, halb lachend, wie ich die kleine Puppe in der Mauer gefunden hatte. Da bemerkte ich, dass seine Hände zitterten. Unauffällig starrte ich weiter gebannt auf seine Finger, welche miteinander rangen, sich verkrampften und bebend auf seinen Knien zu erliegen kamen. Plötzlich sprang er auf und erklärte, dass er weiter müsse. Mit hypnotisch aufgerissenen Augen schaute er mich an und sagte stockend, aber deutlich, dass ich auf mich aufpassen solle.

„Aber ich renoviere ja nun gar nicht mehr. Da kann auch nichts mehr passieren.“ beruhigte ich lächelnd.

„Trotzdem!“ insistierte er fast drohend.

„Was meinst du denn damit.....ich verstehe nicht?“ fragte ich von seiner Besorgnis angesteckt ängstlich nach. Doch er antwortete nicht, drehte sich wortlos um und ging.

Sogleich spürte ich unmerklich wieder etwas nagen, tief in mir drin, an meinem Herzen, eine kleine Furcht, bereit sich aufzuplustern und sich breit zu machen, wenn ich ihr nicht Einhalt gebot. Ich nahm mir vor, mit Klaus Luchterhand noch einmal ein ernstes Wort zu reden, denn es erschien mir so, als ob er mehr wusste als ich, über was auch immer. Und ich wollte es wissen. Ich wollte, dass dieser ganze mysteriöse Scheiß ein Ende nahm und sich in Wohlgefallen auflöste.

Nachdenklich fuhr ich nach Hause und erinnerte mich gerade noch rechtzeitig daran im Supermarkt vorbeizuschauen, um Getränkenachschub zu besorgen. In einem der Kramtische entdeckte ich gelbe Quietscheigel, genau dieselben, die ich aus meiner Kindheit kannte und die mir deshalb auf der Stelle sehr vertraut vorkamen. Dabei bemerkte ich, dass es sich um Hundespielzeug handelte und unwillkürlich fragte ich mich, ob man mir wohl Hundetoys zum Spielen gegeben hatte. Gedankenverloren drückte ich während dieser Überlegungen auf einem der Igel herum, bis dieser plötzlich ein lautes „Quiiiiiiek“ von sich gab. Erschrocken zuckte ich zusammen, aber es nützte nichts mehr. Alle Leute im Supermarkt schauten zu mir hinüber, ein paar grinsten auch amüsiert. Nun ja, das hatten sie umsonst. Aber nicht lange, denn ich begab mich zur Kasse und danach schnurstracks auf den Heimweg.

Diesen Abend verbrachte ich völlig allein mit mir und der wunderbaren warmen und windigen Sommernacht auf dem Balkon. Träumend schaute ich in das rote Leuchten des Himmels bis dieses einem klaren schwarzen Sternenteppich gewichen war und genoss dabei das saftige Fleisch einer reifen Wassermelone, welches mit prallem Schmelz auf meiner Zunge zerplatzte und eine herrlich süße Erfrischung in meine Kehle rinnen ließ. Einer der Sterne, dicht neben der Dachrinne, strahlte besonders hell, so hell, dass er alle anderen Sterne überstrahlte. Dann erlosch er von einer Sekunde zur anderen. Wahrscheinlich war er schon vor langer Zeit verglüht, doch viele Lichtjahre von mir, der Erde und unvorstellbar weit von seinem eigenen Ort entfernt, würde sein Licht noch immer weiterleben, weiterfliegen, vielleicht bis in alle Ewigkeit, wenn das All so unendlich ist, wie die Weisen unserer Tage sagen.

Donnerstag, 20. Juli 2006

Die namenlose Geschichte - Teil 25

Ich wartete und es geschah nichts. Nicht die geringste Regung kroch mit dünnen Füßen in mein Bewusstsein. Der Name war mir völlig unbekannt. Kopfschüttelnd schaute ich auf den Wecker. Ich überlegte, ob ich mich noch einmal umdrehen und weiterschlafen sollte, doch eine frühe Amsel nahm mir die Entscheidung ab, indem sie ohrenbetäubend in den höchsten Tönen trällerte. An Schlaf war nicht mehr zu denken. Stattdessen döste ich noch ein klein wenig vor mich hin und ließ mir den Traum durch den Kopf gehen. Seltsam, dass ich ihn in fast ähnlicher Form gleich zwei Nächte hintereinander geträumt hatte. Ob das wohl eine Botschaft für mich war? Ich dachte ebenfalls wieder an die unerklärbare Sache des gestrigen Abends.

Doch heute fühlte ich mich viel zu beschwingt, um mir lange den Kopf zu zerbrechen. Das nahende Ziel verlockte zu gesammelter Aktivität und nach einem kleinen Anlauf in Form eines kurzen Frühstücks, sah ich mich schon bald wieder zebragestreift auf meiner Bühne, um die letzten Feinarbeiten an Fenstern und Kanten zu verrichten. Aufgrund eines plötzlichen Gute- Laune-Hochs drehte ich das Radio auf, um dieses mit Musik zu unterstützen, und erwischte mich wenig später, wie ich, in einer Hand den Malerpinsel und in der anderen die Farbrolle haltend, zu Shakira’s „Whenever, whereever“ lasziv die Hüften kreisen ließ. „Zum Glück sieht mich hier keiner.“ jubelte ich und legte mit ein paar Tanzschritten nach. Und schon sprang ich ausgelassen meine Malerwerkzeuge in der Gegend schwenkend herum, ohne auch nur einen einzigen Pinselstrich zu machen. Erst als ich den Blick von klein Robert, der Puppe, auffing, ließ urplötzlich meine tänzerische Begeisterung nach. Bildete ich mir das ein, oder wirkte seine Miene heute ein ganz klein wenig amüsiert? Lachte er gar über mich? Fand er mein Tanzen albern?
Kurzzeitig raste mir die Idee wie ein Eilzug durch den Sinn, ihn einfach so umzudrehen, dass er zum Fenster hinausschauen musste, und mich des lästigen Zuschauers zu entledigen, doch verzichtete ich letzten Endes darauf. Die Luft war raus, gesittet und völlig konzentriert übte ich mich weiter darin, eine schnurgerade Abschlusskante über der Scheuerleiste hinzubekommen.

Nach vollbrachter Arbeit war ich zufrieden mit mir. Ich hatte getan was ich konnte. Die leichten Abweichungen vom farbigen Weg einer präzisen Vollkommenheit waren mit dem bloßen Auge kaum zu erkennen und meines Perfektionismus müde, lächelte ich ihnen etwas verkrampft, aber versöhnlich zu, um das Wissen ihres Vorhandenseins sogleich aus meinen Gehirnzellen zu streichen.

Freitag, 14. Juli 2006

Die (weiterhin) namenlose Geschichte - Teil 24

Von einer angenehmen neuen Munterkeit überwältigt kam ich zu Hause an, nachdem ich mich vorher schon von Robert verabschiedet und seinen Vorschlag, mich heim zu fahren, abgelehnt hatte. Wir einigten uns aber darauf, dass er mich am nächsten Samstag von zu Hause abholen und zum Ball auf der Taubeninsel bringen würde. Als ich das Zimmer betrat, erschrak ich, denn auf der nun grau im Halbdunkel der Nacht vor mir liegenden frischgestrichenen Wand gewahrte ich etwas dunkles, was dort wie ein Schatten klebte. Nervös betätigte ich den Lichtschalter und trat näher an die Wand heran, ohne das Ding gleich einordnen zu können. Nach einem kurzem Moment erkannte ich, dass es sich einfach nur um einen schwarzen Fleck handelte, an eben derselben Stelle, wo sich das Puppenversteck befunden hatte. Öliger Staub benetzte meine Fingerspitze, als ich darüber strich. Doch die Tatsache, dass es sich nur um einen Fleck handelte, beruhigte mich keineswegs, wie meine getreuen Leser mir sicherlich nachempfinden können, denn es war mir ein Rätsel, wie dieser entstanden sein konnte. Ich hatte allen Staub von der Wand entfernt und jede Ritze zugespachtelt. Völlig unmöglich, dafür eine Erklärung zu finden. Auch der Fleck auf dem Teppich war wieder dunkler und auch etwas größer geworden, nun fast schwarz. Obwohl sich ein leiser, stiller Ärger über das Zuschanden machen aller Arbeit und Bemühungen in meinem Herzen rührte, überwog doch ein seltsamer Schrecken. Krampfhaft versuchte ich eine ganze Weile, nicht mehr auf diese Stelle an der Wand zu schauen, doch je mehr ich es versuchte, um so mehr musste ich daran denken und bald konnte ich gar nicht anders, als genau dorthin zu starren. Deshalb hielt ich kurzerhand nochmals einen breiten Malerpinsel in meiner zittrigen Hand und übertünchte in großzügig aufgetragenen Bahnen den mysteriösen Fleck. Nun lag die Wand in neuerlicher jungfräulicher Weiße vor mir. Ich spülte die letzten Farbreste von meinen Händen und die Schweißperlen von meiner Stirn, dann begab ich mich zur Ruhe. Ein orangeroter Vollmond, der am Himmel wie ein würziger Käse in einer gigantischen Mausefalle hing, schaute zum Fenster herein und legte eine perlende Lichtspur quer in den Raum. Ihr folgte ich bis hinein in das Herz des Universums, wo ich tanzend die Leere fing und funkelnde Sterne daraus formte.

Durch die glitzernde Schwärze schwebte langsam ein Gesicht heran. Ich kannte es. Ich wusste, ich hatte es schon einmal gesehen. Es war böse und grausam. Vielleicht das Gesicht eines Kriegers, doch durch das lange, wallende Haar hindurch sah ich kleine Perlenohrringe blitzen. Es scheint zu mir zu sprechen, seine Lippen bewegen sich und wiederholen immer wieder dieselben Worte. "Sophie Alexejewna" hallt es lautlos in meinem Kopf, ohne Unterlass, bis ich die Augen öffne. „Sophie Alexejewna“ sage ich und warte.