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Freitag, 5. Mai 2006

Ulysses - ein Selbstversuch mit Folgen oder die Kunst, einen Berg zu besteigen - Seite 318-498 - Bd. II - Ende

Ein recht amüsantes vorletztes Kapitel in wissenschaftlicher Frage-Antwort-Manier und das letzte Kapitel mit noch längeren, endlos langen, Sätzen. Trotzdem liest es sich besser als die anderen vorher, was wahrscheinlich daran liegt, dass einfach nur die Interpunktion weggelassen wurde, die Sätze aber nicht sehr verschachtelt sind. Molly eben - quadratisch, praktisch, gut. Ich glaube, hier hält nicht Bloom die Rede ohne Punkt und Komma, um sie Molly zu diktieren ("er sagt mir immer die
falschen Sachen und auch nie mit Punkten und so wie wenn er eine Rede hält der traurige Verlust den Sie....
"), sondern es ist wohl genau umgekehrt. Wenn man jetzt noch davon ausgeht, dass nicht nur Dedalus Joyce Alter Ego ist sondern auch Bloom.....
Jedenfalls scheint Molly unter chronischer Schlaflosigkeit zu leiden, denn vor dem Einschlafen kriege ich von so einem Monolog allerhöchstens eine Seite hin, meist aber viel weniger. Oft schlafe ich schon nach dem ersten Dutzend Wörter ein.

Mein Vater scheint im übrigen nicht nur den Anfang gelesen zu haben, sondern auch das Ende, während alles andere zwischendurch wohl ausgelassen wurde, denn im letzen Kapitel sind am Rand jede Menge Kreuzchen zu finden, die stets aber nur an Inhalten erotischer Natur angebracht wurden. Vielleicht sammelt er ja auch erotische Textstellen und nicht nur Pornofilme.

"Sindbad dem Seefahrer und Tindbad dem Teefahrer und Findbad dem Feefahrer und Rindbad dem Rehfahrer und Windbad dem Wehfahrer und Klindbad dem Kleefahrer und Flindbad dem Flehfahrer und Drindbad dem Drehfahrer und Schnindbad dem Schneefahrer und Gindbad dem Gehfahrer und Stindbad dem Stehfahrer und Zindbad dem Zehfahrer und Xindbad dem Ehfahrer und Yindbad dem Sehfahrer und Blindbad dem Phthefahrer."

"ich würd mich gern mal mit einem richtig intelligenten gebildeten Menschen unterhalten ich müßte mir ein schönes Paar rote Pantoffeln anschaffen wie diese Türken mit dem Fez immer verkauft haben oder gelbe und einen schönen halbdurchsichtigen Morgenrock den ich ganz dringend brauche..."



Schlußresümee:

"Ulysses" feine Satire ist durchaus sehr amüsant, allerdings sind vor dem Spaß jede Menge Tränen Schweißperlen gesetzt, aufgrund der Mühe die es macht, sich bis zu den amüsanten Stellen durchzuarbeiten. Mangelnde Experimentierfreude kann man Joyce jedenfalls nicht vorwerfen und wenn er den Roman nicht auf Englisch sondern auf Deutsch geschrieben hätte, wäre er wahrscheinlich der erste gewesen, der in einem der Kapitel nicht nur die Interpunktion, sondern auch die Großschreibung weggelassen hätte. Davon bin ich fest überzeugt und das macht ihn mir sympathisch.

Zitat Brechts über "Ulysses": "Wahrscheinlich wird man mich einen Kompromißler nennen, wenn ich gestehe, daß ich über Ulysses beinahe ebenso gelacht habe als über den Schwejk, und für gewöhnlich lacht unsereiner nur bei realistischen Satiren."

Zitat aus den Erklärungen von Wolfgang Wicht zu "Ulysses": "Ein Leseverhalten wird nahegelegt, das ein rasches Erfassen des Gesamtwerkes als erstes und die möglichst häufige Rückkehr zu einzelnen Passagen und Kapiteln als nächstes erheischt. Joyce zielt auf die Zerstörung der Illusionskunst mit ihren Identifikationsmechanismen; seine Methode will durch Verfremdung aktivieren."
Diese Idee mag ja ganz nett sein, aber ich fürchte, dass ihm das wohl nur bei sehr hartgesottenen Intellektuellen gelungen sein dürfte, also einem kleinen Bruchteil des potentiellen Leserkreises. Auf die meisten Leser hat diese Verfremdung scheinbar eine entgegengesetzte Wirkung, Passivierung, soll heißen Aufgeben, statt Aktivierung.

Mir selbst erschien dieser eine prosaische Tag wie volle drei Monate und unerklärlicherweise habe ich auch genau drei Monate daran gelesen. Wie das wohl kommt? Doch nun sagt Leopold (Poldy) Bloom Auf Wiedersehen und ich sage: Gott ist mein Zeuge, ich will nie wieder "Ulysses" lesen!

ENDE (HURRA!!!)