.....manchmal fühle ich mich hier in der Blogosphäre schon wie so eine Art Urgestein oder sagen wir besser Urkiesel. Das verflixte erste Jahr, nach welchem laut ausgedehnten Befragungen eine Vielzahl der Blogger wieder aufhört einen Blog zu führen, habe ich ohne Zweifel und Ungewissheit überstanden - inzwischen sind es schon viele Jahre, ich habe sie nicht gezählt - und immer wieder sieht man Blogger kommen und gehen, bzw. schreiben und nichtschreiben. Letzteres bemerkt man manchmal kaum und dann wieder bedauert man es sehr, doch egal wie und was und warum - das Bloggen geht weiter, stetig folgen neue Leser und Schreiber, denn auch das Bloggen ist Wasser und Wind. Und wie im richtigen Leben gibt es Leute, die einen nicht leiden können, einen großen Bogen um den Blog machen (so lange sie nur dies tun, ist das vollkommen ok und beruht meist auf Gegenseitigkeit) oder aber diejenigen, auf deren Blogs man sich immer willkommen, freundlich empfangen und fast wie zu Hause fühlt, wobei ein Gegenbesuch natürlich ebenso willkommen ist.
Und dann denke ich manchmal, egal ob ein ganzes Jahr lang kein Schwein...äh....sorry.... Leser, mehr deine Seiten besucht und sich für deinen Blog interessiert - es reichte einen einzigen zu treffen, der dir völlig neue Perspektiven und Sichtweisen der Welt eröffnet, dich beflügelt, es schafft, dass du dich trotz teilweise verschiedener Meinungen gut fühlst, und es hat sich trotzdem gelohnt!
Wir müssen bereit sein, das von uns geplante Leben loszuwerden, um das Leben zu erlangen, das schon auf uns wartet.
(Joseph Campbell)
Pünktlich mit der Dunkelheit im November beginnt ebenfalls wie jedes Jahr die Leere in meinem Kopf. Aber nicht nur die. Mir ist aufgefallen, dass spätestens ab Mitte November eine massive Jahresabschlußhektik losgeht. Auf einmal kann man sich vor Terminen kaum noch retten und es scheint tatsächlich so, als wenn alle das ganze Jahr über geschlafen hätten und erst jetzt aktiv würden. Schlimm genug, dass irgendjemand die Verjährungsfristen mit dem 31.12. jeden Jahres hat enden lassen - als wenn man da nicht schon genug Stress hat - warum also nicht den 30.6. oder meinetwegen auch den 2.2.? Aber selbst wenn man sich rechtzeitig vorbereitet und darauf hinarbeitet, dass man die entsprechenden Akten bis November unter Dach und Fach hat, ist es vollkommen unmöglich, dem Jahresabschlussstress zu entkommen, weil nämlich GARANTIERT die meisten in der Umgebung das nicht getan haben und einen so fröhlich und ungefragt wieder mit in diese ekelhafte hektische Dezemberbetriebsamkeit reißen, bis man nicht mehr weiß, wo einem der Kopf steht. Das bezieht sich allerdings nicht nur auf den eigenen Arbeitsplatz, sondern auf so gut wie jede gesellschaftliche Aktivität. Meinem Vermieter fällt kurz vor Weihnachten ein, dass er ja mal ein Stückchen Weg neu pflastern müsste, so dass wir jetzt erneut sechs Wochen lang keinen Zugang zu den Mülltonnen haben. Das macht sich besonders gut, wenn man gerade dabei ist, seine Wohnung neu einzurichten. Und während sich mein Weiterbildungs-beauftragter das ganze Jahr über ausgeruht hat, fällt ihm jetzt ein, dass ich mal wieder ein Seminar belegen sollte. Also bekam ich gestern kurzfristig die Einladung zu einem fünftägigen Seminar, das schon in der übernächsten Woche beginnt. Nun habe ich grundsätzlich nichts dagegen, mich weiterzubilden, zumal das gegenüber dem acht- bis zehnstündigem Arbeitstag eine nette Erholung ist (der Unterricht geht zwar auch über acht Stunden, aber meist werden die Pausen so gelegt, dass man trotzdem eher geht) und außerdem kann ich dann mal wieder meine Tiger im Tierpark besuchen, der gleich in der Nähe ist, aber dieser Zeitpunkt, in dem alle plötzlich in Fristenpanik verfallen und
drängeln, ist wirklich äußerst ungünstig.
Dazu kommt, dass meine Chefin es sich in ihrem Kontrollwahn, mit ein paar der wenigen Mitarbeiter verscherzt hat, die noch hier sind. Zwei davon sind schon seit Wochen krank und ihre Arbeit fällt zusätzlich auf die anderen. Ich hab den Anranzer wegen meines fünfminütigen Zuspätkommens weggesteckt und mich nur still hier im Blog geärgert. Eigentlich müßte gerade ihr klar sein, dass diese pingeliche Bevormundung nicht gerade motivationsfördernd ist und sowieso kann jeder Vorgesetzte in unserem Haus froh sein, wenn überhaupt noch einer seiner Sklaven zur Arbeit erscheint. Heute kommt sie also und bringt mir einen Bestattungsfall, der schon seit 2004 vor sich hingammelt und durch zich Hände gegangen ist, ohne dass jemals einer wirklich etwas daran gemacht hätte, eigentlich gar nicht meine Zuständigkeit, und sagt zu mir "Ich hab ja nur noch dich. Du bist meine letzte Rettung."
Super, denkt sie jetzt, weil sie die Mitarbeiter vergrault, kann ich jetzt die Arbeit für drei machen (genauer gesagt vier, denn meine eigene Arbeit würde schon für zwei reichen)? Jedenfalls kann ich es nicht abstreiten, dass es mir eine kleine Genugtuung gab, als ich heute morgen ganz ernst das Papier mit der Seminareinladung hervorholte und ihr sagte, dass ich etwas mitzuteilen habe. Sie wurde sofort ganz blass und aufgeregt, weil sie dachte, ich bekäme die Stelle, für die ich das Vorstellungsgespräch hatte. Als ich sie dann beruhigte, dass es nur ein einwöchiges Seminar ist, hörte man es förmlich plumsen. So habe ich jetzt auch meine Rache gehabt. Zudem passierte etwas Ungewöhnliches, als ich, (nachdem ich den Bestattungsfall in zwanzig Minuten geklärt hatte) bei dem Mahnenden anrief, und als derjenige, der die Drecksabeit letztendlich machen musste, nicht wie sonst üblich angeranzt wurde in der Art wie "Na wird ja endlich mal Zeit!", sondern ein juchzendes "Sie sind ein Schatz!" zu hören bekam.
Aber auch die anderen Mitarbeiter drehen immer mehr am Rad. Mir war das schon die ganze Zeit lästig, dass sie sich jeden Tag hinsetzen und elend lange Mittagspausen machen, in denen sie fressen wie die Scheunendrescher und immer dieselben abgedroschenen Späße reißen. Ich habe mich deshalb, bis auf die Gelegenheiten der Geburtstage davon zurückgezogen, zum einen, weil ich sonst mit dem Berg von Arbeit noch weniger voran kommen würde und zum anderen, weil ich eigentlich mittags nie viel esse und mich das ewig gleiche anzügliche Geschwätz langweilt. Bei den Massen an fetten und ungesunden Sachen, welche sie wegschaufeln, wäre ich danach außerdem gar nicht mehr fähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Doch während meine lieben Kollegen nur immer fetter werden (und zwar wortwörtlich, man kann ihnen regelrecht zuschauen dabei!), macht sich meine Zurück-haltung natürlich immer negativ bemerkbar. Jetzt sind sie sogar auf die Idee gekommen, dass jeden Tag reihum jemand für alle kocht und das Essen mit ins Büro nimmt. Da die Männer Fleisch bevorzugen, gibt es dann also Schweinepfötchen, Eisbein, Blutwurst u.ä. Nicht, dass ich sowas nicht auch ab und an essen würde, aber mir fällt es im Traum nicht ein, mich abends hinzustellen und für meine gesamte Arbeitsgruppe so'n Zeug zu kochen, es mit U-Bahn und Bus in der Gegend herumzukutschieren und ins Büro zu schleppen. Ich habe ihnen heute, als es darum ging, wer morgen mit kochen dran ist, auch nochmal deutlich gesagt, dass ich weder kochen noch eingeladen werden
möchte. Es ist mir ziemlich egal, dass ich damit das heilige Gemeinschaftsgebot missachte und als Ungeselle Minuspunkte bei meiner Chefin sammle.
Aber das Beste ist, dass nachdem ich erst gestern über die erstklassige Bürosatire in des Kaiser's Blog den Kopf geschüttelt habe, heute ein Kollege erschien und da sprach, dass ein Gruppenfoto gemacht werden solle (liegt das gerade in der Luft?) und wir uns zu finden hätten zum Zwecke des Fotografierens in unserer besten Arbeitspose. Immerhin wurde ich hier, anders als der Kaiser, auf mein Vetorecht in Verbindung mit dem Recht auf das eigene Bild hingewiesen...