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Montag, 5. März 2007

Mulholland Drive - Der Versuch, eine Illusion zu greifen...

Ich finde, "Mulholland Drive" ist ein Film, über den man immer wieder meditieren kann. Bisher habe ich ihn zweimal ganz und zweimal halb gesehen (weil er so spät lief, dass ich eingeschlafen bin). Ich rätsel dabei gerne und komme jedesmal auf völlig neue Ideen. Der ganze Film ist wie ein Rätsel, oder besser, wie ein Traum, den es zu deuten gilt. Und da ich eh ein Faible für Träume habe, ist es kein Wunder, dass mir der Film liegt. Außerdem wollte ich als Kind immer eine Mischung aus Sherlocka Holmes und Emma Peel sein, wobei Emma Peel hier nichts zur Sache tut, da es mir mehr um die heute im Vergleich zu den unzähligen Kung Fu-Filmen müden Karatekünste ging. Aber auch Sherlocka Holmes passt nicht so richtig, da das große Vorbild stets die Logik und die Wissenschaft auf seine Fahnen schrieb. Dürfte ich heute noch Kind sein, wäre ich wohl eine Mischung aus Sherlocka Holmes, Emma Peel und Großstadtschamanin. Reizende Vorstellung, und sofort fällt es mir wie Schuppen von den Augen, warum ich FBI-Agent Dale Cooper so mag - er wäre das genaue männliche Pendant zu mir. Aber ich schweife ab.
David Lynch hat selbst 10 Hinweise zur Lösung des Rätsels gegeben:

Schenken Sie dem Anfang des Films besondere Aufmerksamkeit, denn zwei wichtige Hinweise finden sich bereits vor der Eröffnungssequenz.

Beobachten Sie, wann und wo rote Lampenschirme eine wichtige Rolle spielen.

Achten Sie darauf, wie der Name des Films heißt, für den sich der Regisseur Adam Kesher Schauspielerinnen anhört und ansieht. Wird dieser Titel an einer anderen Stelle im Film wiederholt?

Beachten Sie genau, an welchem Ort der Unfall stattgefunden hat.

Wer gibt wem einen Schlüssel und in welchem Zusammenhang, und warum tut er das?

Achten Sie genau auf die Kleidung, den Aschenbecher und die Tasse Kaffee.

Wer macht sich im Club Silencio bemerkbar? Was ist dort zu spüren, zu beobachten und zu entschlüsseln?

Ist es allein Camillas Begabung, die ihr hilft?

Achten Sie genau auf die Ereignisse im Umfeld des "schwarzen Mannes" hinter Winkies.

Wo ist Tante Ruth?

Ich persönlich glaube ja, dass es durchaus mehrere Lösungen geben kann, aber am interessantesten ist es natürlich die zu finden, die sich Lynch dabei gedacht hat.
Sherlocka Holmes kombiniert:
Im Film ist eine deutliche Zweiteilung zu erkennen, welche durch die alptraumhafte Sequenz einer Theatervorstellung erfolgt. Auffällig ist ebenfalls das alte Ehepaar, welches sowohl am Anfang, als auch am Ende des Filmes auftritt. Ich denke, der Anfang ist nicht der Anfang und das Ende nicht das Ende, sondern das alte Ehepaar markiert einen Schnittpunkt, an dem beide Teile aneinandergefügt werden müssen. Damit wäre dann der zweite Teil der erste und der erste der zweite. Unter diesem Gesichtspunkt wird der erste Teil der Story schon etwas klarer.
Diane (später Betty), eine junge angehende Schauspielerin, verliebt sich in Hollywood in ihre Kollegin Camilla (später Rita). Diese spielt mit ihr und schnappt ihr die Hauptrolle zu einem Film weg. Später läd sie Diane (Betty) zu einem Essen bei dem Regisseur ein, macht vor ihren Augen mit diesem rum und verkündet schließlich, dass sie ihn heiraten wird. Diane (Betty) kocht vor Eifersucht, trennt sich und beschließt einen Auftragskiller auf Camilla (Rita) anzusetzen. Diesen trifft sie in einem Diner, wo sie auf dem Schild der Bedienung den Namen Betty liest, und er gibt ihr einen Schlüssel. Sie fragt, was der Schlüssel öffnet, aber der Killer gibt keine klare Antwort. Diane (Betty) versinkt nun in immer tieferer Trauer und Schuldgefühlen, wird mit ihren eigenen Dämonen konfrontiert (das Ehepaar als Todesdämonen?) und erschießt sich selbst. Ist der Tod das Ende?
Ab hier wird es jetzt schwierig, da kommt selbst Sherlocka Holmes nicht so recht weiter. Sie könnte sagen, dass beide Filmteile völlig getrennt voneinander existieren und der eine einfach die bunte Glitzerwelt und der andere die Abgründe Hollywoods zeigt, aber das wäre zu einfach. Dazu greifen sie zu sehr wie Zahnräder ineinander und zeigen merkwürdige Parallelen.
Hier kommt die Großstadtschamanin ins Spiel, die von der Existenz verschiedener, nebeneinander, bzw. ineinander bestehender Welten ausgeht. Diane könnte zum Beispiel von ihren Todesdämonen in einer Zwischenwelt, einer Matrix, abgeliefert worden sein, wo sie Gelegenheit hat, ihr Handeln durch eine gute Tat wieder auszugleichen. Die gute Tat besteht darin, Rita (Chamilla) dabei zu helfen, ihr nach einem Autounfall verlorenes Gedächtnis wiederzufinden. Das würde auch erklären, warum Betty (Diane) mit einem Mal verschwindet, als Rita (Chamilla) den blauen Würfel mit dem Schlüssel öffnet und anscheinend ihre Erinnerung zurückkehrt. Solange sie von dem Autounfall traumatisiert war und nicht wußte, wer sie ist, konnte sie mit Betty (Diane) kommunizieren. Dass es sich bei dem ersten Teil nicht um reine Realität handelt, scheint auch die Theatervorstellung anzudeuten, in welcher der Showmaster auf der Bühne raunt, es sei alles, ALLES Illusion. Doch die große Frage ist, wessen Illusion? Ich glaube, dass es Bettys (Dianes) ist, denn angenommen, sie ist die Frauenleiche in dem Haus, worauf alles hinweist, dann sagt der mysteriöse Cowboy zu IHR, dass es Zeit ist aufzuwachen. Wenn man von zwei, völlig unabhängig voneinander existierenden, Filmteilen ausgeht, könnte es auch die Illusion des Regisseurs sein. Sehr geheimnisvoll ist die Funktion des kleinen blauen Würfels, welcher mit dem Schlüssel geöffnet wird. Mich erinnert dieses Bild an die Büchse der Pandora. Eventuell enthält er das Böse, das in die Welt gelassen wird. Diane (Betty) erhielt den Schlüssel dazu, hat ihn benutzt und ist selbst daran zugrunde gegangen. Unter diesem Gesichtspunkt könnte die Rückkehr in eine Zwischenwelt oder Matrix aber auch ganz anders motiviert sein. Betty (Diane) kehrt zurück, um Rita (Chamilla) dazu zu bringen, ebenfalls den Würfel zu öffnen, ihr Gedächtnis wiederzuerlangen und schließlich, durch das entwichene Unheil ebenso wie Betty (Diane) ihren Dämonen zu erliegen. Nun nach dem Autounfall, nachdem sie weiß, dass sie von Killern gejagt wird und Diane in ihrem Haus hat verfaulen sehen, stehen die Chancen gut. Dies wäre dann eine andere Möglichkeit ausgleichender Gerechtigkeit, aber noch wahrscheinlicher ist es, das beide Motive gar nicht voneinander zu trennen sind, da höhere Gerechtigkeit weder böse noch gut ist, sondern einfach ein Gleichgewicht herzustellen sucht.
Leider habe ich nicht mitbekommen, wie der Schlüssel von dem Couchtisch Dianes in die Tasche von Rita gekommen ist. Darauf will ich beim nächsten Mal noch einmal besonders achten. Stimmt meine zweite Theorie, müßte er von Betty (Diana) bewußt oder unbewußt dort hineingetan worden sein. Meine Hoffnung ist gering, dass es so ist, aber vielleicht ist im Film auch überhaupt nichts dazu zu sehen. Womit ich anfangs ein wenig Probleme hatte, das war die Szene, in der sich Rita (Chamilla) die Haare abschneiden will und von Betty (Diane) eine blonde Perücke verpasst bekommt, mit der sie ihr verdammt ähnlich sieht. Ich hatte immer das Gefühl, dass dies eine Schlüsselszene ist, konnte sie aber nicht einordnen, bis ich es so erklärt habe, dass Rita (Chamilla) seit dem Besuch in Dianes Haus irgendwie wußte, dass sie von Killern gejagt wird. Trotzdem bleibt immer so ein kleines Kribbeln, welches mir zu bedeuten scheint, dass noch mehr dahinter steckt, ebenso wie hinter diesen Besetzungs- und Namensspielchen. Aufgefallen ist mir dazu die Szene, in welcher eine Chamilla Rhodes beim Casting singt und genauso aussieht wie Betty (Diane), während sich diese eiligst verabschiedet, und würde erklären, warum Rita meint Diane zu heißen, als sie den Namen auf dem Schild der Bedienung liest. Doch wenn ich dieser Möglichkeit weiter folgen will, versagt das Vorstellungvermögen meiner kleinen grauen Zellen.
Vielleicht hat Diane (Betty) alias Chamilla sich als Chamilla (Rita) alias Diane ausgegeben, um zu der Hauptrolle zu kommen, deren Besetzung wie man weiß, von unsichtbaren Drahtziehern vorher schon bestimmt wurde. Der Cowboy sagt zu dem Regisseur, dass dieser ihn noch einmal sehen wird, wenn er richtig gewählt hat, aber zweimal, wenn er falsch wählt. Eventuell sagt er das nicht nur dem Regisseur, sondern auch den Zuschauern. Deshalb sind das Dinge, auf die ich ebenfalls beim nächsten Anschauen nochmals mein Augenmerk richten will.
Interessant wäre außerdem eine Deutung des Männchens hinter den Vorhängen und des Cowboys. Als Großstadtschamanin finde ich die Metapher sehr amüsant, das kleine Männchen im Rollstuhl hinter den Vorhängen (des Theaters?) wäre Gott und der Cowboy sein Gesandter/Engel, der den Willen Gottes verkündet. Als Sherlocka Holmes sage ich, dass es auch nur ein Mächtiger Hollywoods sein könnte, der gerne Gott spielt. Überhaupt keinen Reim machen kann ich mir auf den träumenden Mann und den Mann im Traum des träumenden Mannes.
Sicher ist aber, dass ich diesen Film nicht das letzte Mal gesehen haben werde.