Der Tod ist genauso natürlich wie das Leben, und genauso muß man einfach an ihn herantreten. Wer das Leben gut verstanden hat, der ist auch imstande zu sterben. Das Wichtigste ist - Haltung bis zum Ende zu bewahren, sich nicht im letzten Augenblick von irgendeinem tierhaften Lebensinstinkt übermannen zu lassen, nicht vor dieser Sekunde physischen Schmerzes zu erschrecken. Aber das wird uns gewiß gelingen, dazu muß unsere Kraft ausreichen. Wir sterben frei, ja frei! Denn das Gefängnisleben hat uns gelehrt, uns all der kleinen Dinge zu entledigen, deren Gefangene die Menschen da draußen sind. Die menschliche Seele kann niemand zwingen, wenn der Mensch selbst sie nicht einschließt in die vier Wände enger Begriffe und Vorurteile.
(aus "Zeit, die mir noch bleibt. Briefe aus dem Gefängnis." - Krystyna Wituska)
Da war ich heute nun schon um 7:30 h im Büro, um den Streiks zu entgehen, aber dafür funktionierte mehrere Stunden lang unser Computerprogramm nicht, so dass wir erneut mehr oder weniger dumm rumsitzen mussten. Die Zeit wurde genutzt, um einige Scherze zu reißen, eine Kollegin meinte so "Könnten die heute nicht wieder eine Bombe finden?", worauf alle begannen rumzuspinnen, dass sie dann unseren Abteilungsleiter vorschicken würden, um die Bombe abzuklopfen, weil er doch der Mann fürs Grobe sei, zuständig für die Einsparungen, denn wir brauchen keine Bombe, wir brauchen die Bombe nicht. Die Scherze wurden immer böser und ich konnte mich kaum noch halten vor Lachen, da wurde mir gesagt, dass ich nichts gehört haben soll. Also hielt ich mir die Ohren zu und sagte immer "Ich höre nichts, ich höre nichts..."
Später rief eine Kollegin aus meiner ehemaligen Abteilung an und war vollkommen fertig, weil sie das gleiche Schicksal wie mich ereilt hat - sie wurde ebenfalls gefragt und hat ja gesagt. Jetzt soll sie Hals über Kopf hierher in eine andere Gruppe. Ich habe versucht ihr klarzumachen, dass es nicht ganz so schlimm ist, wie sie sich vorstellt. Ich kenne sie noch aus ganz alten Zeiten, von meiner ersten Stelle her, und ich weiß genau, wie ihre Horrorvisionen gerade aussehen, weil sie denselben Ursprung haben.
Der Kollege in meinem Zimmer verströmt zur Zeit einen äußerst männlich-markanten Schweißgeruch, den er selbst anscheinend gar nicht wahrnimmt, und auch andere haben noch nichts gesagt. Vielleicht bin ich ja die einzige, die das riecht. Ich habe mal irgendwo gehört, dass Frauen auf männlichen Schweiß total abfahren, aber das ist dann wahrscheinlich doch zuviel des Guten. Allerdings kann er nichts dafür, weil er Freitag und am Wochenende krank gewesen ist und auch jetzt noch extrem viel rumhustet, da ist das Schwitzen normal und man riecht auch genau, dass er nicht in Ordnung ist. Ich habe überlegt, ob ich etwas sagen soll, hab es aber gelassen und versuche jetzt immer unauffällig das Fenster aufzureißen, wenn er nicht im Zimmer ist, denn während er am Schreibtisch sitzt, will ich das auch nicht, da er nur im dünnen T-Shirt rumläuft und es draußen ziemlich kalt ist.