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Donnerstag, 19. Juli 2007

Mein erster Tag mit Herrn N.

Irgendwie fühlte ich mich heute ein bißchen, als zöge ich in die Schlacht. Das erste Aufeinandertreffen erfolgte rasch. Einige Minuten nach mir betrat er das Zimmer, warf einen kurzen Blick zu mir herüber und strebte sofort seinen Schreibtisch an, wobei er etwas wie "Ah, einiges verändert." murmelte. Da ich ihn unentwegt angrinste, ließ er sich doch noch zu einem leichten Lächeln herab, welches mich ganz entzückende Lachfältchen sehen ließ (das ist aber auch das einzig positive, was mir bisher aufgefallen ist). Ich überlege, ob ich ihm das mit den Lachfältchen mal ganz unverfänglich sagen soll, allerdings will ich auch nicht, dass er glaubt, ich wolle ihn anbaggern. Das möchte ich ganz gewiß nicht.
Sein Auftreten und Aussehen ist eher unspektakulär - er ist glatzköpfig, mit noch ein paar kurzgeschorenen Haaren um den Kopf, mittelgroß, vielleicht wie ich oder kleiner, und trägt auf den stark behaarten Armen einige Tätowierungen. Rechts habe ich einen verschlungen Armring gesehen und auf dem Oberarm auch noch irgendwas, ich habe aber nicht so genau hingeschaut.

Auf meinen ersten kleineren Wortschwall ging er, zwar etwas kurz angebunden, aber nicht unfreundlich, ein. Danach folgte erst einmal eine lange Zeit tiefen Schweigens, genauso wie ich es mir vorgestellt hatte. Den nächsten Angriff startete ich mit Schwärmen von meinem ehemaligen Einzelbüro, was ihn aber nicht sonderlich aus der Reserve lockte. Erst als wir von den Problemen mit meinem Drucker auf seinen ehemaligen Kollegen zu sprechen kamen, kam er beim Lästern über diesen so richtig in Fahrt. Ich hatte mich ja gewundert, dass der Vorgängerkollege mit diesem Drucker überhaupt arbeiten konnte und fragte ihn so, ob dieser irgendeinen Trick gehabt habe. Darauf legte er so richtig los damit, was Herr K. alles mit dem Drucker angestellt habe und dass der Drucker bestimmt ein Herr K.-Trauma habe (er hat es natürlich nicht so ausgedrückt, denn witzig ist er nicht). Außerdem erzählte er einiges über Herrn K., was mich lachen ließ, nicht weil es eigentlich lustig war, sondern, weil ich mir sofort bildlich vorstellte, wie Hr. K. völlig konfus an seinem Arbeitsplatz herumirrt, den Drucker malträtiert und immer was von "Schadensfällen" faselt. Weil ich lachte, lachte er auch, allerdings eher ein halbherziges Lachen und es war auch das einzige. Er erzählte weiter, dass Hr. K. den Kaffee auf dem Tisch verschütte und das noch nicht einmal wegmache, weshalb er ihm dann kleine Zettelchen geschrieben und daneben geklebt hätte. Beinahe hätte ich mich verquatscht und gesagt, dass ich das weiß, bzw. dass inzwischen jeder weiß, dass er kleine nette Zettelchen schreibt, aber ich konnte es mir verkneifen. Außerdem berichtete er, dass er ja eigentlich gedacht hatte, als Hr. K. zu ihm kam, dass er ihn auf den echten Weg führen könne, aber Hr. K. sei doch zu alt, um ihn ändern zu können. Ich hoffe nur, er erkennt, dass ich auch schon viel zu alt bin, um mich auf seinen rechten Weg führen zu lassen. So blöd ich lästern finde, aber ich fürchte, um das Eis zu brechen, werde ich wohl doch das Thema Hr. K. ausbauen müssen. Dabei finde ich Herrn K. ja eigentlich erbarmungswürdig und niedlich in seinen Verwirrtheitszuständen und wie er seine kleinen Tässchen in den Aktenschränken versteckt.

Die Telefonmanieren des Herrn N.konnte ich heute gleich live miterleben. Plötzlich fing er an in das Telefon zu brüllen, schmiß den Hörer auf und fluchte: "Die hat wohl den Arsch offen." Vorsichtig erkundigte ich mich, was denn diejenige getan hätte. Dieses erläuterte er mir sehr ausführlich und immerhin muss ich ihm in der Sache an sich beipflichten, auch wenn ich seine Art darauf zu reagieren, etwas daneben finde. Ich würde ihn jetzt von meinem eigenen Eindruck als cholerisch, aber trotzdem harmlos einstufen. Als Celestine-Typ läßt sich in ihm eindeutig das Drama des Vernehmungsbeamten erkennen.
Am heutigen Tag ist mir gegenüber nichts negatives passiert, allerdings nervt mich wirklich, dass er so wenig Humor hat. Ich bin ja nun auch nicht gerade die Frohnatur und der Unterhalter, aber ich finde es immer einfacher, mit jemandem zusammenzuarbeiten, mit dem man auch mal ein bißchen Lachen und etwas Spaß haben kann. Doch ich glaube, wenn ich irgendwelche witzigen Bemerkungen machen würde, würde er die wahrscheinlich noch nicht einmal verstehen.
Aufgefallen ist mir, dass kaum jemand in das Büro kommt. Meine Gruppenleiterin kommt nur dann, wenn er gerade nicht im Zimmer ist und sogar die Fliegen und Wespen machen sofort kehrt und fliegen wieder zum Fenster raus. Das mag von Vorteil sein, wenn man seine Ruhe haben will, aber mir wäre es lieber, wenn er den Straßenlärm damit fernhalten könnte. Ob er auch als Mückenschreck wirkt? Ausprobieren werde ich das nicht.

Die Zombie-Kollegin

Letzte Nacht träumte ich von einer ehemaligen Zimmerkollegin. Als ich damals mit ihr zusammensaß, war sie über 50, hatte jedoch immer ein eher jüngeres Aussehen und wirkte noch sehr adrett. Im Traum nun hatte sie das Aussehen einer über Hundertjährigen - ein sagenhaft zerfurchtes und eingefallenes Gesicht, sowie seltsam blinde und stumpfe Augen. Sie sitzt mir gegenüber und erzählt mir dauernd von irgendeiner Herzmuskelentzündung und zu welchen Ärzten sie unbedingt gehen muss.
Nun war diese Kollegin zufällig das Schlimmste, was mir je an Zimmerkollegen wiederfahren ist. Es gibt mir schon zu denken, dass ich ausgerechnet heute von ihr träume. Ich hoffe mal, es soll keine Warnung sein. Jedenfalls, wenn ich mir nicht ziemlich sicher wäre, dass sie noch lebt, auch wenn sie inzwischen nicht mehr arbeitet, würde ich denken, sie ist extra letzte Nacht aus ihrem Grab auferstanden, um mich heimzusuchen.