Also entweder hat meine energetische Raumreinigung stärkere Auswirkungen auf Herrn N., als ich erwartet hätte, oder er hatte einfach ein Bomben-Mittagessen. Jedenfalls sprang er irgendwann von seiner Zeitung auf und griff nach seiner Jacke, wie jeden Mittag, nur dass er diesmal nicht mehr wiederkam. Ich begann mir schon Sorgen zu machen, überlegte, was zu tun sei, wenn er bis zum Feierabend nicht zurück ist, aber schließlich streckte er so um halb vier, zwei Stunden später, doch wieder seinen Kopf zur Tür herein und murmelte "Mahlzeit!". "Ähm, ja, Mahlzeit!" antwortete ich, wobei ich mir aber den grinsenden Unterton in der Stimme nicht verkneifen konnte. Herr N. war nach seiner ausgedehnten Mittagspause ausnehmend gut aufgelegt und in solch einer ausgelassenen Plauderstimmung, wie ich bisher bei ihm noch nie erlebt habe. Die eine Stunde, die er noch anwesend war, begann er plötzlich immer von sich aus irgendwas zu erzählen (sonst musste ich meist den Anfang machen), natürlich nur über seine Lieblingsthemen - konfuse Sachbearbeiter, unfähige Mitarbeiter, seine unkoordinierten "Anlernlinge", die er bisher so ans Bein gebunden bekam, einfältige Klienten usw. , so gut gelaunt und redselig war er - völlig ungewohnt nach den bisherigen fünf bis sechs Sätzen pro Tag.
Ich glaube, das nächste Mal werde ich ihn nach dem Geheimnis seines Mittagessens befragen, falls es denn ein Mittagessen war....
Ich erinnere mich undeutlich, letzte Nacht an einem Schreib- oder Lyrikseminar mit Harald Schmidt teilgenommen zu haben. Dabei war ich ziemlich erleichtert, dass er mich nur dann aufrief, wenn mir wirklich mal was eingefallen war. Mit diesem schien er auch sehr zufrieden, mehr noch, er schien mich sogar irgendwie zu favorisieren. Insgeheim hatte ich aber ständig das Gefühl, dass mir viel weniger als den anderen Teilnehmern einfällt und es sich nur um glücklichen Zufall handelt, dass Schmidt mich immer in meinen guten Momenten erwischt.
Bemerkung: Böse Falle.
nein, zumindest nicht im Sinne des ritualisierten Aberglaubens. Ich glaube nicht daran, dass die Sieben eine Glücks- und die Dreizehn eine Unglückszahl ist, Schuhe auf dem Tisch Pech bringen, obwohl ich durchaus ebenfalls der Meinung bin, dass sie dort nichts zu suchen haben, und man kein Salz verschütten sollte. Ob die schwarze Katze nun von links oder rechts kommt, ist wahrscheinlich ziemlich egal und überhaupt gibt es auch noch andersfarbige Katzen, die gewürdigt werden wollen. Andererseits bin ich abergläubisch, wenn es darum geht, aus Begegnungen oder Erlebnissen auf eine momentane Zeitqualität zu schließen. Das einfachste Beispiel dafür ist ein Tag, an dem schon am Morgen alles schief geht und sich sowas bis zum Abend durchzieht. Dies ist ein Phänomen, das jeder zumindest teilweise schon erlebt hat. Ich achte jedoch nicht nur auf vor der Nase weggefahrende Busse oder gerissene Schnürsenkel, sondern auf alles, was mir am Morgen auf der Straße begegnet. Ein walzerpfeifender Fahrradfahrer zum Beispiel bringt Glück und gute Laune, wie ich erst kürzlich feststellen durfte.
Heute dagegen hatte ich mal wieder eine Begegnung der tierischen Art. Eine Amsel hopste mit einem wirklich fetten Wurm im Schnabel quer über meinen Weg (von links nach rechts, aber das ist ja eh egal). Inzwischen weiß ich auch, was das bedeutet - nämlich dass ich einen fetten Fang an Arbeit in Form eines neuen Aktenberges machen werde.