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Mittwoch, 23. April 2008

Wie lange reicht eine Million?

Der fünfzigste Geburtstag einer Kollegin wurde zum Anlaß, darüber zu reflektieren, wie lange eine Million reicht, denn Kollegin M. machte den Spruch, wenn sie eine Million hätte, würde sie sofort aufhören zu arbeiten. Daraufhin schüttelten einige sofort den Kopf und meinten, das reiche niemals, das Geld wäre in ein paar Jahren weg. Dann fingen sie auch gleich an aufzuzählen - Haus abzahlen, Auto, Urlaubsreisen usw. Meinen Einwurf, daß man Zinsen bekommt, wenn man das Geld anlegt, wischten sie mit dem Argument hinweg, bei den paar Prozenten lohne sich das gar nicht. Hm, das sehe ich anders. Das Perverse an Zinsen ist ja, daß dort am meisten hinkommt, wo schon am meisten ist, frei nach dem volkstümlichen Sprichwort: Der Teufel sch.... immer
auf den größten Haufen. Für nur 500.000 € und lumpigen 2 Prozent Zinsen, bekäme man im Jahr 10.000 € Zinsen, das ist ca. ein Drittel meines Jahreseinkommens, und zwar völlig mühelos. Auf Monate verteilt wären das knapp über 800 €, entspricht also fast der üblichen Grundsicherung und reicht zum überleben. Nun möchte ich auch nicht unbedingt auf Grundsicherungsniveau leben, allerdings glaube ich, daß ich mit einer Million durchaus für mein Leben ausgesorgt hätte. Das liegt vielleicht daran, daß ich relativ sparsam bin, nicht aus Geiz, sondern weil ich vieles, was andere unbedingt brauchen, überhaupt nicht vermisse. Das fängt schon bei Alkohol und Zigaretten an und hört bei All-inklusiv-Reisen auf. Ich rauche und trinke nicht, nicht weil ich es mir nicht leisten kann, sondern weil ich kein Bedürfnis danach habe. Die Flasche Baileys gönne ich mir trotzdem, allerdings reicht die oft sogar ein halbes Jahr. Würde ich plötzlich das unwiderstehliche Verlangen auf teure Weine oder Zigaretten haben, würde ich auch ohne zu zögern mein Geld dafür auf den Kopf kloppen, aber ich hab es nicht. Beim Einkaufen im Supermarkt schaue ich nie auf das Geld, ich könnte nicht sagen, wie teuer Milch, Butter, Brot gerade ist und ob es teurer oder billiger geworden ist. Sowas erfahre ich nur durch die Medien und trotzdem komme ich im Monat mit weniger als 200 € aus. Geizig werde ich erst bei Parmesan-Käse für 12,99 €, den bestelle ich lieber für 4,99 € bei Gourmondo. All-inklusive-Reisen reizen mich überhaupt nicht, wenn ich Fernweh habe, fahre ich an die Ostsee und finde dort alles, was ich brauche - Meer, Sand, Felsen, Wald, Sonne und Wind. Im Vergleich mit anderen fühle ich mich manchmal schon wie ein (unbeabsichtigter) Asket. Nachdem das Gespräch weiter ging, wurde mir dann klarer, warum eine Million für einige nicht reichen würden, es ging nämlich nun um Wohnungen. Da wurde von den tollen Wohnungen erzählt, in denen man schon wohnte oder wohnt, 40 qm Dachterasse, Blick auf irgendwelche Schlösser, 700-900 € Bruttokaltmiete, da wundert mich gar nichts mehr. Ich gestehe, daß mich bei diesem speziellen Punkt oftmals der Neid packt, denn eine große und schöne Wohnung ist etwas, wovon ich selbst gerne träume, wobei meine Träume aber ziemlich wankelmütig sind, denn ab und zu träume ich auch von Campingwagen und Blockhaus und habe dabei das starke Gefühl, daß mich weniger sogar glücklicher machen würde. Und da mir in der Situation, in der ich mich gerade befinde, mal wieder die Vorteile einer unspektakulären, kleinen und schnuckligen Wohnung bewußt geworden sind, hatte der Neid diesmal keine Chance, denn ich dachte bei mir, so ein Leben, in dem man tatsächlich gezwungen ist, unentwegt und ohne Abstriche zu arbeiten, bloß weil man so eine Wohnung an der Backe hat, die man außerdem auch noch saubermachen und renovieren soll, muß doch noch furchtbarer sein als meines. Das lohnt sich eigentlich nur, wenn man gar nicht mehr arbeiten muß und sich auch das Personal dazu leisten kann. Man zahlt nicht nur Euro dafür, sondern Zeit, jede Menge Lebenszeit. Meine Wohnung ist zwar klein, was den Stresslevel betrifft vollkommen ausreichend, doch hat den unschätzbaren Vorteil, daß ich jederzeit meine Arbeitszeit um die Hälfte verkürzen könnte und trotzdem mit dem Einkommen gut ausreichen würde. Irgendwie ist diese Gewißheit auch ein Stück Freiheit, zwar gut versteckt, aber eine offene Möglichkeit. Und jetzt gönne ich mir den Luxus der ersten Eiscreme in diesem Jahr - Tarte de pommes/Apfeltarte -, sehr lecker!