Auch wenn es besser ist,
gerade nicht so viel Zeit zum Nachdenken zu haben, bin ich trotzdem froh, daß endlich der Umzug von meiner Mutter Geschichte ist. Ein bißchen beneide ich sie insgeheim, da sie zwar ebenfalls viel Streß hat in diesem Jahr, aber in die Traumwohnung zu ziehen, die man schon immer haben wollte, ist ja dann doch mehr positiver Streß mit rosigen Aussichten. Meine Aussichten möchte ich mir dagegen gar nicht so genau vorstellen. Um so gereizter reagiere ich deshalb auf ihr dauerndes Gejammere, wenn es nicht genau so läuft, wie sie es sich in den Kopf gesetzt hat. Alles soll sofort und auf der Stelle fertig, die Kisten innerhalb von einem Tag ausgepackt sein. Bei anderen stehen die Kisten tagelang herum, bis alles ausgepackt ist, weil es einfach nicht anders geht, vor allem, wenn man noch berufstätig ist. Genau wie mit dem perfekten, gesellschaftsfähigen Friedhofsgrab setzt sie sich in den Kopf, daß es so und so sein muß, übernimmt sich dabei ständig und jammert herum, weil es eben nicht so geht. Ich kann ja verstehen, daß die Wohnung gleich schön sein soll, aber ich finde, wenn man sich schon so übereifrige Ziele setzt, mit denen man sich überflüssigerweise selbst unter Druck setzt und zusätzlich die, die helfen, sollte man auch nicht herumheulen. Und da ist immer das Gefühl, daß sie nur darauf lauert, man gebe sich plötzlich geschlagen und sage: "Ja, ja, wir machen alles, gehen buddeln, pflanzen und gießen, wir machen alles was du willst sofort und auf der Stelle." Ich helfe zwar gerne, aber nicht so, daß ich mich in ihr eigenes Joch spannen lasse. Sie hat außerdem die Gewohnheit, ihre Helfer auf subtile Art zu sich zu "befehlen", ohne zu fragen, wann es ihnen überhaupt paßt. Stattdessen geht sie ganz selbstverständlich davon aus, daß am Wochenende alle Zeit haben, auch die Nichtrentner. Und da sie sich am Wochenende sowieso langweilt, sollen alle regelmäßig am Wochenende kommen. Ich selbst weiß ja inzwischen, wie ich darauf reagieren muß. Doch habe ich mitbekommen, daß sie anscheinend meinen C. ziemlich nach ihrer Pfeife tanzen läßt. Er hat ihr die Wohnung renoviert und ähnliches. So ganz nebenbei ließ sie die Bemerkung fallen, daß er gesagt hätte, er würde in der Woche nach Feierabend kommen, was ihr aber gar nicht recht sei. Ich vermute mal, er hat sich nicht getraut zu widersprechen und ist nur deshalb doch am Wochenende zu ihr gefahren. Sie regt sich immer über seine Ex auf, die ihm auf der Nase herumgetanzt ist und wundert sich, daß er alles mit sich machen läßt, aber ausnutzen tut sie es auch. Jedenfalls, nachdem wir vorher bereits ständig Sachen per Korb und Tasche in die neue Wohnung geschleppt hatten, waren die Kisten tatsächlich innerhalb eines Tages ausgepackt. Da sie selbst nicht damit zurechtkam, die Kartons auseinanderzufalten, meinte sie nach einer ganzen Weile, während sie mir immer wieder dabei zuschaute: "Du siehst aus, als würdest du sowas dauernd machen." Na was denkst du denn, antwortete ich, das gehört sozusagen zu meinem Job. Ich habe die vielen Umzüge auf Arbeit irgendwann nicht mehr gezählt und wir schleppen heute noch Umzugskisten mit Akten umher, weil nirgendwo Platz ist und die immer wieder umgelagert werden müssen. "Was? Aber das kann doch gar nicht sein!" ruft sie und guckt mich mit großen Augen an. Dann wollte sie, weil sie über zwanzig Jahre mit Strom gekocht hat, daß ich ihr sage, wie sie am besten den Gasherd anzündet ohne Streichhölzer zu verwenden. Ich hatte ihr dafür extra einen von diesen praktischen Gasanzündern mit langem "Hals" besorgt und ihr kurz gesagt, wie man den benutzt. Das hat allerdings nicht gereicht, denn beim nächsten Mal fragte sie mich wieder, weil sie nicht damit klargekommen ist und diesmal führte ich es ihr vor. Finger in die Lasche und draufdrücken, zack. Sie sah nicht sehr überzeugt aus und sagt doch zu mir, den Mund verziehend, sie hätte ja mehr an etwas Einfaches gedacht, sowas wo man nirgends draufdrücken muß.... ähm?
zuckerwattewolkenmond - Mi, 21:35