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Donnerstag, 19. Mai 2011

Miesmacher

Heute im Supermarkt: Eine Kassiererin verläßt die Kasse und wirbelt beflissen herum, um irgendeine Frage eines Kunden zu beantworten. Für ihn ist es wohl nicht ganz so wichtig, denn er sagt schließlich: "Ach lassen Sie doch - sonst verärgern Sie noch Ihre Kunden." mit Blick auf die hinter ihm Stehenden. Ein anderer Kunde, der gerade dazu kommt, posaunt rotzig dazu: "Das wäre nicht das erste Mal!" Sowas liebe ich ja - Miesmacher, die schon vorher mosern, bevor überhaupt etwas passiert ist. Er stellte sich direkt hinter mich und ich fühlte mich sofort körperlich unwohl in Form einer unangenehmen, sich ausbreitenden Kälte im Nacken. Sowas passsiert mir öfters bei nervigen Zeitgenossen. Mein innerer Seismograph verträgt so viel Negativität nicht.

Jetzt bin ich im Endspurt

und krauche so langsam nur noch auf dem Zahnfleisch. Zum Ende der Chemo wird es mit jedem Zyklus schlimmer. Nach der Chemo fühle ich mich immer wie mit dem Holzhammer erschlagen. Ich werde so müde, daß ich teilweise Mühe habe, noch vernünftige Worte mit dem Mund zu artikulieren, so als wäre die ganze Mundpartie betäubt. Insgesamt habe ich bereits seit über einem Vierteljahr nicht mehr richtig geschlafen und durch den Stop der Hormonflut fühle ich mich dauernd so, als würde ich bei lebendigem Leib gekocht, und das, nach dem ich mich vorher jahrelang seit der Pupertät mit Pickeln, fettigen Poren, PMS und hormonellen Fehltritten herumgeärgert habe. Dazu kommen unruhige Beine, brennende, juckende Augen, taube Fingerspitzen, das Gefühl von Kraftlosigkeit und gähnender Leere im Gehirn, Vergeßlichkeit, Konzentrationsschwierigkeit. Außerdem Kopf- und Rückenschmerzen. Auch äußerlich fühle ich mich nicht mehr wohl in meiner Haut, sondern aufgedunsen, wabbelig, alt und unbelastbar, entweder bleich oder einen Tag nach der Chemo leuchtend wie eine Tomate, kahl, juckig und fleckig. Und je mehr ich von mir genervt bin, um so mehr nerven mich diverse Leute, was dann wiederum mich noch mehr nervt. Besonders schön: Mit den in penetranter Regelmäßigkeit in den Briefkasten flatternden Rechnungen wird man ständig daran erinnert, was für eine "luxuriöse" Erkrankung man sich ausgesucht hat. Da macht jeder Brief Freude. Ich hoffe nur, daß ich nach der letzten Chemo noch genug Zeit zum Erholen vor der Op bekomme, denn völlig übermüdet und auf dem letzten Loch pfeifend möchte ich mich nicht unbedingt unter das Messer legen.