Statt Fernsehprogramm
tat ich mir gestern das Festival of lights an. Ich ließ mich stundenlang bespaßen, ohne daß ich bemerkte, wie der Abend immer später wurde, da man es in den Touristenströmen, die fließen wie sonst am hellichten Tage, einfach vergißt. Sogar im Reichstag kann man anscheinend um 22 Uhr noch Führungen mitmachen. Das war mir neu. Tatsächlich war ich erst kurz vor Mitternacht wieder zu Hause. Faszinierend auch die Heerscharen von Stativen, die bei dieser Gelegenheit unterwegs sind. Man muß auf Schritt und Tritt im Dunkeln aufpassen, daß man nicht in so ein Ding hineinläuft. Ich selbst schleppe ja ungerne bis nie Stative mit mir herum und gehe lieber das Risiko ein, daß einige Fotos nichts werden. Ein bekannter Sportfotograf sagte mal sinngemäß in einem Interview, wer nicht in der Lage sei, aus der Hand im Dunkeln mit entsprechenden Einstellungen ein Foto zu machen, solle seinen Beruf wechseln. Nun habe ich nicht vor Fotograf zu werden, aber ich übe trotzdem. Am Gendarmenmarkt war leider keine Show, zumindest nicht so lange ich dort stand und wartete, daß wie am Dom und am Schloß etwas passierte. Irgendwann zog ich zum Potsdamer Platz weiter. Dort wurde nicht nur belichtet, sondern auch beräuchert und benebelt. Ich meinte zuerst, es brennt irgendwo. Als ich vom Reichstagsufer zum Brandenburger Tor schlenderte, liefen zwei Herren in schwarzen Mänteln an mir vorüber, die ich erst nicht beachtete, da ich im Dunkeln selten auf Gesichter achte, doch als sie auf fast gleicher Höhe mit mir waren, hörte ich den Kleineren zum Größeren etwas sagen und dachte: Die Stimme kennst du doch! Ich gucke überrascht hin und erkenne Gregor Gysi wie er leibt und lebt. Mir ist es ja etwas peinlich, daß ich so verdutzt hinterher gestarrt habe, weil ich der Meinung bin, wenn bekannte Leute privat flanierend unterwegs sind, vielleicht um ebenfalls das Festival of lights zu genießen, wollen sie ganz gewiß nicht dumme Blicke ernten. Ich kenne es ja selbst, wie das ist, wenn man dann auch noch erkannt wird. Ich denke da an den denkwürdigen Arztbesuch bei meiner Hausärztin, als ich im Wartezimmer saß und unentwegt von einem kleinen Jungen angestarrt wurde. Schließlich zeigt er mit dem Finger auf mich und sagt ganz laut, so daß es auch jeder im ganzen Raum hören konnte: "Mama, die Frau kenne ich aus dem Fernsehen!" Da wünscht man sich die große Greta-Garbo-Sonnenbrille herbei. Doch wenn eine bekannte Stimme an einem vorbei läuft, dreht man sich spontan viel schneller um, als daß man überhaupt weiß, ob es jemand ist, den man persönlich kennt oder nur aus dem Fernsehen. Und jemand, dessen Stimme man immer mal wieder im eigenen Wohnzimmer hört, wird im Gehirn wahrscheinlich sowieso als persönlicher Bekannter abgespeichert.
























zuckerwattewolkenmond - Di, 12:38