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Donnerstag, 6. Juni 2013

Martin Grubinger und Camerata Salzburg

spielten gestern in der Philharmonie und ich war dabei. Irgendwie war es aber insgesamt ein merkwürdiger Tag. Überhaupt ist es zur Zeit gerade sehr hektisch und meine Begleiterin meinte ebenfalls, sie hätte den Eindruck, die Menschen würden gerade alle am Rad drehen. Wenn die Sonne mal hervorschaut, kommt mir das regelmäßig so vor. Dazu kamen einige schlechte Nachrichten. Zum Beispiel meldete sich eine Kollegin, die als nächste wegen Burnout krankgeschrieben ist und bei der die Antidepressiva nicht wirken, weshalb sie jetzt wegen eines Psychiaters herumgeschickt wird. Ich finde es so krank, daß die Menschen, die an sich gesunde Reaktionen auf diese abartigen Arbeitsbedingungen zeigen, als krank abgeschoben und therapiert werden, während es eigentlich die auf Kosten und Leistung ausgerichteten Arbeitsstrukturen sind, die krank bzw. krankmachend sind. Man kann schon nicht mehr mitzählen, wie viele von meinen Kollegen zu psychiatrischen Fällen werden, wenn sie sich nicht gar umbringen oder zu Tode saufen.
Jedenfalls schien die Musik im ersten Teil des Konzerts, die Symphonie Nr. 2 »Sinfonía india« von Carlos Chávez und das Konzert für Marimba und Orchester von Ney Rosauro, diese Aufregung und Hektik zu einem dramatischen Höhepunkt zu komprimieren. Martin Grubinger hat sich zwar bewunderungswürdig an den Percussions verausgabt, aber in meinen Ohren klang alles total disharmonisch und besonders das Getrommel ging mir richtig auf den Keks. Meine Begleiterin meinte, sie hätte von der Musik Zahnschmerzen bekommen, fand sie aber trotzdem "interessant". Ich dagegen wunderte mich nur, daß mir die Musik nicht auch an meine Zahnnerven gegangen ist, und bekam fast schon schlechte Laune, weil mich an einem hektischen Tag statt entspannender Musik so etwas erwartete. Glücklicherweise erinnerte ich mich an die Tipps aus dem Buch "Wenn die Haut zu dünn ist. Hochsensibilität - vom Manko zum Plus" von Rolf Sellin, nämlich daß man Reize auszublenden lernen kann, wenn man sich auf andere Dinge konzentriert. Ich achtete also nicht mehr auf die Musik und versank in meine Tagträume, und dabei fiel mir auf, daß ich genau dies eigentlich seit meiner Kindheit intuitiv tue und meine exzessive Tagträumerei wohl genau in dieser Reizüberforderung ihre Ursache hat.
Doch nach einer Pause wurden wir für den eher unerfreulichen ersten Teil des Konzerts entschädigt. Bei Tango-Variationen, brasilianischen Klängen und einer Salsa-Session stieg die Stimmung rapide. Endlich wieder Balsam für die Ohren und ein paar vernünftige Rhythmen! Selbst die lauten Trommeln klangen nun auf beruhigende Art beschwingend und nicht mehr nervtötend. Das gesamte Publikum war beim zweiten Teil deutlich entfesselter und erfreuter.
Letztens lief bei arte ein Themenabend über das "Sacre du Printemps" von Strawinski und ich habe den ganzen Abend durchgehalten, mir das anzuschauen und anzuhören. Als ich meiner Begleiterin davon erzählte, schaute sie mich groß und verständnislos an und fragte mich: "Du leidest wohl gerne, oder?" Gelitten habe ich wirklich, denn die Musik hat mich irgendwie richtig aggressiv gemacht. Das sind einfach nicht meine Rhythmen und Melodien. Aber ich fand es sowohl von der Geschichte als auch von der tänzerischen Umsetzung her sehr interessant. Immerhin hatte ich sogar den ersten leisen Fagottpart einige Tage als Ohrwurm, das war aber auch der einzige Part, der in meinen Ohren angenehm klang.