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Sonntag, 7. Juli 2013

Hurtig reisen - Die Fortsetzung

Die Richard With, so hieß unser Schiff, wird als schwimmendes Kunstmuseum gehandelt. Der Grund dafür ist, daß im Schiff überall Gemälde und Zeichnungen von norwegischen Künstlern hängen. Das größte Bild dürfte sich im Restaurant-Deck befinden, nämlich eine ganze Wand voll wilder Wikinger in Booten. Doch auch in den Treppenaufgängen und sogar in den kleinsten Winkeln findet man Bilder, manche sind allerdings vervielfältigt und häufiger zu sehen, zum Beispiel die Werke in den Kabinen. In meiner Kajüte hingen diese beiden schönen Bilder, eine wilde Seeszene vor dem Torghatten, dem Berg mit Loch, und eine stille Bergszene. Die Bergszene gab es an anderen Orten mit gelben Blumen davor:

Bild in SchiffskabineBild in Schiffskabine


Neben dem Kunstgenuß wurde für leibliche Genüsse ebenfalls gut gesorgt. Zum Frühstück und Mittagessen trug man jeweils ein sehr reichhaltiges Buffet auf und zum Dinner abends ein kulinarisch verbrämtes Drei-Gänge-Menü. Wenn sich das jetzt ein wenig sarkastisch anhört, hat dies die Ursache darin, daß der äußere Anschein in allem mit dem übereinstimmte, was man von der Haute Cuisine so kennt, aber das Geschmackserlebnis dem oft leider nicht entsprach. Genauer gesagt waren die Gänge zum einen winzig (zum Beispiel gab es zum Lammfleisch genau abgezählt fünf grüne Bohnen), zum anderen sehr kunstvoll und dekorativ angerichtet, aber von der Qualität des Essens selbst kam es mir ein wenig vor wie gewollt und nicht gekonnt. Eigentlich macht es mir nichts aus, kleine Portionen zu essen, wenn ich dafür wirklich besondere und exquisite Geschmackserfahrungen machen kann, doch hier fand ich das Getue um das Essen fast lächerlich, weil sich die Passagiere dieser Haute Cuisine-Attitüde anpassten, aber oft mit ziemlich angepissten Gesichtern auf dem Essen herumkauten. Hätte ich nicht mitten unter ihnen gesessen, sondern das als Szene in einem Film gesehen, hätte ich wahrscheinlich schallend losgelacht. Ich weiß nicht, ob die Norweger generell auf Kriegsfuß mit Gemüse stehen oder nur dieser spezielle Küchenchef, aber egal welches Gemüse, ob Spargel, Bohnen, Rosenkohl oder was auch immer, es war stets so roh, als hätte man es nur im Vorbeigehen kurz in warmes Wasser getaucht, und schmeckte meistens nach gar nichts. Es ironisch "bißfest" zu nennen, wie es einige Gäste taten, war da ziemlich kompromissbereit. Wenn man allerdings weiß, daß in Norwegen kaum Gemüse angebaut wird, weil dort ab August bereits wieder die Nachtfröste beginnen, wird das Ganze verständlicher.
Glücklicherweise wurden zum Mittags-Buffet zwei bis vier warme Mahlzeiten angeboten, so daß ich mir stets mittags den Bauch vollschlug und das Dinner, den "Firlefanz" wie es mein Bruder nannte, mehr als Showeinlage genoß, denn neugierig war ich natürlich, da die Gänge sich meist viel besser und exotischer anhörten, als sie schließlich waren. Weniger schmackhaft ist in Norwegen, neben Bier und Wein, was ich bereits erwähnte, weiterhin das Brot. Sehr gut waren dagegen die Soßen, auch im Buffetangebot, und die Desserts. Es gab Passagiere, munkelte man, die sich ausschließlich vom Dessertangebot ernährten. Zu jedem Mittagsbuffet fand man bis zu zehn verschiedene Nachtische - Kuchen, Eis, Cremes, Götterspeise, Kompott, Pudding - wenn man sich da durch essen wollte, mußte man sich seine Verdauungsreserven gut einteilen. Reichlich im Angebot waren außerdem Fisch, Kaviar, Meeresfrüchte und exotisches Obst. Zu den Mahlzeiten trank man exzessiv Wasser, denn außer zum Frühstück gab es nur das schiffseigene Wasser kostenlos, welches auf dem Schiff selbst hergestellt und in Plastikkaraffen gereicht wird. Natürlich konnte man auch andere Getränke kaufen,aber bei diesen Preisen überlegte es sich die Mehrheit sehr genau, denn 0,33 l Saft kosten umgerechnet 6 EUR und 0,33 l Bier ungefähr 10 EUR. Daher sagt man wahrscheinlich, Norwegen sei teuer, was man so allerdings nur für Touristen stehen lassen kann. Die Norweger selbst verdienen im Schnitt das Dreifache von dem, was wir verdienen, und unter diesem Gesichtspunkt sind es für die Norweger humane Preise. Daher rührt sicher die Diskrepanz, daß ich für den von uns bezahlten stattlichen Preis den Service doch eher mittelmäßig fand, vergleichbar einem Zwei-Sterne-Hotel. Zudem hatten wir das Pech, daß bei unserer Fahrt nicht einmal kostenlose Wolldecken zur Verfügung gestellt wurden, wie in den Katalogen angekündigt, sondern Decken ebenfalls gekauft werden sollten, wenn man eine benötigte.

Da wir gerade von Pech reden, zwei Tage vor der Reise ereilte mich ein viel größeres, denn ich bekam mal wieder einen Hexenschuß, einen besonders gemeinen. Ich konnte mich nur noch an den Türrahmen klammern mit dem Gedanken, nie wieder irgendeine Bewegung machen zu können, und ließ mich schließlich, als ich nicht mehr klammern konnte, wie ein Käfer auf den Fußboden fallen. Dort versuchte ich mich mit Yogaübungen zu dehnen, um irgendwie auf die Beine zu kommen, allerdings sahen die Übungen mehr aus nach "Überfahrene Katze, die noch nicht ganz tot ist und hilflos herumzappelt". Wenn man so auf allen Vieren herumkriecht, weil das die einzige Fortbewegung ist, die noch geht, hat man wirklich viel Zeit darüber nachzudenken, wie bescheuert die Menschheit doch war, sich auf zwei Beine zu stellen. Ich war total fertig und dachte zuerst, ich muß die Reise sausen lassen. Zum Glück hatte ich diverse starke Schmerzmittel zu Hause, bei denen ich nur schnell schaute, wieviel ich davon nehmen kann, ohne eine Überdosis zu riskieren, und so gedopt gelang es mir doch, die Reise anzutreten und die erste Woche zu überstehen, allerdings wäre es schöner gewesen, sich frei bewegen zu können und beim Sitzen in den Ausflugsbussen und auf dem Sonnendeck nicht ständig den trotz Schmerzmitteln pochenden und ziehenden Nerv zu spüren. Der erste Ausflug am zweiten Tag dauerte gleich acht Stunden, die zum größten Teil aus Sitzen bestanden. Am Ende dieses Ausflugs war mein Rücken total steif, aber irgendwie auch taub, so daß ich scherzhaft zu den anderen sagte, ich hätte meinen Nerv wohl tot gesessen. Ich erzähle das alles nur, um nicht zu viel Neid aufkommen zu lassen. Abgesehen von diesen Unannehmlichkeiten finde ich, daß ich mir das Gute, das mir zur Zeit widerfährt, redlich verdient habe.

Aus oben genannten Gründen kaufte ich mir in Norwegen einen Schmerzbalsam (Pilegrimsbalsam), den ich als Souvenir mit nach Hause brachte, was mich jetzt ärgert, denn leider erinnert mich dieses Souvenir genau an den unschönen Teil der Reise. Wenn der Schmerzbalsam Wunder wirken würde, würde ich ja sofort wieder nach Norwegen fahren, wenn er aufgebraucht ist, aber es ist nur einer von vielen, der höchstens bei kleineren Blessuren etwas nützt. In meinem geführten Reisetagebuch, in welchem man viele Tips für besondere Andenken findet, steht der Vorschlag, man solle von seiner Reise einen beliebigen Hygieneartikel mitbringen und auf jeder weiteren Reise einen neuen Artikel dieser Art kaufen, um eine andere Art der Souvenir-Sammlung aufzubauen. Das heißt, dieser Schmerzbalsam könnte der Beginn einer großartigen Sammlung von Schmerzbalsamen aus aller Herren Länder werden, ganz gewiß eine ganz neue und heilsame Art der Andenken-Sammlung. Aber nein, ich kann mich beherrschen, solch eine Souvenir-Sammlung will ich nicht haben.
Ein etwas schöneres Andenken sind die Handstulpen, die ich mir kaufte, und die glitzernden Steine, die ich am Svaritsen-Gletscher einsammelte. Ich habe den Gletscher komplett abgeräumt, die nachfolgenden Touristen werden sich wundern, weil keine Steine mehr da sind.

Souvenir NorwegenSouvenir Norwegen


Dieses Video ist übrigens rein zufällig am Gletscher entstanden, ich muß wohl auf den Videoauslöser gekommen sein: