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Sonntag, 15. November 2015

Party-Nacht

Wenn ich heute von einer Party-Nacht schreibe, kommt das natürlich nach den Anschlägen in Paris wieder ziemlich blöd rüber, aber mein Bruder kann ja nichts dafür, daß er ausgerechnet gestern 60 geworden ist und gleichzeitig seine Hochzeit gefeiert hat, was bereits Monate im Voraus geplant wurde. Und wenn man dann bei solch einer Gelegenheit Trübsal bläst, ist auch niemandem damit geholfen. Die Feierlichkeit fand im größten Fußballstadion Berlins statt. Da mein allererster Freund FC Union-Fan war, bin ich vor vielen vielen Jahren schon einmal dort gewesen, aber inzwischen ist alles neu gemacht worden. Zuerst gab es einen Sektempfang, allerdings ohne das Geburtstagskind und seine Braut. Es hieß, sie würden sich verspäten, weil die Hochzeit ja für die meisten Gäste eine Überraschung werden sollte. Wir als engste Familie waren sozusagen Geheimnisträger.

Wir marschierten dann zu Rammstein über den Spielertunnel in das Stadion ein und durften auf der Tribüne Platz nehmen. Irgendwann kam das Geburtstagskind und es wurde Happy Birthday gesungen, doch die Braut war immer noch nicht da. Schließlich stapfte sie quer über den Rasen, in ihrem Hochzeitsoutfit, aber mit Turnschuhen, damit der Rasen nicht beschädigt wird, und es fand noch einmal vor allen eingeladenen Gästen eine symbolische Trauung statt. Danach ging es in das Restaurant über der Tribüne, wo alles von dem Veranstalter hübsch in Rot-Weiß dekoriert worden war, sogar mit kleinen Brautgeschenken und Einwegkameras auf allen Tischen.
Nach dem Essen gab es für alle Interessierten eine Führung rund um das Stadion. Wir waren auf der Auswechselbank, in den Umkleiden, den Raum für Pressekonferenzen, der VIP-Lounge und was man noch so besichtigen konnte, immer mit ein paar Anekdoten geschmückt. Darauf ging es mit Musik und Tanzen weiter. Ich setzte mich erst mal zu dem schwulen Pärchen, die ich schon seit einigen Jahren nicht mehr gesehen hatte und bekam mit, daß es wegen der Überraschungshochzeit einige Aufregung gab, weil sich mein Bruder Geldgeschenke gewünscht hatte und nun etliche ihre Umschläge mit dem Geld wiederhaben wollten, weil sie meinten, es sei zu wenig darin. Auch bei dem Pärchen kam es deshalb zu einer Diskussion, aber ich konnte sie davon überzeugen, daß das Hochzeitspaar seine Hochzeit anders gefeiert hätte, wenn sie große und viele Geschenke hätten haben wollen.

Als Musik gab es anfangs nur Schluchzwalzer, Roland Kaiser und jemand, der auf einer Gitarre Schlaflieder klimperte. Also nicht wirklich Schlaflieder, sondern gecoverte Songs, aber es wirkte zumindest auf mich einschläfernd. Zwischendurch spielte die Band etwas Live-Musik, mein Bruder mußte ebenfalls ran. Doch es kam zum Glück auch noch etwas flottere Musik für meine Generation, aber da meine Generation in der Minderzahl war, befand ich mich größtenteils allein auf der Tanzfläche. Der DJ bezeichnete mich als seinen treuesten Fan. Später stieß jedoch noch ein Musiker aus der Band dazu, mit dessen Frau ich mich zwar bereits häufiger unterhalten hatte, aber erst jetzt stellten wir fest, daß wir beide gerne tanzen. So hatte ich jetzt eine Tanzpartnerin und war nicht mehr ganz alleine. Sie meinte zu mir nach nur zwei Tänzen, man merke, daß ich Zumba tanze, weil ihr schon die Schweißperlen im Gesicht standen, während bei mir nichts zu sehen war.
Zwischendurch sollten wir einen Jungfernkranz tanzen, d.h. alle unverheirateten Damen tanzten an den Händen angefaßt im Kreis um das Brautpaar herum, bis die Braut den Brautstrauß wirft. Da wir aber so wenige unverheiratete Damen waren, tanzten auch noch Männer mit und einer konnte seine Griffel nicht vom Brautstrauß lassen, so daß wir noch einmal tanzen mußten. Wieder ging es rechtsherum und linksherum, ich dachte das Ringelreihen nimmt gar kein Ende mehr. Der Brautstrauß flog beide Male in eine völlig andere Richtung von mir.
Die Gruppe, mit denen ich im Taxi zurückfahren sollte, wollte leider schon los, als noch die beste Musik lief, doch meine Tanzpartnerin überredete ihren Mann, mich im Auto mitzunehmen, da wir nicht weit voneinander entfernt wohnen, und so blieb ich mit ihnen bis früh um 3 Uhr zum letzten Lied, als die Veranstalter bereits ab- und aufräumten. Unterwegs tauschten wir noch Emailadressen aus, weil wir feststellten, daß man eigentlich öfters mal tanzen gehen sollte.

Nach einem kurzen Schlaf hatte ich riesigen Appetit auf Matjesheringe, obwohl ich gar nicht viel getrunken hatte, also öffnete ich mir zum Frühstück, bzw. Mittagessen eine Dose Sardinen, da ich Matjesheringe nicht vorrätig habe. Doch dafür, daß ich mich verkatert fühle und wenig geschlafen habe, sehe ich noch erstaunlich gut aus, auch meine Haut. Auf der Feier gab es wieder einige, die mir nicht abkaufen wollten, daß ich 45 bin und ich wurde von einer Frau gefragt, was ich mache, daß ich so jung aussehe. Ob ich viel schlafe? Ich antwortete, daß ich das heute ganz sicher nicht tue und zuckte ansonsten mit den Schultern. Aber wenn ich mich jetzt so anschaue, kann es eigentlich nur am Tanzen liegen. Dennoch ist mein Bedarf an Zumba für heute gedeckt und auch das Wetter ist mehr geeignet um abzuchillen, mit Schweizer Kräutertee Orange-Minze aus dem Adventskalender und Rosinenstollen, und um mit meinem neuen Haustier zu spielen. Seit ungefähr drei Wochen krabbelt nun schon ein Mariechenkäfer in meinem Badezimmer herum und schaut mir beim Duschen zu. Ich weiß gar nicht, wovon der sich die ganze Zeit ernährt. Wasser hat er da genug, aber sonst?

Party2
Die Braut marschiert ins Stadion ein

Party3
Hier werden die Schuhe gewechselt

Party1

Party6
Unsere Party-Location von der anderen Seite

Party8
Der Pressekonferenzsaal

Party4

Party7
Das Fenster bei den VIP-Bereichen