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Es gab alle möglichen Arten von Festen, — auch naive, blühende Tulpenfeste. Die Farbwirkung jeder einzelnen Tulpe wurde noch durch eine leuchtende Lampe verstärkt. Der Sammelglanz dieser Blumenbeete erfreute den Sultan und seine Frauen und ward bestimmend für die Züchtung der Tulpen, deren türkische Exemplare alle ändern Landesschwestern in den Schatten stellten. Als ein Niederländer sie in sein Land verpflanzte, bekam die Gattung einen vom Turban hergeleiteten Namen.
Neue Feste gaben die Möglichkeit zu neuen Würden, und unter dem Sultan Achmed III. gab es einen eigenen »Blumenmeister«, Schüküfedschibaschi, der quasi die Oberherrschaft über alle Blumen und Blumenbestimmungen hatte. Ihm wurde ein kunstvoll gezeichnetes Diplom ausgestellt, dessen Ende in blumenreicher Sprache zu folgenden Blütenpflichten ermahnte: »Daß alle Blumenerzeuger den Vorzeiger als sultanlich beglaubigtes Oberhaupt jeglicher Blumen anerkennen mögen. Sie müssen seinem bestimmenden Wort das geöffnete Auge der Narzisse entgegenbringen, das dufthörige Ohr der Rose. Die Zehnzüngigkeit der Lilie dürfen sie ihm gegenüber nicht in Anwendung bringen. Auch müssen sie darauf achten, daß die unschicklichen Reden der ragenden Granatapfelpflanzen nicht ihre Zunge beschwere, sondern sie mögen mit geschlossenem Munde, der Rosenknospe gleich, seine Befehle anhören und befolgen und nicht wie die frühzeitig blauende Hyazinthe zur Unzeit sprechen. Dem Veilchen gleich sollen sie sich bescheiden und demütig neigen und sich seinen Anordnungen nicht widerspenstig erweisen.«
Unter der Herrschaft Achmeds III. entsteht eine Blumenepoche, die sogar auf Teppiche übergreift und sie mit hochgestickten Rosen bestreut, deren Tau Diamanten bilden. Bei prunkvollen Empfängen verlieren sie nichts von ihrer Frische, wenn rotbestiefelte großherrliche Füße auf sie treten. Blumen und Stickereien lenken dieses Sultanat in friedliche, beschauliche Bahnen. Von mannigfaltigen Singvögeln umzwitschert, sitzt der Sultan in frauenumgebener, häuslicher Behaglichkeit, verwöhnt und geliebt, und seine Hand zieht gemächlich Faden um Faden in bunter Fülle durch Brokate und Damaste, bedeckt sie mit farbigem Blumenflor: Der Sultan stickt — und der Großwesir regiert. Aber Herrscher können nicht einmal ungestraft sticken — diese traumhafte Beschäftigung kann das gewohnte Würgen und Töten nicht ersetzen. Aus diesem fadenlangen Frieden erhebt sich der Aufruhr, den Ruhe- und Blumenliebenden weht der Sturm der Empörung von seinem Thron, und es ist kein dankbarer Blütenschauer, dem er weichen muß. Die bösartige Nachfolge Achmeds III. zerstört alles, was ein Mann geschaffen hatte, der für Frauen, Blumen, Feste und stickende Behaglichkeit soviel Verständnis besaß. Die langen Reihen heller Kioske, die, von Blütenbeeten umringt, an den Ufern des Bosporus Aufenthaltsorte zärtlichen Glückes waren, fallen der Zerstörung anheim. Die Verachtung vernichtet auch die Stickerei und ihr Gewerbe - von ihr geht der Haß auf die Frauen über.
(aus "Harem - Erinnerungen der Prinzessin Djavidan Hanum, frühere Gemahlin des Khediven von Ägypten")
Der stickende Sultan gefällt mir, war aber leider nur eine Eintagsfliege und hat sich unter Sultanen nicht durchgesetzt. Ansonsten hätten wir heute wohl eine völlig andere islamische Welt.
Neue Feste gaben die Möglichkeit zu neuen Würden, und unter dem Sultan Achmed III. gab es einen eigenen »Blumenmeister«, Schüküfedschibaschi, der quasi die Oberherrschaft über alle Blumen und Blumenbestimmungen hatte. Ihm wurde ein kunstvoll gezeichnetes Diplom ausgestellt, dessen Ende in blumenreicher Sprache zu folgenden Blütenpflichten ermahnte: »Daß alle Blumenerzeuger den Vorzeiger als sultanlich beglaubigtes Oberhaupt jeglicher Blumen anerkennen mögen. Sie müssen seinem bestimmenden Wort das geöffnete Auge der Narzisse entgegenbringen, das dufthörige Ohr der Rose. Die Zehnzüngigkeit der Lilie dürfen sie ihm gegenüber nicht in Anwendung bringen. Auch müssen sie darauf achten, daß die unschicklichen Reden der ragenden Granatapfelpflanzen nicht ihre Zunge beschwere, sondern sie mögen mit geschlossenem Munde, der Rosenknospe gleich, seine Befehle anhören und befolgen und nicht wie die frühzeitig blauende Hyazinthe zur Unzeit sprechen. Dem Veilchen gleich sollen sie sich bescheiden und demütig neigen und sich seinen Anordnungen nicht widerspenstig erweisen.«
Unter der Herrschaft Achmeds III. entsteht eine Blumenepoche, die sogar auf Teppiche übergreift und sie mit hochgestickten Rosen bestreut, deren Tau Diamanten bilden. Bei prunkvollen Empfängen verlieren sie nichts von ihrer Frische, wenn rotbestiefelte großherrliche Füße auf sie treten. Blumen und Stickereien lenken dieses Sultanat in friedliche, beschauliche Bahnen. Von mannigfaltigen Singvögeln umzwitschert, sitzt der Sultan in frauenumgebener, häuslicher Behaglichkeit, verwöhnt und geliebt, und seine Hand zieht gemächlich Faden um Faden in bunter Fülle durch Brokate und Damaste, bedeckt sie mit farbigem Blumenflor: Der Sultan stickt — und der Großwesir regiert. Aber Herrscher können nicht einmal ungestraft sticken — diese traumhafte Beschäftigung kann das gewohnte Würgen und Töten nicht ersetzen. Aus diesem fadenlangen Frieden erhebt sich der Aufruhr, den Ruhe- und Blumenliebenden weht der Sturm der Empörung von seinem Thron, und es ist kein dankbarer Blütenschauer, dem er weichen muß. Die bösartige Nachfolge Achmeds III. zerstört alles, was ein Mann geschaffen hatte, der für Frauen, Blumen, Feste und stickende Behaglichkeit soviel Verständnis besaß. Die langen Reihen heller Kioske, die, von Blütenbeeten umringt, an den Ufern des Bosporus Aufenthaltsorte zärtlichen Glückes waren, fallen der Zerstörung anheim. Die Verachtung vernichtet auch die Stickerei und ihr Gewerbe - von ihr geht der Haß auf die Frauen über.
(aus "Harem - Erinnerungen der Prinzessin Djavidan Hanum, frühere Gemahlin des Khediven von Ägypten")
Der stickende Sultan gefällt mir, war aber leider nur eine Eintagsfliege und hat sich unter Sultanen nicht durchgesetzt. Ansonsten hätten wir heute wohl eine völlig andere islamische Welt.
zuckerwattewolkenmond - So, 00:01