scheint mich zu verspotten. Von allen Seiten dieselbe Nummer und anscheinend ohne jede Probleme. So langsam frage ich mich, warum ich mir eigentlich so viele Gedanken um etwas gemacht habe, das gar nicht so unüblich und scheiterungsschwanger ist.
Die Deutschen scheinen keine Angst davor zu haben, ein Wort zu wiederholen, wenn es das richtige ist. Sie wiederholen es sogar mehrmals, wenn sie wollen. Das ist klug. Aber wenn wir im Englischen ein Wort in einem Absatz mehrmals verwendet haben, bilden wir uns ein, tautologisch zu werden, und dann sind wir so schwach, daß wir es gegen irgendein anderes Wort auswechseln, das der genauen Bedeutung nur nahekommt, um dem zu entgehen, was wir fälschlich für den größeren Makel halten. Wiederholung mag schlecht sein, aber bestimmt ist Ungenauigkeit schlimmer.
Es gibt in der Welt Leute, die sich ziemlich viel Mühe geben, die Mängel an einer Religion oder Sprache aufzuzeigen, und dann gelassen ihrer Wege gehen, ohne Abhilfe vorzuschlagen. Ich bin kein Mensch dieser Art. Ich habe bewiesen, daß die deutsche Sprache reformbedürftig ist. Nun gut, ich bin bereit, sie zu reformieren. Zumindest bin ich bereit, die geeigneten Vorschläge zu machen. Ein solches Vorgehen wäre bei jemand anderem unbescheiden; aber ich habe alles in allem mehr als neun Wochen einem gewissenhaften und kritischen Studium dieser Sprache gewidmet und daraus ein Zutrauen zu meiner Fähigkeit gewonnen, sie zu reformieren, das mir eine bloß oberflächliche Bildung nicht hätte verleihen können.
An erster Stelle würde ich den Dativ fortlassen. Er bringt die Plurale durcheinander; und außerdem weiß man nie, wann man sich im Dativ befindet, wenn man es nicht zufällig entdeckt - und dann weiß man nicht, wann oder wo man hineingekommen ist, wie lange man schon drin ist oder wie man jemals wieder herauskommen soll. Der Dativ ist nur eine närrische Verzierung - es ist besser, ihn aufzugeben.
Als nächstes würde ich das Verb weiter nach vorn schieben. Man kann mit einem noch so guten Verb laden, ich stelle doch fest, daß man bei der gegenwärtigen deutschen Entfernung nie wirklich ein Subjekt zur Strecke bringt - man verletzt es nur. Deswegen bestehe ich darauf, daß diese wichtige Wortart an einen Punkt vorgeschoben wird, wo sie mit bloßem Auge leicht zu erkennen ist.
Drittens würde ich einige kräftige Wörter aus der englischen Sprache importieren - zum Fluchen und auch, um alle Arten kräftiger Dinge kräftig auszudrücken. (Anmerkung: „Verdammt" und seine Abwandlungen und Erweiterungen sind Wörter, denen viel Bedeutung innewohnt, aber der Klang ist so mild und wirkungslos, daß deutsche Damen sie gebrauchen können, ohne sich zu versündigen. Deutsche Damen, die man durch keinerlei Überredung oder Zwang dazu bringen könnte, eine Sünde zu begehen, stoßen sofort eines dieser harmlosen kleinen Wörter aus, wenn sie ihr Kleid zerreißen oder die Suppe ihnen nicht schmeckt. Es klingt ungefähr so verrucht wie unser „My gracious!" Deutsche Damen sagen immerzu "Ach Gott!", „Mein Gott!", "Gott im Himmel!", "Herrgott!'" "Herr Jesus!“ und so weiter. Vielleicht glauben sie, unsere Damen hätten denselben Brauch, denn ich habe einmal eine freundliche und liebe alte deutsche Dame zu einem reizenden, jungen amerikanischen Mädchen sagen hören: "Die beiden Sprachen sind sich so ähnlich - wie nett; wir sagen „Ach Gott!" und Sie sagen ,Goddam!").
Viertens würde ich die Geschlechter reorganisieren und sie entsprechend dem Willen des Schöpfers verteilen. Dies als Ehrfurchtsbeweis, wenn schon nichts anderes.
Fünftens würde ich diese großmächtigen, langen, zusammengesetzten Wörter beseitigen; oder den Sprecher auffordern, sie in Abschnitten vorzubringen, mit Pausen zum Einnehmen von Erfrischungen. Das beste wäre, sie gänzlich zu beseitigen, denn Ideen werden leichter aufgenommen und verdaut, wenn sie einzeln kommen, als wenn sie in einem Haufen anrücken. Geistige Speise ist wie jede andere; es ist angenehmer und bekömmlicher, sie mit einem Löffel einzunehmen, statt mit einer Schaufel.
Sechstens würde ich einen Sprecher auffordern, aufzuhören, wenn er fertig ist, und seiner Rede nicht eine Girlande dieser unnützen „haben sind gewesen gehabt haben geworden seins“ an den Schwanz zu hängen. Kinkerlitzchen dieser Art entehren eine Rede, statt ihr einen zusätzlichen Reiz zu verleihen. Sie sind daher ein Ärgernis und sollten verworfen werden.
Siebentens würde ich die Parenthese abschaffen. Ebenso die Unterparenthese, die Unterunterparenthese und die Unterunterunterunterunterunterparenthesen sowie die abschließende, weitreichende, allumfassende Hauptparenthese. Ich würde von jedem einzelnen, hoch oder niedrig, verlangen, daß er eine einfache, gradlinige Erzählung entwickle oder aber sie zusammenwickle, sich darauf setze und still sei. Übertretungen dieses Gesetzes sollten mit dem Tode bestraft werden.
Und achtens und letztens würde ich „Zug“ und „Schlag“ mit Ihren Anhängseln beibehalten und den Rest des Vokabulars verwerfen. Das würde die Sache vereinfachen.
Nun habe ich angeführt, was ich als die notwendigsten und wichtigsten Änderungen betrachte. Man kann wohl kaum erwarten, daß ich umsonst noch mehr nennen würde; aber es gibt weitere Vorschläge, die ich machen kann und werde, falls meine beabsichtigte Bewerbung zur Folge hat, daß ich von der Regierung in aller Form dazu angestellt werde, die Sprache zu reformieren.
Meine philologischen Studien haben mich davon überzeugt, daß ein begabter Mann Englisch (ausgenommen Rechtschreibung und Aussprache) in dreißig Stunden lernen kann, Französisch in dreißig Tagen und Deutsch in dreißig Jahren. Es hegt also auf der Hand, daß die letztgenannte Sprache gestutzt und ausgebessert werden muß. Wenn sie so bleiben sollte, wie sie ist, müßte man sie sanft und ehrerbietig bei den toten Sprachen absetzen, denn nur die Toten haben Zeit, sie zu lernen.
(aus "Bummel durch Europa" von und mit Mark Twain)