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Donnerstag, 8. April 2010

Der neue Physiotherapeut

Gut gelaunt betrete ich das Gebäude des Gesundheitsvereins. Sofort empfängt mich die Kursleiterin mit einem seltsamen Blick an der Anmeldung und der Mitteilung, daß der Sport heute ausfällt. Sie hätte den ganzen Tag versucht, mich anzurufen. Ich erkläre, daß ich das Handy nur vormittags an hatte und sie mich deshalb nicht erreicht hat. Während ich mit ihr rede, fällt mir das erste Mal auf, wie alt sie wirklich ist. Ihr Alter muß mindestens 70 oder 80 sein, denn das Gesicht ist über und über mit feinen Fältchen überzogen, ebenso die Hände, und ihre Haare sind eigentlich grau statt blond. Trotzdem sind die Fingernägel rot lackiert. Für ihr Alter wirkt sie auf den ersten Blick ziemlich jugendlich, aber auch, wenn man das Alter erkennt, ist sie nicht unattraktiv. Ich bin etwas enttäuscht, umsonst gekommen zu sein, doch da tritt die jüngere Assistentin heran und teilt mir mit, wenn ich schon hier sei, könne ich gleich meinen neuen Physiotherapeuten kennenlernen und gerne auch eine erste Behandlung bekommen. Ein neuer Physiotherapeut? Davon weiß ich noch gar nichts. Aber gut, ich erkläre mich einverstanden. Sie weiht mich darin ein, daß ich mit ihm Französisch sprechen müsse, was gleichzeitig dazu dient, meine Kenntnisse darin aufzufrischen. Ach Herrje! Vom Französisch, das ich beim Abitur lernte, beherrsche ich höchstens noch Brocken. Andererseits ist es natürlich sehr praktisch, mit den Behandlungen ebenfalls gleich die Französischkenntnisse aufzufrischen. Mein neuer Physiotherapeut tritt in den Empfangsraum und ich bin angenehm überrascht. Ein Bild von einem Mann, groß, mittelblond mit grauen Schläfen und muskulös - da er nur einen weißen Slip trägt, ist der Körper gut zu erkennen - und außerdem stark behaart an Händen, Brust und Beinen. Genau mein Typ irgendwie, was mir aber eher Sorgen macht. Deshalb bin ich auch etwas verkrampft, als ich mit ihm in ein Behandlungszimmer gehe. Dazu kommt, daß ich krampfhaft nach französischen Vokabeln suche. Doch die Kommunikation scheint ebenso ohne diese zu funktionieren. Er beginnt mich zu massieren und seine Hände sind gigantisch. Sowohl von so viel Kraft, daß sie mich geradezu zu durchdringen scheinen, ebenso wie ihre sinnliche Wärme, die durch mich hindurchstrahlt, aber auf der anderen Seite von einer gewissen Sanftheit, die über allen Handlungen liegt. Ich entspanne von Sekunde zu Sekunde mehr, drifte kurzzeitig immer wieder in einen dunklen Schlaf, der sich sehr heilsam anfühlt, und stelle beim Aufwachen überrascht fest, daß mir alle französischen Vokabeln wieder einfallen, als hätte ich sie nie vergessen.

...

Aus blutigen Schwanenfedern
strickst du dein Lügennetz,
wähnst mich darin gefangen,
doch du weißt noch nicht,
daß mein wahrer Gefährte
der raumzeitlose Falke ist.
Hoch über den Nebeln fliegt er,
scharfsichtig späht er,
Hüter des Waage-Rechts,
stößt nieder auf meinen Ruf
und bringt mir das Aas
deines entseelten Lebens.