Ich wurde in die Heimat der deutschen Sprache hineingeboren. Das ist etwas, was ich ganz selten, wirklich selten, bedauere, denn die deutsche Sprache ist etwas dünkelhaft und unterscheidet in der Anrede zwischen "Du" und "Sie". Solches bereitet mir gerne Probleme, die ich nicht hätte, wäre ich z.B. im englischen Sprachraum geboren worden. Nur deshalb auszuwandern wäre allerdings lächerlich und wahrscheinlich ist das Problem gar nicht die Sprache, sondern es liegt an mir, wenn ich so gerne ein Problem daraus mache. Vielleicht geht es ja anderen absolut nicht so, daß sie drei Tage unentwegt, wie ich gerade, darüber nachdenken, wie sie jemanden am Telefon bei einem einigermaßen privaten, aber auch nicht zu privatem Gespräch anreden, den sie noch nicht persönlich kennen und der nur unwesentlich älter ist. Wie ich mich kenne, endet die ganze Sache damit, daß ich gar nicht erst anrufe, mir aber trotzdem tagelang den Kopf zermartert habe. Auch scheinen viele zwar durchaus Wert auf die unterschiedlichen Anreden zu legen, aber weniger auf den Knigge, nach welchem immer die ältere Person der jüngeren das "Du" anbietet. Mir selbst wäre es ja ziemlich egal, aber woran erkennt man, ob jemand dem Herrn Knigge zugeneigt ist und sich von lockeren Umgangsformen auf den Schlips getreten fühlt? Oder ob es genau umgekehrt ist und derjenige es eher unangenehm findet, wenn man zu höfliche und korrekte Umgangsformen an den Tag legt? Überhaupt waren das noch Zeiten in den Anfängen des Internets, als es unter den Internetpionieren die strenge Regel in der Nettiquette gab, daß man sich online generell mit "Du" anzureden habe. Siezen war hochgradig verpönt. Aber heutzutage weiß man nicht einmal mehr im Internet, wen man Duzen darf und wen man lieber Siezen sollte, zumal hier oft auch die äußerlichen Erkennungsmerkmale, die bei dieser Entscheidung normalerweise unterstützend wirken, fehlen. Mir scheint, wir Deutschen lieben es kompliziert.
"30 EUR Belohnung für Schlaf" statt "30 EUR Belohnung für Schuhkauf" verlas ich mich gerade.
Wenn ich für Schlaf belohnt werden würde, wäre ich in nullkommanix Millionär. Als ich heute mit meiner ehemaligen Mitpatientin telefonierte, unterhielten wir uns auch über die Müdigkeit. Ich könnte tatsächlich jeden Tag zwölf Stunden und mehr schlafen, mache es aber nicht immer, obwohl ich darf, weil ich es doof finde, wenn der Tag so kurz ist. Wenn ich allerdings zwei oder drei Tage hintereinander "nur" 8 Stunden geschlafen habe, fühle ich mich schon, als hätte mich ein Panzer überrollt und als würde ich gleich auf der Stelle tot umfallen, was ich besorgniserregend finde, denn eine normale Zeiteinteilung wie früher ist so überhaupt nicht möglich. Auch ist es schwer, einen irgendwie vernünftigen Rhythmus zu finden. Inzwischen versuche ich es mit einem Rhythmus, bei dem ich einen Tag früh, also nach 7-8 Stunden, aufstehe und den Tag darauf den fehlenden Schlaf wieder nachhole, so daß das Defizit sich nicht über mehrere Tage sammelt und mich aus der Bahn wirft. So habe ich immer im Wechsel einen "ganzen" und einen "halben" Tag. Lieber hätte ich nur "ganze" Tage, denn ich mag das sensationelle Gefühl, wenn früh ein wirklich langer Tag vor mir liegt, den ich mit Leben füllen darf, wie ich es möchte. Allerdings macht das auch nur wirklich Sinn, wenn man vor Müdigkeit nicht gleich wieder umkippt. Irgendwann beginnt man bei so viel Müdigkeit an sich zu zweifeln, und hält sich für eine Schlaftablette. Tanzen, vor allem Salsa mit dem schnellen Rhythmus, und Sport helfen zwar, um munterer zu werden, aber auch nur stundenweise. Meine Mitpatientin, die ebenfalls von Müdigkeit geplagt wird, meinte, sie hätte gelesen und von ihrer Ärztin gehört, daß die Müdigkeit, medizinisch Fatigue genannt, noch bis mehrere Jahre nach der Behandlung andauern kann. Gut zu wissen, dann bin ich ja doch völlig normal. Wahrscheinlich bringt es einfach nichts, das Leben vor dem Jahr K mit dem Leben nach dem Jahr K zu vergleichen. Aber wenn ich so höre, was manche Patientinnen für große Probleme mit ihrem Arm haben, bin ich darüber sehr froh, wie die Sache mit den Lymphknoten bei mir abgelaufen ist und ich so noch die Chance hatte, sie behalten wollen zu dürfen. Bis auf zwei davon, die ich als Opfergabe dankend der Wissenschaft überließ.
Meine ehemalige Mitschülerin U. vertraut mir ihren Kummer an, daß niemand sie mag. Das kann ich ja nun überhaupt nicht glauben, da sie doch immer der Liebling von allen ist, etwas, worum ich sie manchmal ein bißchen beneidet habe. Um sie zu trösten, streichel ich ihr über die Schulter und sie wird dabei ganz klein und zerbrechlich. R., ebenfalls ein ehemaliger Mitschüler, folgt mir überall hin und scheint meine Nähe zu suchen. Ich halte nun eine Schachtel in der Hand, in welche ich seine Zigarettenpackungen getan habe. Diese habe ich an mich genommen, um ihm die Zigaretten künftig zuzuteilen und er hat nichts dagegen. Wie er so neben mir steht, ist er auf einmal ein kleiner Junge mit einer verschmierten Nutella-Nase geworden. Wie putzig!
Mit meiner Familie reise ich in das Heimatdorf, um dort Ahnenforschung zu betreiben. Dies haben wir bereits einmal getan und während des Aufenthalts einige Interviews mit Leuten aus dem Dorf geführt. Es ist herrlichstes Wetter, die Sonne brennt heiß auf uns herab und wir überlegen, was wir nun am heutigen Tag unternehmen. Ich würde lieber herumstreifen, aber stattdessen landen wir in einem Hof, wo wir von einem Mann mit Brille in Empfang genommen werden. Dieser führt uns zu einem Portal, hinter dem ein großer Saal liegt, in welchem eine Veranstaltung stattfindet. Wir werden von dem männlichen Türöffner einzeln eingelassen, indem jeweils nur einer eintreten darf und die Tür wieder geschlossen wird, wobei der Türöffner laut den jeweiligen Namen in den Saal ruft. Vor mir ist gerade eine Person, die mit lautem Applaus und Jubel empfangen wird. Selbst hinter dem geschlossenen Portal hört es sich an, als würden tausende von Menschen im Saal toben. Wie ich dem gerufenen Namen entnehme, ist es wohl irgendein bekannter König oder Fürst, von dem ich dachte, daß es ihn gar nicht mehr gibt. Inzwischen schlottern mir die Knie, denn so viel Aufmerksamkeit bin ich nicht gewöhnt. Lieber würde ich mich wie ein Mäuschen in den Saal schleichen. Doch jetzt bin ich an der Reihe. Konzentriert starre ich auf meinen Schuh, als ich die Schwelle überschreite. Nur nicht stolpern! Wie zu erwarten fällt bei mir und der restlichen Familie der Applaus eher sehr verhalten aus. Schließlich sind wir weder berühmt noch bekannt. Wahrscheinlich wird nur geklatscht, weil die berühmte Person zu unserer Gruppe gehört und wir zusammen mit ihr eintreten. Dennoch erhalten meine Mutter und ich Plätze in der VIP-Lounge. Diese besteht aus zwei Stühlen, welche nicht normal in der Reihe mit den anderen stehen, sondern seitlich mit Blick zur Wand. Vor ihnen ein billiger weißer Plastiktisch mit zwei gefüllten Sektkelchen.