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Die Chemo macht mich fertig. Nach der ersten denkt man noch, ok, mußt du halt durch, und überhaupt ist das Kotzen ja nichts Neues. Vom Tramadol kenn ich das schon. Nach dem zweiten Mal denkt man, man wird dieses Übelkeitsgefühl überhaupt nie mehr los und vergessen, aber auch nicht den Geruch nach Infusionen, der erneut Übelkeit verursacht. Ich rieche die Infusionen sogar in meiner Haut, das Schnuppern an meiner Haut verursacht Übelkeit. Ich rieche ständig Infusionen. Vielleicht ist das Einbildung, denn mein Mund ist taub und meine Fingerspitzen sind taub, also müßten theoretisch auch meine Geruchsnerven taub sein, aber ich rieche trotzdem und wenn es ein Phantomgeruch ist. Auch der Gedanke daran Wasser zu trinken, verursacht Übelkeit, ebenso der Geruch von Wasser. Immerhin sind ebenfalls die Rückennerven einigermaßen taub, so daß ich kurz nach der Chemo nicht so starke Rückenschmerzen habe, die aber trotzdem stetig zunehmen. Wahrscheinlich weil ich die ersten zwei Tage nach der Chemo nur wie ein Stein seitlich zusammengerollt auf der Couch liegen kann und es nicht einmal schaffe, mich zuzudecken wenn mir kalt ist. Neben dem Rücken schmerzen aber auch die Leber und die Nieren, im Brustbein zwickt es und überhaupt fühlt man sich mehr tot als lebendig. Mein Blutdruck, sonst nach einer schweren Virusgrippe eher grenzwertig, sinkt mit jeder Chemo stetig, dümpelt zur Zeit bei 105/68 herum, und ist wahrscheinlich, wenn er so regelmäßig weiter sinkt, nach der vierten Chemo bei 80/28, also fast bei scheintot. Das führt nicht nur zu Antriebslosigkeit, sondern auch zu massiver Gehirnleere, so daß es bereits zu einer Anstrengung wird, irgendeinen intelligenten Satz zu schreiben. Das ist vielleicht dasselbe Prinzip wie bei Männern, denen das Blut in den Schw... sackt, nur daß es bei mir irgendwo anders versickert, zum Teil in Laborröhrchen. Jetzt verstehe ich auch, warum als Spätschaden von Chemos Gehirnleistungsstörungen angegeben werden. Liegt wohl an der Unterversorgung. Jedenfalls hoffe ich, daß der niedrige Blutdruck nicht schon das erste Anzeichen einer Herzschwäche ist, einer häufigen Nebenwirkung der Chemo. Vielleicht bin ich etwas hypochondrisch, aber ich finde, in meiner Situation und bei meinem "Glück" habe ich das zutiefst verdiente Recht hypochondrisch zu sein. Nach der dritten Chemo denkt man nur noch - ich will nicht mehr! Ich fühle mich wie eine Sarah in einer endlos langen Alptraum-Dschungelprüfung, möchte ständig sagen - nein, das mach ich nicht, und gegen das fiese Schicksal-Publikum anbocken. Nee, ich bin kein Kämpfer, war ich noch nie, ich bin ein heulendes Häufchen Sarah-Elend, aber leider kein Star und niemand holt mich hier raus. Und ich habe es satt, mir dauernd von irgendwelchen Leuten sagen zu lassen, was ich tun, wie ich denken, was ich essen und wie ich mich verhalten sollte...
Fortsetzung folgt
Fortsetzung folgt
zuckerwattewolkenmond - Sa, 22:13
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