Der Klinikmoloch
hat mich wieder ausgespuckt. Ich habe zwar auch von anderen Seiten gehört, daß dies eine der besseren Kliniken ist, es gibt viele bemühte Schwestern und Ärzte, es wird sogar selbst gekocht, so daß das Essen genießbar ist, aber Maschinerie bleibt Maschinerie. Die Chirurgen operieren in zwei Schichten und wenn es spät abends ist und sie keine Lust oder keine ruhige Hand mehr haben, wird halt schnell mal ein Bauchschnitt gemacht, statt, wie vorgesehen durch den Bauchnabel zu operieren, so geschehen bei einer "Mitinsassin", welche vorher noch stundenlang ohne Essen und Trinken auf die Operation warten mußte. Bei mir haben sie bei der ersten Operation den Port vergessen, so daß ich am Tag darauf gleich noch einmal unter das Messer mußte und am selben Tag auch die Chemotherapie bekam. Man denkt, sowas überstehen nur Pferde, vielleicht habe ich ja eine Pferdenatur, jedenfalls wurde bei einer Patientin, die am gleichen Tag mit der gleichen Diagnose ins Krankenhaus kam, beide Operationen mit einem Mal vorgenommen und trotzdem mußte sie noch länger im Krankenhaus bleiben, um auf ihre Chemo zu warten. Dieselbe Patientin hatte sogar ein Einzelzimmer, was sie erst sehr verwunderte, allerdings wurde der Haken daran bald klar: in der Nähe lag eine demente Patientin, welche dauernd lauthals herumrandalierte. In meinem 4-Bett-Zimmer direkt gegenüber der Küche und an der Eingangstür zur Station, war es natürlich nicht besser. Immerhin war das Zimmer nur am ersten Tag voll belegt, danach waren wir zu zweit, mit einigen "Zwischengelagerten", die am selben Tag wieder verschwanden. Am ersten Tag war jedoch sowieso noch nicht viel mit ausruhen, denn da wurde ich überall in der Klinik herumgeschickt und mit der obigen Leidensgenossin bis in die Charite und wieder zurückgefahren. Ein wenig fühlte ich mich an Kafkas "Das Schloß" erinnert, wenn ich erst dahin, dann dorthin geschickt wurde - überall saßen neue Menschlein in ihren medizinischen Kämmerchen und schauten mich über ihre Brille hinweg an. Beim Lungenröntgen wurde mir mitgeteilt, daß ich eine sehr lange Lunge hätte und dies bei künftigen Röntgenterminen sagen soll, damit die Platte hochkant genommen wird. Dann zum EKG und zur Anästhesieärztin. Ins Taxi verfrachtet und zur Nuklearmedizin, wo zwei Ärzte mir irgendein strahlendes Zeug in die Brustwarze spritzten, während ich auf einer so schmalen Pritsche lag, daß mir gar nicht klar ist, wie sie wohl korpulentere Typen als mich dort verarzten. Der Arzt hörte gar nicht mehr auf in meine Brustwarze zu pieken, so daß mir auf der Zunge lag, er soll mir doch gleich ein Brustwarzenpiercing verpassen, wenn er schon dabei ist. Ja, am ersten Tag war mir noch nach Scherzen zumute, das sollte sich aber schnell legen. Und die beiden Ärzte sahen nicht so aus, als ob sie den Scherz verstanden hätten. Dafür scheinen aber die meisten Schwestern in der Charite mit original Berliner Mutterwitz gesegnet zu sein. Überhaupt hätte ich nie gedacht, daß ich bei meiner Körbchengröße einmal den Spitznamen "die Brust" tragen würde. Doch genauso wurde ich genannt. Schon die Stationsärztin kam noch einmal auf den letzten Termin zu sprechen, als sie mich für eine gynäkologische Untersuchung auf die Toilette schicken wollte, aber dann an meinem Gesicht gesehen hat, wie sie meinte: "Upps, das muß wohl eine Brust sein." Später in der Zentral-Sterilisation/Zentral-OP, während man noch in den grün gekachelten Vorhöllen der Anästhesisten liegt, hört man im Hintergrund aus dem Flur Rufe wie: "Drei Gebärmütter, zwei Eierstöcke, ein Abdomen, eine Brust..." usw. usf. Dort in dieser Vorhölle am zweiten Tag, war eine sehr nette Anästhesieschwester, welche mich aus klugen, wachen und gütigen Augen durch eine Brille hinweg aufmerksam ansah, an den Ohren zwei blitzende Straßblüten, und mir erzählte, wie erschreckend es doch sei, wieviele Leute bereits Drogenerfahrungen gemacht hätten und so kurz vor der Operation Angst um ihr Leben bekämen und beichten. Vermutlich wollte sie mich animieren, ebenfalls zu beichten, vielleicht, weil ich wie ein Junkie aussehe, den Gefallen konnte ich ihr allerdings nicht tun. Der Narkosearzt, der dann kam, hatte Augenränder groß wie Wagenräder und sah aus, als sei er gerade selbst aus dem Koma erwacht. Danach folgte der schönste Teil meines Krankenhausaufenthaltes, nämlich die Narkose. Als ich durch den Satz "Fr. XY, wenn Sie jetzt atmen, lassen wir Sie in Ruhe!" aus der warmen weichen Dunkelheit geholt wurde und mir im selben Moment klar wurde, wo ich bin und weshalb, fühlte es sich an, wie die Vertreibung aus dem Paradies. Sofort kullerten mir die Tränen aus den Augenwinkeln und ich versuchte, durch das Schließen der Augen und das Abwenden des Kopfes etwas von der Dunkelheit zurückzuholen. Die Anästhesieleute standen um mich herum und fragten dauernd: "Ist Ihnen schlecht? Haben Sie Schmerzen? Sie sehen so blaß aus.", während ich nur mit dem Kopf schüttelte. Was soll man auch sagen? Bitte schläfert mich ein, ich möchte nicht wieder aufwachen? Ich wurde zurück ins Zimmer gebracht, wo ich mit Operationsdecken und auf leeren Kanülen im Bett die Nacht verbrachte, was mir aber ziemlich egal war, da ich bereits ahnte, daß ich am nächsten Tag noch einmal an der Reihe sein würde, denn ein Port war nirgends zu spüren. So war es dann auch, nur daß ich vorher noch von einem sehr jungen netten Zivi im Rollstuhl mit dem Operationskittel vom letzten Tag, Bademantel und Kompressionsstrümpfen zum Herz- und Bauchecho gefahren wurde. Da habe ich mich mindestens wie 80 gefühlt und warum die Ärzte mich alle so komisch angeguckt haben, war mir erst klar, als ich meine Brust selbst gesehen habe. Sie sah aus, als hätte ich eine Indianerbemalung. Auf den grünen Fleck der Biopsie, folgte das Blau auf der Brustwarze von der Operation, das Rot des Desinfektionsmittels und später noch die schwarze Markierung, die mir die Ärztin raufgemalt hat. Danach wieder in die Vorhölle nur bekam ich diesmal keine Vollnarkose, sondern nur örtliche Betäubung und ein Schlafmittel, welches leider nicht lange genug reichte, so daß ich während des Eingriffs erwachte und alles merkte. Es hieß zwar, es wird Betäubung nachgespritzt, gespürt habe ich davon nichts. Nach nicht viel Zeit zum Erholen, in der mir eine der netteren Schwestern einen Obstteller organisierte, folgte abends die stundenlange Chemoinfusion mit einer nicht sehr angenehmen Nacht. Kopfschmerzen kamen sofort, Übelkeit, Heißhunger in der Nacht mit morgendlichem Erbrechen. Ich erhielt diverse Medikamente, die das schnell besserten, aber während ich noch am Tropf zum Aufpäppeln hing, bekam ich schon meine Entlassungspapiere. Immerhin erlaubten die Schwestern mir, noch bis nachmittags liegen zu bleiben und auch meine Zimmergenossin meinte, ich solle einfach da bleiben, denn sie wollte nicht alleine sein und am Wochenende würden sie ihre Betten anscheinend eh nicht brauchen. Zum Glück ging es mir nachmittags soweit, daß ich endlich nach Hause konnte. Mittwoch muß ich schon wieder in die Ambulanz zur Blutbildkontrolle und habe später Physiotherapie-Termin. Ich weiß allerdings nicht, wie ich mir mit dem noch immer schmerzenden Port an der rechten Schulter bis dahin die Haare waschen soll. Da wünscht man sich fast, die würden gleich ausgehen, damit man wenigstens dieses Problem los ist.
zuckerwattewolkenmond - So, 21:43
Die Tortur bleibt und habe ich leider noch selten anders gehört.
Bitte schläfert mich ein, wäre auch meine Lieblingsantwort - ich habe jetzt einen anderen Plan - es gibt ja genug giftige Pflanzen da draussen in den Gärten und auf den Wiesen.
Trockenshampoo vielleicht für die Haare? Ich würde mir die im KH waschen lassen - bei mir wollten sie das immer tun als ich den Leberriss hatte und mich nicht mal mehr selber drehen konnte - sogar in der Psychi wollten sie mich dauernd zum Duschen schicken - bloss keine Verwahrlosung zulassen.
Ich denke weiter an dich - auch wenns mich entsetzlich schüttelt, weil ich nicht möchte, dass du leiden musst (tönt ja scheisse patethisch - meine ich trotzdem so).
Im Krankenhaus
Ich hasse ungewaschene Haare sehr, doch in dem Fall würde ich es wohl einfach lassen und sehen, ob sich nicht doch noch eine erbarmt.
Eine Freundin oder ein Freund, die/der dir helfen kann, hast du nicht in der Nähe?
Nein,