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Der letzte Wunsch

Neulich stolperte ich über die Redewendung des "letzten Wunsches" und begann darüber nachzudenken, ob ich langsam beginnen sollte, mir meinen letzten Wunsch zu erfüllen. Vielleicht wäre es generell von Vorteil, sich sofort den letzten Wunsch zu erfüllen. Notfalls, falls man doch länger lebt, kann man sich ja jeweils neuen letzten Wünschen widmen. Doch was wäre das für ein Wunsch? Ich habe keinen Schimmer Es ist nicht so, daß ich keine Wünsche hätte. Einer meiner Wünsche ist ein zahmer Tiger als Haustier. Wenn ich eine Gedankenreise in meinen Seelengarten unternehme, stelle ich mir gerne vor, wie ich von meinem zahmen Tiger begrüßt werde, wir faul auf einer Wiese liegen, ich meinen Kopf auf seine weiche Flanke bette und er mir zärtlich knurrend die Haare leckt. Real ist so ein Wunsch wohl eher nicht zu erfüllen. Dann schon lieber schwimmen mit Delphinen, aber irgendwie klingt dieser Wunsch ziemlich abgedroschen. Ein weiterer Wunsch von mir ist, einmal im Leben ein Bondgirl zu sein, aber in diesem Leben wird das sicher nichts mehr (außer sie bauen die Rolle eines Bondgirls mit Brustimplantat als tödlicher Waffe ein). Auch mein Wunsch nach dem Physiknobelpreis, der ja mehr scherzhaft gemeint ist, war von vornherein zum Scheitern verurteilt. Denn dieser Wunsch entstammt meinem vollständigen mathematischen und physikalischen Unvermögen. In der Mathematik ist es mir noch relativ egal, wenn ich nichts kapiere, aber in der Physik ärgert mich das schon, da ich durchaus neugierig bin und gerne wissen möchte, wie die Dinge funktionieren. Doch zumindest in meinem damaligen Physikunterricht habe ich jenseits der Aggregatzustände des Wassers und des Atommodells nix mehr geschnallt. Ich glaube, mein bevorzugter Bereich wäre sowieso die Meta- und Quantenphysik.

Natürlich ist eine neue Brust mein Wunsch, aber wenn es definitiv der letzte Wunsch ist und nicht mehr als einige Monate in Aussicht sind, könnte man sich das sparen. Wäre dann eh nur für die Würmer. (Mir gehen gerade Bilder durch den Kopf, wie Archäologen in einigen Tausend Jahren in wenigen erhaltenen Grabstätten von Frauen seltsame beigefügte Überreste eines Silikonklumpens finden. Rätselhaft. Wahrscheinlich ein magisches Amulett für Fruchtbarkeit. Denn da gibt es natürlich schon gezüchtetes brustkrebsresistentes Brustgewebe.) Meinen Kindheitswunsch zu tanzen erfülle ich mir bereits und das ist nicht so wirklich als letzter Wunsch geeignet, denn um Fortschritte dabei zu erleben, braucht es schon noch etwas Zeit.
Was Orte auf der Welt betrifft, die ich einmal gerne sehen würde, so sind das eigentlich keine Herzenswünsche, denn ich kann durchaus auch im Kopf reisen. Ganz nett wäre es trotzdem, mal echte Nordlichter und Wales zu sehen. Auch Ägypten und Peru. Ein eigenes Segelschiff und eine eigene Ferienwohnung an der Ostsee, wo ich jederzeit hin kann. Eine große Wohnung mit viel Platz hätte ich ebenfalls gerne. Aber sowas wünscht man sich nicht als letzten Wunsch, sondern man möchte ja noch lange etwas davon haben.
Anerkennung steht komischerweise gar nicht mehr auf meinem Wunschzettel. Entweder sie kommt oder sie kommt nicht, aber wenn sie kommt, dann liebsten mit Geld verbunden, damit ich mir die teuren Wünsche erfüllen kann. Und das, was ich hinterlasse, interessiert mich nun plötzlich ebenfalls überhaupt nicht mehr, sondern nur noch das, was ich für mich mit meinen eigenen Sinnen mitnehmen kann.

Es gibt Leute, die letzte Wünsche bezüglich ihres Begräbnisses äußern, aber das ist mir völlig egal, denn ich bin ja nicht dabei. Zumindest bekomme ich nichts davon mit. Man könnte sich natürlich auch den Wunsch eines schnellen und schmerzlosen Todes in der Schweiz erfüllen. Die Palliativmedizin behauptet zwar immer, daß alles in den Griff zu kriegen ist, aber das ist nicht wahr. Auch da gibt es noch Therapieversager. Genauso reden die Onkologen gerne davon, wie wichtig Lebensqualität usw. usf. ist, aber wenn es dann konkret wird, suggerieren sie den Patienten unterschwellig ununterbrochen, daß sie sich aufzugeben haben. Ich finde, das sagt ziemlich viel über deren eigenes Vertrauen in ihre Therapiemöglichkeiten aus. Als Hochsensibler bin ich ja Spezialist für unterschwellige Botschaften und bekomme sowas mit, aber es gibt sicher viele Patienten, die gar nicht merken, was ihnen da suggeriert wird. Ich wette sogar, daß es nicht einmal viele Ärzte selbst merken, und die anderen, die es merken, die schauen da nicht so genau hin, weil es dann für sie anstrengender werden würde.

Einer meiner Kindheitswünsche war, einmal einen Roman zu schreiben. Dieser Wunsch ist abgehakt. Wäre natürlich schön gewesen, wenn ich mir davon die Ferienwohnung und das Segelschiff hätte finanzieren können.
Ein ganz großer Wunsch ist, meine Jugend noch einmal zu leben, jedoch mit dem Wissen und der Erfahrung von heute. Dann hätte ich sicher eine großartige Zeit, ist aber undurchführbar.
Ich würde gerne wieder in einem Chor singen, allerdings fehlt mir da gerade die Stimmung und der Antrieb, um konkret auf die Suche nach etwas passendem zu gehen. Außerdem fiel mir letztens ein, daß ich mal zu diesen verfallenen Heilstätten in Beelitz möchte. Das ließe sich sicher bewerkstelligen, ist aber ein ziemlich morbider Wunsch, vor allem wenn es der letzte ist.
Ich finde, in einer Todeszelle ist es viel einfacher mit den letzten Wünschen, als wenn die ganze Welt die Zelle ist, denn da fällt das meiste sowieso flach. Wahrscheinlich würde ich mir in dieser Situation einen großen Topf Nierchen süß-sauer, eine Weiße mit Schuß und Petit Fours zum Dessert wünschen. Und ein Kätzchen.
Namesi (Gast) - Mi, 21:21

Das

hast du aber schön geschrieben. Rührend aber nicht kitschig. Ein wenig traurig aber auch lustig. Fokussiert und trotzdem vielfältig. Nicht langweilig. Als das mit dem Tiger kam, musste ich an meinen eigenen Kindergartenwunsch denken. Damals wünschte ich mir auch einen Tiger als Haustier. Aber nicht, um mit ihm zu kuscheln, sondern um mit ihm gegebenenfalls Eindruck zu schinden, was ein dunkles Licht auf meinen damaligen Status in der Gruppe wirft. Ach ja und der große Topf Nierchen süß sauer lässt mir das Wasser im Mund zusammenlaufen. Nierchen sind ja im allgemeinen nicht so beliebt wegen der Assoziation "Pissnierchen". An einen letzten Wunsch habe ich noch nicht gedacht. Ausgenommen den Wunsch, schmerzlos abzutreten.

Ich liebe Nierchen,

habe aber selten Gelegenheit, sie zu essen. Das letzte Mal dürfte auch schon wieder 15 Jahre her sein. Und die Därme von Tieren werden ja auch gegessen. Ich finde das weit ekliger, selbst wenn die gesäubert sind.
Namesi (Gast) - Mi, 22:30

Lungenhaschee

Lungenhaschee

habe ich noch nie gegessen.
Namesi (Gast) - Do, 20:39

Ich schon. Schmeckt wie Nierchen.
Namesi (Gast) - Do, 21:14

Übrigens, was die Physik betrifft

geht es mir wohl ähnlich wie dir. Ich finde die total spannend, blicke aber leider nicht soweit durch wie ich es gerne möchte. In der Schule kam ich über ein 2-3 nicht hinaus. Bei Tests war ich meist zu langsam oder meine Phantasie reichte nicht aus, den richtigen Lösungsweg zu finden. Meine Söhne allerdings sind naturwissenschaftlich recht gut drauf. Von mir haben sie das nicht. Der Ältere ist Softwareentwickler, also schon irgendwie mathematikaffin. Der Jüngere ist Physiker, kein Experimentalphysiker sondern ein theoretischer Physiker, der eine Diplomarbeit über die Allgemeine Relativitätstheorie geschrieben hat. (Ich weiß, mein Vaterstolz ist unübersehbar.) Die beiden sind mir allerdings keine große Hilfe, was mein Verständnis für Physik angeht. Sie machen es zu kompliziert, wenn sie etwas erklären wollen. Darauf angesprochen, sagen sie, dass es eben so kompliziert sei. Damit bin ich dann wieder auf populärwissenschaftliche Artikel in den Medien zurück geworfen (Florian Freistetter in Fb zum Beispiel).

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