Alien
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Namesi (Gast) - Fr, 22:11

Du

hast es gut. Was meine Ahnen betrifft, gibt es nicht viel zu entdecken. Mütterlicherseits (wasndasfürnwort?) stammen sie aus Stettin. Die Evakuierung infolge des zweiten Weltkrieges ließ nur zu, praktische Dinge mitzunehmen. Außer ein paar Fotos ist nichts in Steinbach-Hallenberg, da bin aufgewachsen, angekommen. Gut, es gab Geschichten, die am Küchentisch erzählt wurden, die ich auch gierig aufgesaugt habe (merkwürdiges Bild). Aber Verschwiegenheit gab es auch. So wurde ein Geheimnis daraus gemacht, wie mein Großvater starb. Meine Fragen dazu gingen jedesmal ins Leere. Inzwischen sind bis auf die Schwester meiner Mutter alle gestorben, die darüber etwas erzählen könnten. War es Selbsttötung? Habe ich von ihm meine Depressionen geerbt? Väterlicherseits haben die Vorfahren nichts aufgeschrieben. Außer einer Ahnentafel (sowas war ja Schulpflicht zur Nazizeit) und Tagebuchaufzeichnungen meines Vaters über seine Kriegsgefangenschaft in den USA und in Schottland liegt nichts Schriftliches vor. Dieses Tagebuch hatte ich als Kind wie ein Museumsstück geschützt (wattiert verpackt). In meiner wilden Jugendzeit/Armeezeit nahm es mein Neffe an sich. Für mich ist es verloren. Vielleicht sollte ich für meine Kinder das mir in Erinnerung gebliebene mündlich Überlieferte festhalten, bevor mich die große Vergesslichkeit überkommt. Ein makaberes Erinnerungsstück, dass sich in meinem Besitz befindet, ist ein Familenfoto, das der Bruder meines Vaters in seiner Brusttasche bei sich trug, als er im Krieg fiel. Es ist gelocht von dem tödlichen Granatsplitter.

Daß von den Ahnen

nichts zu finden ist, kenne ich ja mütterlicherseits auch, da meine Mutter mit ihrer Familie in Berlin ausgebombt wurde und sie beim Flüchten nichts weiter mitgenommen haben, als einen Batzen Schmalz. Wenn sie deshalb über die Klagen hörte, was die Russen in der dörflichen Gegend meines Vaters angestellt hatten (so wie oben, oder auch, daß sie das Klavier meiner Großeltern beschlagnahmten), dann rollt sie nur mit den Augen und meint, die hätten vielleicht Sorgen gehabt, sie selbst und ihre Familie hatten nicht mal mehr ein Dach über dem Kopf.

Ich finde gar nicht mal, daß es bei dir wenig ist, zumindest wenn das Tagebuch noch existieren würde. So ein Tagebuch ist doch viel mehr wert als alle Zeugnisse und Konfirmationsurkunden, die recht wenig wirklich über die Ahnen aussagen. So ein Foto mit einem Loch von dem Granatensplitter ist auch etwas besonderes. Es ist bestimmt ein seltsames Gefühl, es in der Hand zu halten.

Ich habe übrigens die Aufzeichnungen meines Großvaters über seine russische Kriegsgefangenschaft in der Kiste wiedergefunden und muß sagen, ich bin enttäuscht. Mein Vater hat immer so ein Geheimnis darum gemacht und meinte, das wäre nichts für mich. Jetzt habe ich es gelesen und es geht hauptsächlich um Essen, ob es Nachschlag gab oder nicht, um Entlausungen, Bibelstunden und einige musikalische Höhepunkte. Dazwischen moralische und religiöse Reflexionen. Meine Theorie ist deshalb nun, daß mein Opa nur deshalb in dieser Zeit Tagebuch geschrieben hat, weil er sich langweilte, denn aus anderen Zeiten existieren von ihm keine Aufzeichnungen, bis auf die Gedichte, die er ebenfalls geschrieben hat.

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