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Je näher

der Nachsorge-Termin rückt, um so unsicherer und unruhiger werde ich. Normalerweise bin ich recht zuversichtlich, aber jetzt frage ich mich, ob Zuversicht nicht eine Art von Selbsttäuschung ist. Ähnlich wie "mir passiert das nicht". Schließlich lasse ich mich ja auch ständig verarschen und dazu gehört ebenfalls eine gehörige Portion Selbsttäuschung über die Motive und Gefühle des Gegenübers. In Selbsttäuschung habe ich also Talent. Jedenfalls traue ich meinem Vermögen zur realistischen Einschätzung nicht mehr über den Weg. Und dann tauchen die Fragen auf, ob man das Richtige getan hat, ob man genug getan hat oder ob etwas zu tun nicht auch eine Art von Täuschung ist, weil über den Ausgang ganz woanders entschieden wird, doch man trotzdem das Gefühl braucht, irgendwie Einfluß darauf nehmen zu können.
Öfters lese und höre ich über Patientinnen, die ganz auf Zucker verzichten oder zumindest keine Cola mehr trinken, weil eine Theorie davon ausgeht, daß Zucker die Krebszellen ernährt und man sie so einfach aushungern könne. Geholfen hat es bei denen, die mir bekannt sind, keiner von ihnen. Eine innere Stimme sagt mir immer, daß die Theorie falsch ist, es könnte aber natürlich gut sein, daß diese Stimme meinem inneren Schweinehund gehört. Es erscheint mir aber zu einfach für einen Stoffwechsel, der auf höchstkomplizierten subtilen Vorgängen und Gleichgewichten beruht. Ich bleibe deshalb weiter bei meiner Strategie des bewußten Maßhaltens, ohne mir jedoch etwas zu verbieten, und trinke meine Cola nur noch in pharmazeutischen Dosen, also so wie andere ihren Magenbitter. Schließlich hätte ich sonst keine Laster mehr. Aber während man versucht, den richtigen Weg für sich zu finden, dabei ständig unsicher, ob man nicht einem Irrtum anhängt und sich auf dem Holzweg befindet, kommen andere, die selbst noch nie erkrankt sind, und erklären einem im Brustton der Überzeugung, man solle dies tun oder jenes lassen, und machen einem ein schlechtes Gewissen, weil man dies tut oder jenes nicht tut. Und es gelingt kaum, sich kein schlechtes Gewissen machen zu lassen, weil man sich einfach dessen zu bewußt ist, daß es echte Sicherheit nicht gibt und ob so oder so, eine jede die falsche Entscheidung sein könnte. Die Nachsorge-Termine werden es an den Tag bringen.
beingmenow (Gast) - Sa, 00:05

Das kenne ich so gut und ich bin immer wieder entsetzt, wie sehr uns ein (antrainiertes) schlechtes Gewissen zu beeinflussen vermag!
Mit Sicherheit war Deine Erkrankung weder von der Cola noch von Zucker ausgelöst und das weißt Du auch - genauso wie ich weiß, dass meine Krebserkrankung keine Strafe für irgendwelche Fehlverhalten aus meiner Vergangenheit war, auch wenn das bis heute in meinem Kopf verhaftet ist.

Ich kann Dir nur aus eigener Erfahrung raten, die Nachsorgetermine konsequent und zeitnah wahrzunehmen. Ich habe sie immer wieder verschoben und zu vermeiden gesucht, aber das hat mir nicht geholfen, das hat die "Phobie" verstärkt.

Ich wünsch Dir von Herzen alles Gute und die Sicherheit, dass das, was Du tust, immer das Richtige ist.

Danke dir und ebenso.

Nein, ich glaube nicht, daß mein Zuckerkonsum der Auslöser war, sondern eher das Gegenteil. Letztendlich sollte das aber nur ein Beispiel für viele der Weisheiten sein, mit denen man so konfrontiert wird.
Alexander S. - Sa, 10:58

das Dilemma

mit der Selbsttäuschung kenne ich auch nur zu gut. Woher die Objektivität nehmen ? Selbst wenn man sich mit einem anderen Menschen austauscht - bedeutet ein gemeinsamer Nenner dann schon, daß dies die Wahrheit ist ? "Freßt Sch.. - Milliarden Fliegen können nicht irren !". Es muß für einen persönlich auch nicht richtig sein, was die Mehrheit glaubt. Es ist aber ohne Zweifel ein Weg sich "gut aufgehoben" zu fühlen - wahrscheinlich der Grund warum sich viele Menschen dazu hinreißen lassen. Leider kommt man nicht in allen Fällen über wissenschaftliche Herangehensweise mit eigenen Überlegungen zu einem Ergebnis. Da bleiben dann nur die Fachmänner auf die man sich verlassen muß..
Um nochmal auf die Selbsttäuschung zurückzukommen: wenn ich vor die Wahl gestellt werde mir die Welt entweder gut oder schlecht zu reden, dann entscheide ich mich lieber für die erstere. Es gibt wissenschaftliche Erkenntnisse daß sich die Gefühlslage nicht nur dem Körper anpaßt, sondern daß dies auch umgekehrt funktioniert. Unzufrieden Menschen werden eher krank als zufriedene. Quellen dafür kann ich jetzt allerdings nicht nennen.. vielleicht will ich es auch einfach nur glauben ;-)

Ja,

genauso denke ich auch. Lieber an das Positive glauben, wenn man sich sowieso in nichts sicher sein kann. Nur leider kommen halt dann immer wieder die Zweifel, ob man nicht eines Tages halt doch auf den Boden der Tatsachen zurückgerissen wird, wie es ja in den letzten Jahren bei mir dauernd war, woher auch diese Unsicherheit rührt. Wenn ich früher an das Positive geglaubt habe, dann aus Überzeugung. Wenn ich heute an das Positive glaube, dann ist es eine Einstellung, die ich mir nach den letzten Jahren wieder neu erarbeitet habe und bei der ich mir immer dessen bewußt bin, daß es eine Täuschung sein könnte.

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