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Meine Mitpatientin

und ich sind gestern vor der Chemo erst einmal in die Krankenhauskantine eingefallen. Aus vier oder fünf Gerichten wählten wir überbackenen Blumenkohl mit Kartoffeln und eine Quarkspeise mit Kirschen. Die Portionen waren riesig - ich glaube fast, auf meinem Teller lag ein ganzer Blumenkohlkopf. Aber wirklich sehr lecker und mit insgesamt 3,85 EUR für jeden preiswert. Um uns herum saßen fast nur Weißkittel, also Ärzte und anderes Klinikpersonal - auch die Stationsärztin, von der ich damals die Diagnose bekommen hatte -, obwohl die Kantine für Außenstehende ebenfalls geöffnet ist. Man fühlt sich deshalb etwas eigenartig und nach Verlassen der Kantine meinte die Mitpatientin, sie würde nie im Leben gerne Arzt sein wollen, worauf ich antwortete, daß ich im Leben weder Arzt noch Patient sein möchte. Es gibt dort übrigens auch ein kleines Schwimmbad. Gut, daß uns die Chemo-Schwester diesen "Geheimtip" gegeben hat. Wir mußten jedenfalls mehr oder weniger in die Ambulanz kugeln. Es war wieder eine Sonographie fällig und da ich seit Januar immer nur höre, das Teil sei ca. 1 cm groß, aber weniger taste als vorher, fragte ich nach und die Ärztin erklärte, bei dem, was noch zu sehen ist, könne es sich auch nur noch um Narbengewebe des Tumors handeln. Außerdem sei kein Blutfluß in diesem Gewebe sichtbar, was ein gutes Zeichen sei. Meine Mitpatientin hatte mich gleich, als wir uns sahen, wieder auf diese schlechten Neuigkeiten für sie vom letzten Mal angesprochen, als sie nicht wußte, daß Metastasen auch nach einer Behandlung auftreten können, was mir zeigt, daß es sie tatsächlich sehr beschäftigt hat. Sie war bei ihrer Ärztin um nachzufragen und hat es von ihr erklärt bekommen. Jetzt, sagt sie, will sie darüber aber nicht mehr dauernd nachdenken. Mache ich genauso. Ich versuche möglichst nur noch an heute zu denken und die Beschäftigungen mit einer möglichen Zukunft, vor allem wenn sie angstbesetzt ist, was sie bei mir eigentlich stets ist, egal in welche Richtung ich blicke, zu unterlassen. Gelingt aber nicht immer. Leider habe ich in meiner unmittelbaren Nähe keine Ärzte, zu denen ich in dieser Situation besonderes Zutrauen hätte um eventuell eine zweite Meinung zu hören. Als ich mit der Diagnose zu meiner Gynäkologin kam, fragte sie zwar, ob ich Fragen habe (mit dem Telefonhörer am Ohr), als ich jedoch einige meiner bereits viel spezielleren Fragen stellte, merkte ich schnell, daß sie da meistens überfragt war. Also hob ich mir die Fragen für die Stationsärzte auf und es endete damit, daß sie mir einen Stapel mit Patientenratgebern in die Hand drückte. Und meine Allgemeinärztin scheinen Brustkrebsdiagnosen ziemlich nervös zu machen. Jedenfalls wirkte sie fahrig und verwechselte beim Reden dauernd Chemotherapie mit Strahlentherapie, was mir das Gefühl gab, daß sie damit reichlich überfordert ist. Meine Mitpatientin erzählte mir dann während der Chemo noch eine angeblich wahre Geschichte aus ihrer Bekanntschaft. Sie kennt eine Frau, die einen herzkranken Sohn hat. Dieser mußte bereits als Kind mehrmals operiert werden. Während einer OP war er mehrere Minuten tot und mußte wiederbelebt werden. Danach erzählte er der Mutter, er sei während dieser OP irgendwo herumgeflogen und hätte einen Mann getroffen, welcher ihn zurück geschickt habe. Einige Tage später schauten sie sich gemeinsam ein Photoalbum mit Familienbildern an. Dieses kannte er noch nicht und ebenfalls nicht die Bilder seines Großvaters, der im zweiten Weltkrieg gefallen war. Als er ein Bild mit ihm sah, zeigte er auf ihn und sagte, dies sei der Mann der ihn zurück geschickt habe.
Sammelmappe (Gast) - Do, 05:46

Diese Krankheit macht vielen Angst. Deshalb kann ich gut verstehen, dass die Allgemeinmedizinerin damit überfordert ist. Aber trotzdem ist das schade und unprofessienell. Sie könnte dich auch ohne Spezialwissen unterstützen, wenn sie ruhig bliebe und die Übersicht behalten würde.

Ja,

etwas Unterstützung und vielleicht ein paar Tips aus Sicht der Allgemeinmedizin hatte ich mir erhofft. Nun erlebe ich meine Allgemeinmedizinerin meist nicht als Ärztin, der ihre Patienten egal sind. Sie kann auch sehr einfühlsam sein, gerade in solchen Dingen, als mein Vater verstorben war oder ähnliches. Vielleicht reagiert sie deshalb manchmal auch so menschlich überfordert. Man erwartet jedoch gerade von Ärzten mehr Professionalität als von Nicht-Ärzten, weil man meint, sie wären im Umgang mit so etwas erfahrener. Leicht störend finde ich außerdem, daß sie nicht gut mit Symptomen umgehen kann, die nicht aus dem Lexikon kommen. Man merkt ihr dann ebenfalls eine gewisse Unruhe an, manchmal hat man sogar das Gefühl, man müsse sich entschuldigen oder die Symptome zurücknehmen. Nun kann ich aber nichts dafür, daß mein Körper häufig etwas "artfremd" reagiert und andere, offensichtlichere Symptome verschleiert bleiben. Überhaupt erlebt man mit der Diagnose Brustkrebs viele Überraschungen in Bezug auf die Reaktionen der Menschen. Die Arzthelferin dieser Ärztin z.B. hatte ich zwar nicht unfreundlich, aber doch etwas abweisend erlebt. Als sie erfahren hatte, was los ist, setzte sie sich zu mir ins Sprechzimmer der Ärztin, wo ich auf diese wartete, unterhielt sich längere Zeit mit mir und fragte auch, ob ich schon den Schwerbehindertenausweis beantragt hätte, ein Hinweis, der von der Ärztin überhaupt nicht kam. Zwar hatte ich diese Infos bereits im Krankenhaus bekommen, allerdings erlebt man immer wieder, daß man als Patient irgendwo "durchrauscht", gerade in großen Klinikapparaten, so daß ich finde, daß solche wichtigen Hinweise ruhig mehrmals von verschiedener Seite kommen können. Und ebenso im engeren Umfeld erlebt man Überraschungen in Bezug auf Reaktionen, die man von bestimmten Personen so nicht erwartet hätte, sowohl im Positiven als auch im Negativen.
Sammelmappe (Gast) - Do, 18:06

Oh, mein Text ist schon wieder weg.

ich schrieb gerade, dass ich deinem Blogeintrag schon angemerkt habe, dass deine Allgemeinmedizinerin eine sehr emotionale Frau ist, die sich durchaus auch einfühlsam zeigen kann. Aber gerade diese Emotionen hat sie wohl nicht im Griff, wenn sie ängstlich wird.
Aber andererseits verstehe ich wirklich, dass auch Ärztinnen und Ärzte Menschen sind und es für sie auch schwer ist mit Krankheit und Tod immer umzugehen.

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