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Dienstag, 6. Juni 2006

Die Geschichte, die NICHT "Schatten der Vergangenheit" heißt - Teil 11

Ich hatte mich noch nicht ganz vom Schrecken des gestrigen Tages erholt, da kam ich nach mehrmaligem Überdenken zu dem Ergebnis, dass es wohl am besten wäre, alles zu vergessen.
Gedankenversunken knabberte ich an meiner Pizza Capricciosa, die der Pizzabote vor zehn Minuten anstatt eines Frühstücks gebracht hatte. Natürlich war diese russische Stimme, die ich gehört hatte, schon etwas seltsam, doch wer weiß, vielleicht war es ja nur ein Handwerker, der etwas im Keller zu tun hatte. Mein Nachbar wohl kaum, denn der sprach reines Deutsch. Wahrscheinlich hatte ich mich nur in irgendwas reingesteigert. Nachdenklich wiegte ich den Kopf und kaute auf einer Olive. Aber....wenn der Keller nun zum Beispiel Treffpunkt der Russenmafia war? Mit denen wollte ich nichts zu tun haben. Es half alles nichts, wenn ich meinen Müll loswerden wollte, blieb mir nichts anderes übrig, als mich wieder nach unten zu begeben. Einmal um den ganzen Häuserblock wollte ich ihn nicht tragen. Ich seufzte und griff nach der Bildzeitung, welche mir der Pizzabote mit dem Pizzakarton überreicht hatte.
‚Ich war JFK!’ prangte als riesige Überschrift auf der Titelseite – ‚Die Bekenntnis eines früheren Lebens’. So ein Quark. Schnell blätterte ich weiter. Einige Seiten darauf erregte ein kurzer Artikel meine Aufmerksamkeit.
‚Wrack des Kanonenboots Wasilissa vor der russischen Baltikküste gefunden’,
die Unterwasserarchäologen sind zur Zeit mit der Kartierung, Inspektion und Inventarisierung beschäftigt, las ich. Es konnten einige, noch verkorkte Weinflaschen, sowie alte Kanonkugeln geborgen werden. Gleichzeitig hatte man nur wenige Meter vom Wrack entfernt einen abgestürzten Flieger aus dem zweiten Weltkrieg entdeckt, welcher fast vollständig von Schlick begraben, allen Ortungsversuchen zuvor widerstanden hatte.
Ich erfuhr außerdem, dass die Ostsee das wrackhaltigste Meer der Erde ist und die meisten Wracks vor der felsigen Küste Rügens liegen.

Interessant. Wer weiß, was dort noch alles so auf dem Meeresgrund schlummert. Ob der Wein wohl genießbar ist? Gesättigt leckte ich einen Streifen Soße von meinem Daumen.
Der Himmel wölkte grau hinter den Gardinen und der ersten Streifen Regen klatschte gegen die Fensterscheibe.
Ich packte den zweiten Müllsack und beeilte mich, hinunterzukommen, bevor das Unwetter richtig loslegen würde. Vor der Stahltür mit dem symbolischen Knochengesicht erfüllten mich neuerlich bange Gedanken, doch ich gab mir einen innerlichen Tritt. Der Lichtschalter klickte und die Funzel sprang surrend an. Ich durchquerte den Kellergang, bis zu der Stelle, wo die weiße Mülltüte leuchtete, welche ich in meiner Panik hatte hier stehen lassen. Sie war geöffnet und anscheinend durchwühlt worden, denn der sandige Putz war ringsumher auf dem Kellerboden verteilt. Fast nur nebenbei bemerkte ich, wie meine Furcht einer unmerklichen Wut wich. Ich verstand das alles nicht und ich wollte es auch nicht verstehen. Es hatte beinahe den Anschein, als würde jemand hinter mir her spionieren und der einzige, der mir dazu einfiel, war der liebe Herr Luchterhand. Allerdings fragte ich mich, was er in meinen Bauabfällen zu finden hoffte.

Zähneknirschend raffte ich den Plastiksack zusammen und beförderte ihn ebenso wie den zweiten in die Mülltonne. Als ich in den Keller zurückkehrte und die Hoftür wieder abschloss, bemerkte ich aus dem Augenwinkel, dass die grobe Brettertür zum Kellerverschlag meines Nachbarn, welcher sich gleich daneben befand, ein kleines Stückchen offen stand. Das Vorhängeschloss baumelte lose in der Lasche. Da ich nichts hörte, schob ich die Tür vorsichtig einige Zentimeter weiter auf und als ich erspäht hatte, dass weit und breit keine Person zu sehen war, trat ich zwei Schritte in den Verschlag hinein, der nur von einem winzigen, vergitterten Kellerfenster erhellt wurde. Graues Regenlicht fiel auf ein Regal, in welchem leere Flaschen und Gläser, sowie einige verstaubte Kisten lagerten. Spinnweben baumelten wie surreale Schleier von der Decke herunter. Neben meinen Füßen entdeckte ich eine Schale mit rotkörnigem Rattengift. Das Licht reichte nicht in die hinteren Ecken hinein, doch ich erkannte die Umrisse einiger alter Möbel, die dort gestapelt waren. Und im Zwielicht zwischen Schwarz und Grau fielen mir ein paar Geräte auf, die entweder unordentlich auf einer riesigen Holzkiste lagen oder an der Wand hingen.

Dunkel erinnerte ich mich, einige dieser Werkzeuge im Baumarkt gesehen zu haben. Jedoch längst nicht alle. Brechstangen zum Beispiel kannte ich bisher nur aus Krimis, die im Fernsehen liefen. So einen Schneidbrenner aber, ich vermutete, dass es einer war, hatte ich auch schon in der Werkzeugabteilung gesichtet. Ein drittes Gerät hielt ich für einen Glasschneider. Doch was wollte Herr Luchterhand damit? Grübelnd und noch verwirrter als vorher zog ich mich diskret zurück. Die Kellertür ließ ich leise angelehnt.