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Mittwoch, 21. Juli 2010

Ich möchte ja Rilke

kein Unrecht tun, aber manchmal sind mir die Gedichte von Ch. Morgenstern lieber.

Die Nachtigall erzählt

"Gestern sah ich aus der Linde
einem Mägdlein in sein Buch.
Golden war der Blätter Rinde
und der Einband blaues Tuch.

'Der Geliebten!' stand emphatisch
vorn in Arabeskenschrift,
und der Sänger sang ekstatisch
von der Liebe Rausch und Gift.

Fünf mal Fünfundzwanzig Seiten
und kein echter Laut und Hall -
doch dafür in jedem zweiten
Liede ich, die Nachtigall.

'Schluchzend', 'jubelnd', 'klagend', 'lachend',
wie's grad dem Herrn zu paß. -
Leutchen, schlechte Verse machend,
wißt ihr, ich verbitt mir das!...

Und ich schlug in meiner Linde
dunkelgrünem Zauberschloß,
daß dem jungen schönen Kinde
heiß das Blut zu Herzen schoß.
Seine Hand sah ich es pressen
auf die Augen, tränennaß...
Und das Büchlein glitt, vergessen,
nieder in das hohe Gras."