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Samstag, 29. September 2012

Die Grabsteindebatte

Die Hilfe für den Küchenbau kam mit Verspätung, aber dafür mit einem Blumenstrauß für mich. Ich dachte ja, ich habe irgendetwas verpasst, aber nein, einfach nur so. Auch das Anbringen der Wandschränke ging diesmal zum Glück relativ problemlos, jedoch nicht ganz so problemlos, wie ich mir vorgestellt hatte. Irgendwie verschätze ich mich immer wieder, aber es war nichts schwerwiegendes, alles wurde schnell gelöst. Mitgebracht wurde mir auch eine DVD mit dem Urlaubsvideo eines Bekannten meiner Schwägerin, der bereits eine Reise per Postschiff gemacht hat. Wenn man sich das anschaut, möchte man am liebsten in den Fernseher kriechen. Überhaupt freue ich mich irrsinnig auf die Reise, wie auch auf die neue Küche. Und ich stelle fest, wie wichtig es ist, daß man sich auf etwas freuen kann, denn dann ist jede andere Sch..., die einem sonst noch so begegnet nur noch halb so schlimm, weil man sehr leicht die Aufmerksamkeit auf die Vorfreude lenken kann. Die Vorfreude läßt sich ebenfalls bei Youtube auskosten, weil es dort einiges an Videos gibt. Auf jeden Fall werde ich fotografieren wie eine Irre und ich spiele mit dem Gedanken, mir ein Reisetagebuch zuzulegen, denn zwölf Tage lang kann man sich nicht alles im Kopf merken. Allerdings weiß ich bereits aus Erfahrung von anderen Reisen, daß es meist so viel zu sehen gibt und man auch ständig mit anderen zusammen ist, abends noch Scrabble spielt usw., daß man eigentlich nicht wirklich mehr Zeit und Ruhe für so etwas findet.
Während des Anbringens der Wandschränke kam es zu einem Gespräch mit meinem Bruder, das bezeichnend für ihn ist. Er war am vergangenen Wochenende im Spreewald-Heimatdorf meines Vaters und erzählte, daß es das Grab von unseren Großeltern nicht mehr gibt. "Stell dir mal vor, nichts mehr da. Kein Stein mehr und nichts, nur Gras." Ich sage ihm, daß dann wohl die Liegezeit abgelaufen ist, die ja auf zwanzig Jahre begrenzt ist. Und er so: "Aber trotzdem, ist das nicht schlimm? Daß einfach alles weg ist, sogar der Grabstein?" Ich zu ihm: "Was willst du denn mit dem Grabstein? Willst du dir den in den Keller stellen?" (Dabei vermute ich heimlich, daß er das tatsächlich machen würde, wenn er könnte, da er zu den Menschen gehört, die sich von überhaupt nichts trennen können.) Er: "Na ja, dann wäre wenigstens noch irgendetwas da. Stell dir mal vor, zwanzig Jahre nur. Wenn das nun jemand ist, der jung verstorben ist. Und nach zwanzig Jahren ist schon alles weg von der Person." Ich zucke mit den Schultern und antworte: "Stell dir mal vor, von all den Abermilliarden Menschen, die seit Anbeginn der Zeit verstorben sind, gäbe es noch Grabsteine - dann könnten wir heute nirgends mehr auf der Erde treten." Ich bin ja bei sowas relativ unsentimental, weil ich finde, daß man Menschen in den Erinnerungen besser gedenken kann, als mit Grabsteinen, ja, daß sie eigentlich in den Erinnerungen sogar lebendig bleiben.

Das Spiel

In einer undefinierten Lokalität setzt sich ein Mann neben mich, mit dem ich oberflächlich ins Gespräch komme. Eine Frau läuft zwischen den Tischen umher und verkauft Spiele, welche an der Wand aufgereiht sind. Der Mann interessiert sich für ein Spiel, auf dessen Karton klein "Roman" steht, und danach in Großbuchtaben "Moritz". Er kauft es und fragt die Frau, wie man es spielt. Die antwortet nur kurz angebunden: "Da sind die Steine und da setzt man."
Der Mann öffnet den Karton und ich schaue ebenfalls neugierig zu, was er aus dem Karton herausholt. Er faltet das Spielbrett auseinander, welches einen Teil der Weltkarte enthält, auf der aber nur sparsam Orte und Gegenden ausgewiesen sind. Diese Orte gilt es wohl, wie auf einer Route zu verbinden, und das spielerische Ergebnis ist ein Roman. Er umkreist mit seinem Zeigefinger eine Gegend, die mit "Bretagne" bezeichnet ist und erklärt mir, daß dort sein Heimatort ist. Ich bin etwas erstaunt, daß er aus Frankreich kommt und frage deshalb nochmal nach. Er nickt und ich stelle fragend fest, daß man gar keinen Akzent hört. Er ist mit der Route auf der Karte beschäftigt, während ich ihm erzähle, daß meine Familie ja zumindest teilweise ebenfalls aus Frankreich kommt. Denn die mütterlichen Vorfahren waren Hugenotten, die aus Frankreich flüchteten und sich in Preussen ansiedelten.