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Nachdem

die Haare sich nun endlich im Laufe der letzten Woche herabgelassen haben, nahm ich den heutigen Termin bei der Onkologin zum Anlaß, das erste Mal die neue Kurzhaarfrisur auszuführen. Wobei man es eigentlich nicht wirklich Frisur nennen kann. Ich habe nur Haarwachs hineingeknetet und alles durchgewuschelt. Die Ärztin meinte, das steht mir gut, aber ich bin da skeptisch, weil ich glaube, daß mir Kurzhaarfrisuren generell nicht stehen. Und wenn ich sogar mit langen Haaren als "Junger Mann" angesprochen werde, nun ja. Auch ist es nicht nur Einbildung, daß mir die Brust an den Ansätzen weh tut, denn unter Ultraschall waren Lymphknoten- oder Lymphwasserstauungen an den "Rändern" zu sehen. Eine Lymphdrainage wollte ich aber erstmal nicht, sollte ich aber zumindest vor der nächsten Mammografie in Betracht ziehen. Als ich ihr von dem Tanzkurs erzählte, fand sie das gut und fragte mich, ob ich ein Instrument spiele. Die Patientin davor würde Akkordeon spielen und das sei so toll. Mag ja sein, ich finde Akkordeon auch toll, aber noch ein Instrument spielen lernen wäre vielleicht ein bißchen viel auf einmal, zusätzlich zum Tanzkurs, dem Zeichnen, das ich neu begonnen habe, das Kochen und Backen, das ich so vorher nicht gemacht habe und erst lerne. Und natürlich nicht zu vergessen das Schreiben. Die Psychoonkologin will, daß ich das Romanmanuskript an Verlage schicke. Ich glaube nicht, daß mich das in meinen momentanen Problemen weiterbringt, aber andererseits hat sie damit recht, wenn sie meint, Versuch macht klug. Allerdings scheitere ich schon am Exposee, da mir zu viele andere Dinge und Grübeleien durch den Kopf gehen, und irgendwie habe ich auch nicht wirklich Lust, das alte Manuskript zu überarbeiten, was zu mindest zu Beginn nötig wäre, sondern wenn schon, dann lieber an neuen Sachen schreibe. Desweiteren sind hier immernoch genug Dinge zu erledigen, die in den ganzen letzten Jahren liegen geblieben sind. Außerdem würden sich die Nachbarn sicher "freuen", wenn ich ebenfalls noch anfange zu musizieren, denn bei uns im Haus hört man bereits jeden Mittag die Flötentöne des peruanischen Mafiosi. Aber immerhin kann er wenigstens spielen. Bei dem, was ich eigentlich alles vor habe, ärgert es mich, daß ich oft so antriebslos bin und manche Tage gar nichts auf die Reihe kriege. Dieser Lebensknoten, in den ich mich verstrickt habe, und bei dem, egal an welchem Faden man zieht, sich nichts mehr vor und zurück bewegt, belastet mich, denn auch wenn der sichtbare Knoten herausgeschnitten ist, fühle ich mich erst sicher, wenn der andere Knoten ebenfalls gelöst ist und ich nicht ständig das Gefühl habe, eine zentnerschwere Eisenkugel mit mir herumzuschleppen. Manchmal möchte ich mitten in diesem Knoten wie eine Bombe explodieren und alles von diesen Stricken in Stücke reißen. Ein Selbstmordattentat sozusagen. Aber wenn man es genau betrachtet, ist das wirkliche Selbstmordattentat ja bereits die Erkrankung. Denn was sollen die Stricke anfangen, wenn ihr Ursprung und ihr Ziel nicht mehr da ist?
Sammelmappe (Gast) - Do, 06:30

Was für zarte Strategien doch übrig bleiben, um bei so viel Gewalt gegenzuhalten!

Knoten

haben mich schon immer ungeduldig gemacht.

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