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Freitag, 9. November 2007

Wo sind all die Spielplätze geblieben?

Eisiger Wind und Regen, grau und wolkenverhangen - eigentlich ist das nicht das Wetter, an welchem man freiwillig vor die Tür geht. Ich normalerweise auch nicht, aber ab und zu zieht es mich doch zu einer echten Sturmregenwanderung, zumindest wenn ich schnell gehen kann und mich nicht im Schneckentempo fortbewegen muß. Ich finde, wenn dann so langsam meine Nase und meine Gusche abfrieren, während mir der Wind um die Ohren weht, und ich völlig durchgeweicht bin, hat das irgendwie etwas energetisierendes.
Eigentlich wollte ich ja nur vom Büro nach Hause laufen, aber als ich am Wohnhaus meiner ehemaligen Schulfreundin vorbeikam, hatte ich plötzlich die Idee, hinten über die kleinen Höfe und Straßen zu gehen und zu schauen, ob ich aus meinem "Kindheitskiez" noch irgendetwas wiedererkenne. Das war kaum der Fall. Natürlich ist in meiner Erinnerung alles viel größer und unbewachsener. Jetzt sind die Bäume richtig hoch gewachsen und die Rasenflächen sehen kleiner aus. Außerdem sind die beiden großen Spielpätze verschwunden, der mit der komischen Steinraupe, durch welche man hindurchkrabbeln konnte, und auch der andere, auf welchem wir manchmal mit dem Hort waren. Nur die kleine Wäscherei gibt es immer noch. Da ich nun schon einmal dort war, dachte ich mir, jetzt könnte ich auch gleich zu meiner ehemaligen Schule, wobei ich über die Höfe der damals neugebauten Häuser ging, wo wir uns während des Wehrerziehungsunterrichts versteckten, als wir uns an unseren Physiklehrer anrobben sollten. Einmal bei der Schule meinte ich, jetzt könne ich auch noch zur Kirche laufen, und so bin ich einmal kreuz und quer durch fast alle Straßen, Ecken und Winkel, die ich in meiner Kindheit durchstöberte.
Dabei fand ich es ziemlich erschreckend, daß wirklich sämtliche Spielplätze verschwunden sind, die ich aus meiner Kindheit kenne. In meiner Erinnerung gab es überall Spielplätze. Zwar hatten wir auch einen eigenen auf dem Hof, aber wenn man raus auf die Straßen ging, fand man stets in der Nähe, auf Höfen, Straßen und in Ecken, kleinere oder größere Spielplätze. Keiner davon ist mehr da, nicht mal der Spielplatz auf dem Hof der Schule. Auch den Spielplatz in Prenzlauer Berg mit der Elefantenrutsche gibt es nicht mehr, wie ich vor zwei Jahren feststellte. Es scheint tatsächlich so, als seien Parkplätze inzwischen wichtiger geworden als Spielplätze, mal ganz abgesehen davon, daß die Straße, in der wir wohnten, in meiner frühen Kindheit sogar eine SPIELSTRASSE war, auf der ich Rollschuhlaufen konnte. Sowas gibt es heute gar nicht mehr. Das wäre wohl lebensgefährlich.
Aber nicht nur in Berlin ist das so, im Dorf meiner Großeltern finde ich ebenfalls keinen Spielplatz wieder. Es ist ja jetzt sowieso kein Dorf mehr, sondern ein KURORT - da braucht es Parkplätze und Sendemasten statt Buddelkästen und Klettergerüste. Jetzt ist nur noch ein einziger Spielplatz übrig, der mit den tröpfelnden Wasserspielen, den ich noch nicht wieder aufgesucht habe, was ich mir aber unbedingt vornehme. Und ich bin mir fast sicher, daß ich dort wahrscheinlich auch nur Parkplätze finden werde. Bin ich froh, daß ich in heutiger Zeit kein Kind sein muß!

Der ehemalige Sportplatz erscheint mir heute ziemlich klein. Klar, wenn man da zehn Runden drumherum laufen soll, ist es ganz natürlich, daß sich die Strecken ziehen. Aber auch dieser seitliche Hügel, von dem wir früher mit Schlitten gerodelt sind, wirkt heute nur noch wie ein größerer Laubhaufen.

Der Anblick der Kirche überraschte mich, da ich feststellen mußte, daß es an der hinteren Seite der Kirche tatsächlich eine Plattform gibt, wie ich sie in diesem Traum sah. Ich hätte schwören können, daß es sowas nur vorne gab. Wie man sieht ist mein Gedächtnis beim Träumen sehr viel besser als beim Wachen.

Auf dem Gelände in der Nähe standen vor langer langer Zeit einmal Schrebergärten, welche, als ich kaum laufen konnte, also vor ca. 35 Jahren, platt gemacht wurden, weil man Platz zum Bauen brauchte. Allerdings stellte man erst hinterher fest, daß sich der Boden nicht zum Bauen eignet, und so liegt diese Brache seit 35 Jahren zwischen Zäunen eingefercht, und natürlich kommt auch niemand auf die Idee, dort vielleicht einen Spielplatz oder Park anzulegen. Sowas braucht ja keiner. Manchmal ist es doch ganz gut, daß es die Erinnerung gibt, denn in meinen inneren Bildern ist alles noch wie früher - mit Schrebergärten, Spielstraße und den abenteuerlichsten Spielplätzen an jeder Ecke.

Zucker sagt,

diese Flüstertaste an meinem Jungfrau-Merkur tut sich schwer mit dem Spiel der Identitäten.