Die Katze war so klein, daß sie in meine Kinderhand paßte, ihre Augen noch verklebt und blind, als sie zu mir kam. Viel zu früh der Mutter entrissen. Aber es ging nicht anders, da an diesem Tag die Tierfänger kommen sollten, um alle Katzen mitzunehmen. Als ich grünes Licht von meiner Mutter bekam, eines der Kätzchen zu holen, griff ich in der Aufregung das erste, das mir unter die Finger kam. Am nächsten Tag waren alle anderen weg. Mein Vater behauptete später, ich hätte mir das Häßlichste ausgesucht, weil sie eine unregelmäßige Zeichnung an der Stirn hatte. Sie war winzig, sah auf dem Puppenwagenkissen, das sie zum Schlafen bekam, aus wie ein verlorener Krümel und zitterte andauernd. Vielleicht vor Kälte, vielleicht vor Angst. Ich zog sie mit einem Liebesperlenfläschchen und Milch auf, und ich wundere mich heute noch, daß sie bei mir überlebt hat. Sie wurde tatsächlich eine große, gesunde Katze, allerdings immer sehr dünn und grazil. Ich vermute beinahe, meine Eltern hatten selbst nicht damit gerechnet. In Nächten wie diesen wache ich manchmal auf und denke daran, was ich alles falsch gemacht habe, was für eine schlechte Ersatzmutter ich ihr gewesen bin und was ich hätte besser machen können. Doch ich war klein, hatte die falschen Ratgeber und hätte ihr die Mutter wahrscheinlich sowieso nie richtig ersetzen können. Und ich wundere mich heute noch, daß sie überlebte. Aber man merkte ihr an, daß sie durch den Mutterverlust etwas gestört war. Sie zitterte auch später noch oft, war sehr ängstlich, mißtrauisch, stolz, einsam - selbst mit der Familie um sie herum, eigensinnig, kratzbürstig, und ihr Katzenleben lang sehr jugendlich und schlank. Erinnert mich irgendwie an mich selbst.
beim Googlen nach Schleimhautentzündungen bin ich gerade auf das Blog einer
BKPatientin gestoßen, in welchem seit November 2009 nichts mehr geschrieben wurde. Ich frage mich, ob der Grund dafür das ist, was ich denke. Ich hoffe es nicht, aber wenn ich die Einträge lese, fürchte ich doch. Knochenmetastasen, Lungenmetastasen, und was sie über ihre behandelnden Ärzte und die Zustände in ihrer Onkologie schrieb ist ebenfalls erschütternd. Ich glaube wirklich, ich habe da mehr Glück, welches sich hoffentlich nicht irgendwann als Irrtum herausstellt, wie alles andere der letzten Jahre. Und trotzdem klingen die Einträge noch alle so optimistisch. Solche Fundstücke zwingen mich immer wieder dazu, darüber nachzudenken, ob mein Blog hier vielleicht auch in ein paar Jahren schon als führerloses Geisterschiff durch die Webmeere treibt, ab und zu von jemandem gefunden, der gerade erst seine Diagnose bekommen hat und versucht, zu überleben.
Da sitze ich bei meinen neuen Onkologen, wie ein Häufchen Unglück, begreife absolut nicht wirklich, was da alles abläuft, und höre, wie der Arzt sagt: Falsche Chemo- – unzureichende Therapie… können wir erstmal nicht umstellen, da macht die Krankenkasse nicht mit….
Er schickt mich wieder zum Radiologen – der soll entscheiden, ob noch mal bestrahlt werden kann.
Nö – geht nicht mehr…nichts geht mehr. Die Metastasen sind dort wiedergekommen, wo sie schon waren, wo sie schon bestrahlt wurden. Da kann nicht mehr bestrahlt werden. Und nu??
Tja.. irgendwann wird Ihr Oberschenkel zerbrechen – der Gammanagel kann nicht alles stützen, und dann brauchen Sie eine Krebsprothese. Die anderen, neuen Metastasen sind nicht soweit, dass sie diesen Schmerz verursachen könnten. Toll – hört sich nach Amputation an…
Meine Therapie wird umgestellt, nicht mehr alle 3 Wochen, sondern jede Woche, damit das Herceptin möglichst gleichmäßig wirkt. Irgendwie bin ich eigentlich gar nicht mehr bei mir.
Dem Onkologe aus dem Krankenhaus – dem kann ich nicht böse sein – immerhin hatte er die Größe, seine Unzulänglichkeit zuzugeben – und er hat mir damit das Leben gerettet.