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Die Katze war so klein, daß sie in meine Kinderhand paßte, ihre Augen noch verklebt und blind, als sie zu mir kam. Viel zu früh der Mutter entrissen. Aber es ging nicht anders, da an diesem Tag die Tierfänger kommen sollten, um alle Katzen mitzunehmen. Als ich grünes Licht von meiner Mutter bekam, eines der Kätzchen zu holen, griff ich in der Aufregung das erste, das mir unter die Finger kam. Am nächsten Tag waren alle anderen weg. Mein Vater behauptete später, ich hätte mir das Häßlichste ausgesucht, weil sie eine unregelmäßige Zeichnung an der Stirn hatte. Sie war winzig, sah auf dem Puppenwagenkissen, das sie zum Schlafen bekam, aus wie ein verlorener Krümel und zitterte andauernd. Vielleicht vor Kälte, vielleicht vor Angst. Ich zog sie mit einem Liebesperlenfläschchen und Milch auf, und ich wundere mich heute noch, daß sie bei mir überlebt hat. Sie wurde tatsächlich eine große, gesunde Katze, allerdings immer sehr dünn und grazil. Ich vermute beinahe, meine Eltern hatten selbst nicht damit gerechnet. In Nächten wie diesen wache ich manchmal auf und denke daran, was ich alles falsch gemacht habe, was für eine schlechte Ersatzmutter ich ihr gewesen bin und was ich hätte besser machen können. Doch ich war klein, hatte die falschen Ratgeber und hätte ihr die Mutter wahrscheinlich sowieso nie richtig ersetzen können. Und ich wundere mich heute noch, daß sie überlebte. Aber man merkte ihr an, daß sie durch den Mutterverlust etwas gestört war. Sie zitterte auch später noch oft, war sehr ängstlich, mißtrauisch, stolz, einsam - selbst mit der Familie um sie herum, eigensinnig, kratzbürstig, und ihr Katzenleben lang sehr jugendlich und schlank. Erinnert mich irgendwie an mich selbst.
zuckerwattewolkenmond - So, 22:34
Sweet.
Von der einen