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Dienstag, 8. November 2011

Du lügst so schön

Traumsplitter

Im Traum sah ich den Reichstag auf einem Lastwagen an mir vorüberfahren. Ich wunderte mich, aber es bestand kein Zweifel. Die gläserne Kuppel war einwandfrei zu erkennen. Wahrscheinlich, so vermutete ich, wird er an einen anderen Standort versetzt.

Das Geheimnis von Walnut Grove

Es gibt Serien oder Filme, die ein Geheimnis haben. Bei denen von David Lynch ist das ganz offensichtlich und gewollt, man landet als Zuschauer regelmäßig auf dem Holzweg, wenn man versucht das Rätsel zu lösen, wahrscheinlich ganz einfach deshalb, weil es nicht gelöst werden will. Es gibt aber auch Geheimnisse, die sich auf wohl eher ungewollte Art in Form eines Paradoxons in die Serie schleichen. Genau solch ein Geheimnis besitzt "Unsere kleine Farm". Seit heute sendet Kabel eins alle Folgen und Staffeln noch einmal von vorne, was mir sehr willkommen ist, denn schließlich beginne ich gerade erst deren Reiz zu erliegen. Ich gestehe, daß ich als Kind diese Serie gehasst habe. Zwar war ich nicht besonders wählerisch, was meinen Fernsehkonsum betraf - ich ließ mich gerne von allem möglichen berieseln -, doch diese Serie hatte tatsächlich die Macht, mich aus dem Fernsehsessel zu vertreiben. Jene abgrundtiefe Abneigung kann ich mir heute gar nicht mehr erklären, oder doch?
Das Geheimnis. Es ist ein Paradoxon, daß in Walnut Grove regelmäßig Kinder gezeugt und geboren werden, obwohl die ganze Gemeinde komplett asexuell ist oder zumindest so dargestellt wird. Und damit meine ich nicht nur, daß direkte Hinweise mündlicher oder bildlicher Art auf Sexualität fehlen, es fehlt ebenso jedwede unterschwellige Andeutung oder Symbolik, die bereits selbst in den ersten Stummfilmen vorhanden ist. Auch, daß es eine Familienserie ist, erklärt dies nicht, denn ich erinnere mich an eine andere Serie, mit welcher ich aufgewachsen bin, da meine Mutter sie so gerne sah - "Die Waltons". Ich weiß nicht, ob es daran liegt, daß der Zeitrahmen der Handlung sehr viel weiter in der Zeitrechnung fortgeschritten ist, aber gegen "Unsere kleine Farm" sind "Die Waltons" das reinste Sodom und Gomorrha. Gut, das mag jetzt vielleicht etwas übertrieben sein, aber jedenfalls durfte da der Großvater durchaus mal lüstern seiner ehelich Angetrauten einen Klaps auf den Po geben, und ihm, dem alten Schlawiner, traute man zu, daß er kein Kostverächter ist. Das Faszinierenste an "Unsere kleine Farm" sind für mich die "Zu-Bett-geh"-Szenen der Ingalls. Die Kinder schlafen oben, auf ihrem offenen Dachboden, und unten steht das doch recht enge Ehebett, in welchem sich Charles und Caroline, zwei wunderschöne Menschen, regelmäßig die züchtigsten Gute-Nacht-Küsse der Filmgeschichte geben. In meinem Kopf spielt sich immer folgendes ab: Ich stelle mir vor wie die beiden, um ihre weiteren Kinder zu machen, warten bis alle Kinder in der Schule sind, Charles seine Mittagspause hat und dann bei dieser Gelegenheit wild in ihrer kleinen Hütte übereinander herfallen. Ok, zumindest so gesittet entbrannt, wie es sich zu damaliger Zeit geziemte. Aber wer weiß? Wer kann schon sagen, was hinter den Kulissen von Walnut Grove vor sich geht, während vor unseren Augen Blümchen, Hündchen und kleine Mädchen flimmern? Ich würde nicht behaupten, daß ich generell eine schmutzige Phantasie habe. Sowas passiert mir eigentlich fast nur bei der kleinen Farm der Ingalls. Vielleicht weil die Serie nicht nur asexuell, sondern geradezu PROVOZIEREND asexuell ist. Das würde auch erklären, warum ich diese Serie jetzt auf einmal so reizvoll finde. Es ist das Unausgesprochene und Ungezeigte, das mich lockt und nur durch versteckte Widersprüchlichkeiten sichtbar wird. Als Kind hatte ich noch nicht die Erfahrung, um solche Widersprüchlichkeiten zu erkennen, weshalb ich die Serie einfach nur gähnend langweilig und kitschig fand. Doch während es bei Lynch die Filme und Serien sind, die ihr Geheimnis nicht preisgeben wollen, so bin ich es bei dieser Serie selbst, die zwar gerne rätseln und phantasieren, aber nicht die Lösung sehen möchte. Weder will ich ein völlig realistisches Abbild einer Dorfgemeinde und eines harten Lebens, noch wissen, daß Charles Ingalls alias Michael Landon, ein Kerl wie ein Baum und stämmiger Naturbursche mit lockigem Haar, mit 54 Jahren an Bauchspeicheldrüsenkrebs gestorben ist. Es darf alles so bleiben wie es ist, eine letzte Bastion der reinen Liebe und der Wunder, wo Bösewichter eines auf die Nase bekommen, die Guten belohnt werden und bei jedem Schicksalsschlag ganz sicher Hilfe bereits nah ist - irgendwo auf dieser Welt, irgendwo in Walnut Grove.