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Neues von meinem Vater

Heute waren ich, mein Bruder und seine Freundin bei meiner Mutter, um ihr zu helfen, die Sachen wieder einzuräumen, nachdem mein Cousin inzwischen mit der Renovierung des Schlafzimmers fast fertig ist. Er muss ihr nur noch eine neue Gardinenstange anbringen. Meine Mutter hat haufenweise Zeug, alte Zeitungen, alte Bücher, alte CDs aussortiert, die sie nach und nach weghaut, bzw. meiner Tante mitgibt die das Altpapier irgendwo verkauft und noch ein paar Euro bekommt. Heute hatte sie auch wieder mehrer Stapel Bücher und CDs, aus denen wir uns aussuchen sollten, was wir davon haben wollen. K. hat gleich eine ganze Kiste mit Bauchtanz -CDs für ihr Kulturzentrum mitgenommen und ich habe auch einige Bücher und CDs mit nach Hause gebracht. Irgendwie ist schon ein komisches Gefühl dabei, zumal mein Vater ja nicht tot ist, aber andererseits ist meine Mutter wild entschlossen, alles rauszuschmeißen. Dafür kann man jetzt im Schlafzimmer wenigstens wieder treten und durchatmen. Im Fernsehzimmer dagegen stapelt sich der ganze Krempel noch immer bis zur Decke (der Fernseher ist dahinter nicht mehr zu sehen). Hier will sie jetzt aber auch anfangen. K. meinte schon, wenn mein Vater wirklich wieder nach Hause kommt, dann bekommt er gleich einen Herzinfarkt, weil die Hälfte von seinem ganzen angesammelten Müll weg ist. Meine Mutter will dann behaupten, das lagere alles im Keller und falls er von dort etwas möchte, einfach sagen, dass sie es dort nicht findet. Das war bisher der einzige Trick, mit dem es ihr gelungen ist, überhaupt ein paar alte Zeitungen u.ä. aus der Wohnung rauszukriegen. Andererseits rückt jetzt die Option Pflegeheim doch immer mehr in den Vordergrund. K., die selbst ehrenamtlich einige alte Leute betreut, meint, das schaffe meine Mutter nicht, auch dann, wenn einmal am Tag eine Stunde lang zusätzlich eine Hilfe käme.
Hinzu kommt, dass sich mein Vater jetzt immer schlimmer gebärdet. Er randaliert jetzt richtig gehend, rüttelt an den Gittern von seinem Bett, versucht mit seinen Beinen sich darüber zu schwingen, obwohl er nicht mal laufen kann (das konnte er auch schon vorher kaum, da gehbehindert) und wird immer ausfallender. Die Ärzte wollen jetzt versuchen ihn zum Sitzen zu bringen, doch statt Geduld zu haben und mitzuarbeiten, z.B. auch bei den Bewegungsübungen, beschimpft er jeden und würde wohl am liebsten ausbüxen. Ist ja irgendwie auch verständlich, aber er scheint nicht mehr zu begreifen, dass er am schnellsten seinen letzten Rest Selbständigkeit wiedererlangt, wenn er dafür auch mal was anderes tut, als zu toben.
Die Krankenschwestern habe letztens meine Mutter beiseite genommen und ihr erzählt, mein Vater hätte sie mit "Blöde Weiber, leckt mich am Arsch!" beschimpft. Meiner Mutter ist das furchtbar peinlich, obwohl die Schwestern auch zu ihr sagten, dass sie damit umgehen können und einfach die Tür zu machen, wenn er wieder tobt. Doch meine Mutter sagte zu mir, dass sie trotzdem gemerkt hat, dass sie irgendwie entsetzt waren, zumal sie ja wissen, dass mein Vater Pfarrer war.
Mein Bruder meinte, dass ihn das an unsere Oma, meines Vaters Mutter, erinnert, die in den letzten Lebensjahren dement war, und damals auch sehr ausfällig gegen andere wurde und vor allem mißtrauisch. Sie dachte immer, jeder würde sie bestehlen und das denkt ja mein Vater auch schon seit Jahren.
Bleibt zu hoffen, dass ich wenigstens diese eine Gen ausnahmsweise nicht geerbt habe, denn ich werde jetzt schon immer vergesslicher und paranoider.
ElsaLaska - So, 23:31

Mäusle ja, der ist nicht mehr bei sich. Das ist wohl offensichtlich. Man soll ja nicht tauschen wollen und neidisch sein, es hat ja jeder sein Päcklein zu tragen, aber DIE SCHWESTER meines Vaters ist auf Björk-Größe geschrumpft mittlerweile, DEMENT wie noch was, aber sie flucht nicht.
Neulich hab ich sie mal gesehen, da ging die Sonne auf und sie, überhaupt nicht mehr bei sich, auf meine Frage, wie es ihr ginge, überschwänglich-enthusiastisch: ICH BIN JA SO GLÜCKLICH! So ein Goldspatz, easy zu händeln, dement, und so viel Glück verstrahlend ... Auch das gibt es :(

Zucker (Gast) - So, 23:47

Hallo Elsa,
ja auch das gibt es. K. hat uns heute wieder von ihrem alten Herrn erzählt, zu dem sie in der Woche täglich einmal geht. Dieser lebt noch im zweiten Weltkrieg, erkennt niemanden mehr, weshalb er täglich nach ihrem Namen fragt, in einem seiner Zimmer hausen die Amerikaner, da darf sie deshalb nicht rein, da zu gefährlich, und wenn er Essen ürbrig läßt, sagt er immer, sie soll der ganzen Mannschaft davon einen Zehnten geben, damit alle was im Magen haben. Aber er ist total süß und friedlich, freut sich jedesmal wenn sie kommt und strahlt, wenn sie strahlt. Irgendwie finde ich, dass sowas ja nicht nur den Umgang enorm erleichtert, sondern einem selbst auch ein besseres Gefühl gibt, wenn jemand so sagen kann, wie glücklich er ist. Bei jemandem, der so tobt und sich selbst quält, hat man ja immer auch das Gefühl, dass er irgendwie verzweifelt ist oder so, was einen dann auch selbst mitnimmt. Doch meiner Familie scheint sonniges Gemüt irgendwie nicht zu liegen. :-(
Und besonders traurig finde ich das in Hinsicht darauf, dass er ja nun tatsächlich noch so viel Lebenskraft zu haben scheint, dass er sogar diese lebensgefährliche Situation, die selbst Jüngere hinweggerafft hätte, überstanden hat, was ja nicht einmal die Ärzte geglaubt hätten.

Au ha, wünsche Dir viel Kraft und alle guten Gene...

ElsaLaska - So, 23:35

sorry auch ... wollte deinen problemkreis nicht äh schmälern drum. hatte mich ja neulich schon ausgelassen dazu - aber nicht hier. nur meine gedanken dazu dalassend.
egal. weißt scho.

Äh, müßte ich etwas wissen? Ich bin völlig ahnungslos, was du meinst. Wo und weshalb hast du dich ausgelassen?
Xchen - Mo, 00:30

Richtig gut finde ich, dass deine Mutter konsequent räumt.

Pflegeheim wäre sicher das Beste, dann wärt ihr entlastet und es ist schon so wie die Krankenschwester sagt: Sie können damit umgehen - dafür sind sie nämlich auch da.

Alles Liebe

Ja, aber Pflegeheim wäre absolut gegen seinen Willen und wie das dann laufen soll ist mir ein Rätsel. Außerdem befürchte ich, dass sie ihn, wenn er sich so aufführt, dort mit Tranquilizern vollstopfen, bis er gar nichts mehr mitbekommt. Und das wünsche ich ihm nun auch nicht unbedingt. Es ist alles noch unübersehbar, aber ich hoffe wir finden das beste für ihn und für uns. Jetzt beantragen wir erstmal die Pflegestufe für ihn.
Xchen - Mo, 01:01

Das ist mir schon klar, dass das gegen seinen Willen wäre, doch wenn deine Mutter dabei drauf geht, nützt das ja auch nichts.

Zum Thema Tranquilizer sollte ich vielleicht nichts sagen, da ich das in solchen Fällen eher befürworte. Ich verstehe jedoch, dass du dir das für ihn nicht wünschst.
(Als ich zur Krisenintervention in der Geschlossenen war, habe ich nicht mal ne Kopfschmerztablette bekommen - zum Thema mit Medis dämpfen - wenns auch was ganz anderes ist.)

Ich hoffe einfach, dass eine gute Lösung für euch alle gefunden wird.

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