Die Beerdigung
Warum müssen Beerdigungen immer so traurig sein? Meine Mutter wollte extra noch "Air" von Bach auf einem Cello spielen lassen, was glücklicherweise auch kurzfristig klappte, obwohl der Bestatter ihr nichts versprechen konnte, und die Pfarrerin begann ihre Rede gleich mit der Bemerkung, daß mein Vater ein großer Lyrikliebhaber gewesen sei und mit einem Gedicht von Rilke. Mein Vater und Rilke? Nun ja, die Gedichte von Christian Morgenstern mochte er lieber und wahrscheinlich hätte ihm so ein richtig bizzares aus den "Galgenliedern" gefallen, wie zum Beispiel:
Der Würfel
Ein Würfel sprach zu sich: "Ich bin
mir selbst nicht völlig zum Gewinn!
Denn meines Wesens sechste Seite,
und sei es auch Ein Auge bloß,
sieht immerdar, statt in die Weite,
der Erde ewig dunklen Schoß."
Als dies die Erde, drauf er ruhte,
vernommen, ward ihr schlimm zumute.
"Du Esel" sprach sie, "ich bin dunkel,
weil dein Gesäß mich just bedeckt!
Ich bin so licht wie ein Karfunkel,
sobald du dich hinweggefleckt."
Der Würfel, innerlichst beleidigt,
hat sich nicht weiter drauf verteidigt.
Aber sowas kommt bei Beerdigungen sicher nicht so gut an. Jedenfalls wußte ich schon, daß es besser ist, Taschentücher einzustecken und die brauchte ich auch. Der ausgesuchte Kiefernsarg mit den gelb-blauen Frühblühern sah wirklich gut aus, besser als in den Katalogen. Außerdem kamen sogar ein Pfleger und eine Pflegerin aus dem Heim und die Chefin meines Bruders.
Nach der Beerdigung waren wir nur noch Eisklötze und in der Gaststätte, wo wir danach aßen, war es nicht sehr viel wärmer. Erst langsam taue ich jetzt wieder auf. Zum Schluß wurden einige Beerdigungsanekdoten meines Vaters zum besten gegeben, da er ja als Pfarrer selbst viele Leute unter die Erde gebracht hat. Dabei ging ab und zu etwas schief, wie zum Beispiel in dem Fall, als er die Ansprache hielt und die Frau des Verstorbenen plötzlich völlig außer sich aufsprang und schrie: "Das stimmt alles gar nicht! Er war ein richtiges Ekel!" Mein Vater war darauf so verwirrt, daß er die Ansprache schnellstens beendete und den Sarg hinaustragen ließ. Er sagte später dazu, daß ihm sowas noch nie passiert sei. Auch die Beerdigung, als er spätnachts völlig besoffen und lauthals "Alles ist Scheiße!" grölend nach Hause getorkelt kam, ist in guter Erinnerung. Jetzt ist er ebenfalls unter der Erde und hat seine Ruhe.
Der Würfel
Ein Würfel sprach zu sich: "Ich bin
mir selbst nicht völlig zum Gewinn!
Denn meines Wesens sechste Seite,
und sei es auch Ein Auge bloß,
sieht immerdar, statt in die Weite,
der Erde ewig dunklen Schoß."
Als dies die Erde, drauf er ruhte,
vernommen, ward ihr schlimm zumute.
"Du Esel" sprach sie, "ich bin dunkel,
weil dein Gesäß mich just bedeckt!
Ich bin so licht wie ein Karfunkel,
sobald du dich hinweggefleckt."
Der Würfel, innerlichst beleidigt,
hat sich nicht weiter drauf verteidigt.
Aber sowas kommt bei Beerdigungen sicher nicht so gut an. Jedenfalls wußte ich schon, daß es besser ist, Taschentücher einzustecken und die brauchte ich auch. Der ausgesuchte Kiefernsarg mit den gelb-blauen Frühblühern sah wirklich gut aus, besser als in den Katalogen. Außerdem kamen sogar ein Pfleger und eine Pflegerin aus dem Heim und die Chefin meines Bruders.
Nach der Beerdigung waren wir nur noch Eisklötze und in der Gaststätte, wo wir danach aßen, war es nicht sehr viel wärmer. Erst langsam taue ich jetzt wieder auf. Zum Schluß wurden einige Beerdigungsanekdoten meines Vaters zum besten gegeben, da er ja als Pfarrer selbst viele Leute unter die Erde gebracht hat. Dabei ging ab und zu etwas schief, wie zum Beispiel in dem Fall, als er die Ansprache hielt und die Frau des Verstorbenen plötzlich völlig außer sich aufsprang und schrie: "Das stimmt alles gar nicht! Er war ein richtiges Ekel!" Mein Vater war darauf so verwirrt, daß er die Ansprache schnellstens beendete und den Sarg hinaustragen ließ. Er sagte später dazu, daß ihm sowas noch nie passiert sei. Auch die Beerdigung, als er spätnachts völlig besoffen und lauthals "Alles ist Scheiße!" grölend nach Hause getorkelt kam, ist in guter Erinnerung. Jetzt ist er ebenfalls unter der Erde und hat seine Ruhe.
zuckerwattewolkenmond - Di, 20:00
Bei mir ist es jetzt noch nicht ganz ein Jahr her - und obwohl wir vorher kaum Kontakt hatten und er ja nie ein Vater war, obwohl wir am gleichen Ort wohnten bis ich auszog, vermisse ich ihn manchmal sehr - meinen Helden, der sich so falsch verhalten hat.
Taschentücher habe ich erst bei der Urnenbeisetzung/Abdankung gebraucht. Kirche war gaaanz kurz, weil Daddy das so wollte - und ich war auch froh drum, da das für mich keine Bedeutung hat.
Was mich sehr gefreut hat:
Die Hälfte unserer kleinen Dorfkirche war gefüllt mit Arbeitskollegen von ihm - ich hätte so gerne noch mit denen gesprochen, mehr über den Mann erfahren, der sich so vor uns allen verschlossen und versteckt hat - doch die sind so schnell verschwunden nach der Urnenbeisetzung, dass ich keine Chance hatte.
Ich hoffe sehr, dass er mit seinen Schwagern, seinem Bruder und seinem Vater und ein paar seiner Kollegen auf einer Wolke sitzt, die lachen, trinken Bier und erzählen blöde Witze - Männer halt *lach*
Und dass er wirklich seinen Frieden gefunden hat.
Wenns mir sehr schlecht geht, kann ich übrigens zu x beliebigen Beerdigungen zum Weinen - da kenn ich nix - ich tus nicht, ich weiss jedoch, dass ich keinen Bezug zum Verstorbenen haben muss.
BTW:
Warum darf man so ein Gedicht nicht an einer Beerdigung vorlesen?
Meine Mutter wollte mich auch partout nicht Joe Cocker oder Joan Baez für ihn spielen lassen - ich sehe ja nun überhaupt nicht ein, warum das nicht geht - ehren wir den Toten oder wollen wir vor "den Leuten" duckmäusern?
Gut, dass es bei mir keine Beerdigung gibt, sonst müssten die Hells Bells oder so was abgefahrenes spielen - DAS würde ich dann schon vorher fest halten.
Weiß ich auch nicht,
das beliebste begräbnislied war vor einigen jahren bei uns "my heart will go on", der song von titanic gesungen von celine dion.
Um Gottes Willen.
Nein, Harold und Maud habe ich nicht gesehen.
Ich wollte immer eine Brass Band haben, die mit mir einen Umzug durchs Dorf macht (also mit der Asche) - doch seit ich verstreut werden will, macht ein Gottesdienst keinen Sinn mehr - dass ich mit der Kirche eh nichts am Hut habe, vereinfacht die Sache nur.