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Moderne Anlagemöglichkeiten

Der Historiker Rolf Peter Sieferle behauptet, dass wir uns trotz unseres relativen Massenwohlstands zu einer "Gesellschaft von Eigentumslosen" entwickelt hätten. Heute hat die Gesellschaft zwar quer durch alle sozialen Schichten hindurch Hunderte Habseligkeiten, doch eine verschwindend kleine und immer kleiner werdende Schicht verfügt über tatsächliche Werte.
Die Einkünfte schon für einen Angehörigen der unteren Mittelschicht können immens sein - ein Facharbeiter kann in seinem Leben weit über eine Million Euro verdienen -, doch sein persönliches, nachhaltiges Eigentum wird im Regelfall nur einen Bruchteil dessen betragen, was er erwirtschaftet hat, weil er es inzwischen für wertlosen Ramsch oder sinnlose Zeittötung ausgegeben hat: Reisen auf die Seychellen, Flaschenregale aus instabil verschraubten Weichholz, Fonduegeschirr,Waffeleisen, Clubmitgliedschaften, Eis- und Joghurtmaschinen, Gelpantoletten, Activity-Rucksäcke, Kombijacken, Reisezwiebelschneider, Waagen, die das Körperfett getrennt von der Restkörpermasse wiegen, Fleischwölfe aus "gebürstetem Edelchrom", Fusselfräsen mit Auffangbehälter, elektrische Massagegeräte, Chipstüten-Thermoversiegler, zwei Saftpressen, eine Chi-Maschine, Designerpfannen und magnetische Nackenkissen.

(aus "Die Kunst des stilvollen Verarmens" von Alexander von Schönburg)

Ich habe heute noch etwas anderes gesehen, worin man unbedingt sein Geld anlegen sollte, nämlich eine elektrisch betriebene Ohrreinigungsmaschine. Und irgendwann fällt vielleicht noch mehr Menschen die perfide Sinnlosigkeit darin auf, bis zum Umfallen zu arbeiten, um sich Berge von Tinnef und Ströme von Chemiecocktails "gönnen" zu können.
C. Araxe - Fr, 21:15

Ich habe neulich einen Möhrenanspitzer gesehen (in Form eines Bleistiftanspitzers, nur größer). Den finde ich viel sinnvoller als eine elektrisch betriebene Ohrreinigungsmaschine. So etwas sollte in keinem Haushalt fehlen!

Ui,

ein Möhrenanspitzer! Mir fällt zwar gerade nichts ein, wofür man spitze Möhren verwendet, aber natürlich sollte man so etwas unbedingt zu Hause haben.
Chutzpe - Fr, 21:55

Einen Apfelschäler, fand ich etwas vom Unglaublichsten, was ich kürzlich sah.

Es wäre wirklich schön, wenn punkto Arbeiten bis zum Umfallen endlich eine Gegenbewegung zur Zufriedenheit ohne Materialismus bis ins Grab entstehen würde.

Du

meinst wahrscheinlich dieses Ding, an dem man kurbelt? Das habe ich ebenfalls schon gesehen. Sparschäler dagegen kaufe auch ich für meinen Haushalt.
Chutzpe - Fr, 22:17

Genau das!

Sparschäler mag ich gerne - jedoch nur die U-förmigen. Die, die wie ein Messer sind, machen mich voll ungeschickt.
speedhiking - Fr, 23:00

@Möhrenanspitzer / Sinnfrage

Eine angespitzte Möhre lässt sich besser wieder einpflanzen, ist doch klar!
speedhiking - Fr, 23:03

@Möhrenanspitzer / Sinnfrage (Nachtrag)

Oder es geht gar nicht um die Möhre, sondern um das Abgespitzte. Also quasi ein Werkzeug zur Herstellung von Karottencarpaccio, vielleicht für den gehobenen Hasen mit Sinn für mediterrane Lebensart ... (soweit kommt's noch)

Ach so,

ich dachte, er ist dazu da, weil man mit angespitzten Möhren besser in den Ohren popeln kann.
nömix - Sa, 12:11

In keinem Haushalt fehlen darf ein Kartoffelspiralschneider. Wenn Sie bisher noch keinen besitzen, könnte der Verdacht entstehen, Sie hätten womöglich noch niemals Kartoffeln in Spiralen geschnitten? Kaum zu glauben, sowas.

Es ist

beschämend, aber ich habe tatsächlich noch nie Kartoffeln in Spiralen geschnitten. Ich wüßte auch gar nicht wozu. Ich besitze deshalb nur einen Gemüsespiralschneider, den ich aber voll cool finde, denn damit mache ich mir im Sommer gerne Gemüsespaghetti. ;o)
bloedbabbler - Sa, 11:17

Hallo zuckerwattewolkenmond :-)

Könnte auch sein, das der Facharbeiter blöderweise den Großteil seiner Kohle für so unspaßige Notwendigkeiten, wie Nahrung, Wohnen und Heizen ausgibt, sodass der kleine Rest dann in –für ihn- sinnstiftende Errungenschaften gesteckt wird.
Ob die dann wirklich das Herz erfreuen, wie das 500ste Paar Schuhe für die Gattin oder den neuen Schwingschleifer steht, finde ich, jedem selbst offen. Das Geld in Unfug und Tinnef gesteckt wird, ist ja auch Teil des Systems, Kaufen um die innere Leere auszufüllen, kaufen um mit dem sozialen Umfeld weiter konkurrieren zu können etc.
Klar scheint inzwischen zu sein, dass eine sinnvolle Gewichtung zwischen Arbeit und Erholung - neudeutsch- Work-Live-Balance der Gesundheit förderlich ist.
Ebenfalls weisen Untersuchungen darauf hin, dass das individuelle Glück(sgefühl) bis zu einem jährlichen Einkommen von 60.000 Euro steigt, deutlich niedrigeres Einkommen zu schlechterer Gesundheit und früherem Tod führt.
Wer also nur strampelt hat eventuell deutlich mehr als diese 60.000 Euro, ist aber nicht nennenswert glücklicher, auch die Sterberaten steigen ab einer bestimmten Form des Ungleichgewichts wieder an.
Mir ist bei diesen Kritiken nie ganz klar, was der Autor damit bezweckt. Ist es eine Form von elitärer Kritik? Im Sinne von: der Pöbel ist zu dumm sich Ahnengemälde und ein Schloss zu leisten, feudale Nachhaltigkeit(:-D) als Familienauftrag des (verarmten) Adels?
Oder geht es ihm um eine Kritik der gegenwärtigen gesellschaftlichen Form, also gegen Konsumismus um jeden Preis, und nur-wer-hat-der-ist-was Gehabe?
Da im Kapitalismus in Ermangelung von fehlendem Wissen über die Wünsche der potentiellen Abnehmer der Produkte jeder vor sich hinwurschtelt und hofft damit auf dem Markt erfolgreich zu sein, scheint mir eine Grundvoraussetzung dieser Tinnef Varianten zu sein.
Während im Feudalismus der Adel sich (auch) Dinge von Wert leisten konnte um seine tägliche Langeweile zu dämpfen, sah es bei den Leibeigenen eben deutlich anders aus - Nutz-und Gebrauchsgegenstände prägten den Alltag. Produktion - und Reproduktion standen auch gegenständlich im Vordergrund.
Der Kapitalismus erweitert hier das Gebiet für seine Teilnehmer, während einige sich mit Yachten und Jet-Set ihr Geld auch in Dingen von wert anlegen,reicht es bei den meisten anderen nur zu deutlich weniger werthaltigem.

Und es findet sich vermutlich von den oben hämisch genannten Punkten in jedem Haushalt eines oder zwei im Mittel, ob das gesamte Geld der Menschen (nachdem ihnen der Mehrwert vorenthalten wurde) dafür Verwendung findet, wage ich einfach mal aus dem Bauch heraus zu bezweifeln.
Wobei ich mir durchaus eine elektronische Ohrenreinigungsmaschine vorstellen könnte - wenn man dort stattdessen eine Pfauenfeder dranbindet, dann kann man sich sicherlich schön den Bauch pinseln lassen. Wohl- und Glücksgefühl erzeugend in einem -wie könnte etwas schnödes, wie Geld, sinnvoller angelegt sein? :-D
Geht sich jetzt erstmal ein automatisches Rückenkratz-Haarekämm-Nasenbohr-und-Ukulelestimm-Gerät 9000 bei SpongeBob holen, und verbleibt wie immer hochachtungsvoll

Ihnen Ihr Blödbabbler

Natürlich

gibt es Menschen, die so wenig verdienen, daß es nur für die Grundbedürfnisse reicht und Sparen nicht viel Sinn macht, aber in diesem Zitat wird ja explizit von der Mittelschicht geredet und da weiß ich aus eigener Erfahrung in meinem Umkreis, daß es tatsächlich Leute gibt, die sehr gut verdienen, das Geld aber für all die Dinge ausgeben, von denen sie meinen, daß sie die bräuchten, um mit anderen mithalten zu können, weil man zum Beispiel schief angesehen wird, wenn man nur an der Ostsee Urlaub macht oder nicht jede Woche Essen geht, vielleicht einfach, weil man gar keine Lust dazu hat. Nur um mitzuhalten werden dann auch jedes Jahr neue Markenklamotten und die neuesten Hypes aus allen Bereichen konsumiert. Gleichzeitig wird aber darüber gejammert, daß man in seinem Hamsterrad feststeckt und so viel arbeiten muß. Natürlich kann jeder selbst entscheiden, wie er leben möchte, aber der Punkt ist doch der, daß die meisten Leute unbewußt einfach das machen, was andere ihnen vorleben, ohne mitzubekommen, daß sie eine Wahl haben, daß sie genug Ressourcen hätten, um sich ein anderes Leben aufzubauen, vielleicht einige Jahre auszusteigen oder sonstwas, wenn sie sich bewußt machen würden, was sie wirklich möchten und brauchen und wo sie nur dem Herdentrieb und der Werbung folgen. Neue und schöne Dinge zu besitzen ist ein natürliches Bedürfnis des Menschen, daß anerkannt werden sollte, was auch in dem Buch, aus dem das Zitat stammt, so gesehen wird. Dennoch geht es darum, daß man seine hart erarbeiteten Ressourcen nicht nur für Bedürfnisse verpulvert, die einem durch die Werbung eingeredet werden, sondern weiß, was man sich sonst noch vom Leben erwartet und sich wünscht und wie man es auch mit geringeren Mitteln erreicht. Gerade das Sparen auf etwas hin, selbst wenn es nur eine kleinere Summe kostet, ist ja heutzutage auch total aus der Mode gekommen. Lieber nimmt man Kredite auf und wirft die Zinsen den Banken in den Rachen, obwohl man, wenn man seinen Konsum konsequenter hinterfragen und überflüssigen Tand meiden würde, sich relativ schnell das Erwünschte vom eigenen Geld leisten könnte, je nachdem wie gut man verdient. Um die Kredite dann abzuzahlen, strampelt man sich weiter ab, ist unfrei und stöhnt. In dem Moment, wenn man merkt, daß man eine Wahl hat und daß nicht alle eingeredeten Bedürfnisse wahre Bedürfnisse sind, ist man in der Entscheidung erst wirklich frei, wie man leben möchte. Wenn man dann das Hamsterrad wählt, in dem man wie verrückt arbeitet, um mit dem Geld wie verrückt zu konsumieren, soll man sich aber bitte auch nicht beschweren.
Von Ahnengemälden und Schlössern hält der Autor übrigens überhaupt nichts. Und auch nichts von Kunst-Hypes und ähnlichen Anlagestrategien. ;o)

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