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Ostprodukte

Wieder etwas mehr Muße habend, stöberte ich ein bißchen im Ostprodukte-Versand, auf den ich durch die Liebesperlen gestoßen bin. Und ich finde darin vieles, das nicht sehr authentisch ist.  Mir kommt es so vor, als würden die Hersteller zwar auf der Ostalgie-Welle reiten wollen, aber gleichzeitig passen sie ihre Produkte immer mehr  den westlichen Marktstandards an, was in den meisten Fällen nicht einmal eine Verbesserung darstellt, sondern eher eine Verschlimmbesserung. Mir scheint es, als würden diese Produkte vor allem für Westler gemacht, die keinen Vergleich zu früher haben, aber neugierig und offen sind. Doch sie bekommen halt nicht wirklich das, was sie erwarten, sondern nur ein paar Produkte, die sich von anderen kaum unterscheiden. In meinem Bekannten- und Familienkreis höre ich oft, daß jemand sich irgendein ehemaliges DDR-Produkt kauft und danach enttäuscht ist, weil es nicht mehr dasselbe ist. Ganz besonders häufig hört man das bei Lebensmitteln oder Kosmetik. Dann heißt es: “Nein, das kaufe ich nicht nochmal.” Denn als ehemaliger Ostler will man es tatsächlich so wie damals haben, alles andere hätte als Nostalgie-Produkt nicht viel Sinn. Kinder, die mit Werther’s Echte aufgewachsen sind, wollen ja auch, daß der Bonbon nach dreißig Jahren noch so schmeckt wie in der Kindheit, zumal diese Werbung ebenfalls auf Nostalgie setzt.

 

Ein Ostprodukt, welches von mir weiterhin regelmäßig gekauft wird, ist Bautz’ner Senf, einfach deshalb, weil mir wirklich kein anderer schmeckt. Und der Geschmack ist glücklicherweise genau wie früher, allerdings gab es ihn damals in Gläsern, heute in Plastikbehältern. Und was ist daran nun besser, außer daß man mehr Plastikhormone im Senf hat? Oder das Russisch Brot – früher war es viel dicker, weicher und vor allem war nicht so viel Luft in der Tüte. Heute ist das so ein dünnes Knusperzeug und kaum was drin in der aufgeblasenen Tüte, kaufe ich also nicht mehr. Oder die Zitronendrops. Ich meine mich zu erinnern, daß die in meiner Kindheit eine mehr pulvrige, nicht sehr feste Konsistenz hatten. Außerdem hatten sie einen sehr dünnen feinen Rand, den man dank der pulvrigen Konsistenz vorher mit den Zähnen “abratzen” konnte, wie ich es immer gerne getan habe. Heute funktioniert das nicht mehr. Ist zwar generell sicher nicht so schwerwiegend, aber eben auch nicht mehr das gleiche. 

 

Im Ostprodukte-Versand gibt es ein Intershop-Paket mit speziellen Kultprodukten. Hallo? Im Intershop gab es damals nur West-Produkte, also wenn schon, müßte das Ding Exquisit oder Delikat heißen. Und dieses Kondom mit dem Jungpionier-Motto “Seid bereit, immer bereit!” ist zwar witzig, doch bei uns hießen die damals “Mondos”. Ich glaube, das waren blaue oder rote kleine Schächtelchen. Als Kind habe ich gerne mal in das Nachtschränkchen meines Vaters gespäht und dachte dann, da sind Schokoladentäfelchen drin. Die Kondome bzw. Mondos waren darin nicht eingeschweißt, sondern steckten lose, so daß ich sie herausholen, damit herumspielen und mich wundern konnte, wozu die Dinger gut sind. Danach stopfte ich sie wieder in die Verpackung. Glücklicherweise, oder vielleicht auch leider, hatte das keine Folgen, denn ich bekam keine jüngeren Geschwisterchen.

Treibgut - Di, 23:50

Schächtelchen

... du warst ganz schön neugierig als Kind.

Du

etwa nicht? ;o)
Namesi (Gast) - Mi, 00:12

Bautz’ner Senf,

ist das Einzige, was ich heute noch als "Ost-Produkt" kaufe. Oh, stimmt ja gar nicht. Ketschup aus Werder, aber nur die Premiumflasche, kaufe ich auch noch. Ost-Nostalgie finde ich blöd, was nicht heißt, dass ich meine Vergangenheit leugne, leugne.

Ich find es

schon ok, daß es diese Ost-Nostalgie gibt, denn ich glaube, das allein ist der Grund, daß überhaupt einige Produkte überlebt haben. Man kann einfach nicht von Menschen erwarten und verlangen, daß man ihre gesamte Vergangenheit und Kindheit komplett mit allen Produkten abschafft und die dankbar keinen Gedanken mehr daran verschwenden. Menschen wollen sich erinnern und wollen auch Dinge im Alltag, die Bestand haben. Wenn ein Westler plötzlich seine gesamte Kindheit und alles, was dazu gehörte als schlecht und wertlos vergessen sollte, würde ihm das sicher ebenso wenig gelingen.
Namesi (Gast) - Mi, 22:30

Ich glaube, ich weiß, was du meinst. Trotzdem. Es poliert meine Identität nicht auf, wenn ich in einem Ostprodukteladen ein Päckchen Ata entdecke. Sowas finde ich eher peinlich. Besonders wenn der eine oder andere dann ins Schwärmen gerät. Anders ist es mit Produkten, die sich aufgrund ihrer Qualität behauptet haben. Senf, Ketschup, Rotkäppchensekt und auch Produkte aus der Region, die es so früher noch nicht gab. Alte Sachen, an denen mein Herz noch heute hängt, habe ich mir aufgehoben, zum Beispiel meinen ersten Fotoapparat, eine Pouva Start, die mein Sohn jetzt benutzt, oder einen uralten Diabetrachter aus Bakelit, durch den man auch Märchenfilme Bild für Bild durchziehen konnte. Das sind eben Erinnerungsstücke aus der Vergangenheit. Aber mit Ostnostalgie, womöglich noch als trotzige Behauptung gegenüber dem Westen, hat das bei mir nichts zu tun. Ich bin heilfroh, dass meinen Kindern die Unterscheidung Ost und West so ziemlich egal ist. Ich hatte das eigentlich erst bei der Enkelgeneration erwartet. Aber wahrscheinlich liegen unsere Ansichten hier gar nicht soweit auseinander.

Also wenn

ich irgendwo etwas aus meiner Kindheit entdecke, daß ich selbst total vergessen hatte, dann gerate ich auch schon mal ins Schwärmen. Und ich finde, das hat gar nichts mit Identität zu tun, sondern halt einfach damit, daß Erinnerungen hochkommen, so wie bei dir mit den Liebesperlen. Ich glaube, es gibt kaum einen Menschen, der sich durch Assoziationen mit Produkten nicht gerne an frühere Zeiten erinnert, sogar dann, wenn diese eher schwer gewesen sind. Vielleicht ist es wegen der Vergänglichkeit der Zeit so ein Bedürfnis, daß man zumindest in den Erinnerungen diese immer mal wieder aufleben läßt, um sich zu vergewissern, daß es sie gegeben hat und daß man gelebt hat. Allerdings trauere ich Produkten, die im Osten schon schlecht gewesen sind, heute nicht hinterher. Aber es gab im Osten auch Produkte, die hochwertig oder sogar besser waren als alles, was ich heute zu kaufen bekomme. Und dann ärgert es mich ungemein, daß sowas dann einfach vergessen, abgeurteilt und durch die in diesem Fall minderwertigeren Produkte des Westens vollkommen ersetzt wird. Das hat aber nichts mit Trotz, sondern mit Pragmatismus zu tun. Ich möchte immer von allem das Beste und das Gesündeste. Glücklicherweise findet man manche der guten Produkte noch, aber halt nicht alle und manche Produkte vermisse ich wirklich sehr sehr schmerzlich. Es ist, als würde man irgendwo im Ausland leben, wo man Heißhunger auf irgendeine Spezialität der Heimat hat, aber hätte noch nicht einmal die Möglichkeit, sich diese per Post schicken zu lassen.
Namesi (Gast) - Fr, 01:00

Ich kann mir keinen rechten Reim darauf machen, weshalb ich das anders empfinde als du. Vielleicht liegt es an den unterschiedlichen Erfahrungen, die wir gemacht haben. Als die DDR in sich zusammen fiel, war ich 35 Jahre alt und hatte zwei Kinder. Ost- versus Westprodukte war damals, wenn überhaupt, eins meiner kleinsten Probleme. Vielleicht hat das mein Empfinden in dieser Sache geprägt. Vielleicht ist aber alles auch ganz anders. Aber wie auch immer, Liebesperlen gehören zu meiner Kindheit. Ja, so ist das.

Damals

war Ost- versus Westprodukte ja auch kein Problem, weil man so überwältigt vom Westmarkt gewesen ist, daß man, zumindest bei mir war es so, jeden Müll gekauft hat. Doch mit der Zeit habe ich gelernt, wie wenig vielen Westprodukten und der Werbung zu trauen ist und achte halt nur noch auf echte Qualität. Und wenn es ein Produkt gab, das im Osten besser war, dann vermisse ich es oder kaufe es, falls es das noch irgendwo gibt. Bei Netto gibt es ab und an zum Beispiel in neuer Aufmachung und als "Softeis" deklariert das frühere Schoko-Vanille-Eis, damals in einer einfachen Pappverpackung. Das einzige Eis der Sorte aus dem Supermarkt, das weder übersüßt noch überfettet ist, oder vielen Klimbim drinne hat. Wenn man sich die anderen Eissorten anschaut, wundert mich es nicht mehr, daß diese Gesellschaft immer mehr verfettet, und da ich so viel Süße und so viel Fett aus meiner Kindheit nicht gewohnt bin, schmecken sie mir auch gar nicht.
Namesi (Gast) - Fr, 18:57

Na

dann werde ich mal die Augen aufhalten. Vielleicht finde ich ja auch was von früher was mir gefällt. Schoko-Vanille-Eis also. Hmm. In welchem Netto?

In dem

mit dem schwarzen Wau-Wau. ;o)
In der Verpackung sind sogar diese kleinen Löffelchen mit den Vornamen drin, wie ich sie noch aus meiner Kindheit kenne. Diese Löffelchen sind zwar eigentlich nichts, was ich brauche, aber als ich sie gesehen habe, war ich auch erst einmal aus dem Häuschen. *gg*
Namesi (Gast) - Fr, 23:45

Auf was lasse ich mich da bloß ein. ;)

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