Zum Arbeitseinsatz auf dem Friedhof
wurden wir heute verpflichtet. Zwei Büsche mußten gepflanzt werden und das Grab gegossen. Gelb blühender Löwenzahn hatte sich bis an die ebenfalls frisch gepflanzte Buchsbaumumrandung herangewagt und meine Mutter stöhnte, sie könne gar nicht hingucken - um die anderen Gräber sei es immer unkrautfrei und geharkt. Was sollen die Leute denken, wenn das bei uns nicht so ist? Und die Frau M. wollte doch einmal zum Grab mitkommen, was soll die denken? Mir haben die gelben Tupfer um das Grab herum gefallen und meinem Bruder auch, aber meine Mutter, die sich überhaupt nicht mehr viel bewegen kann, weshalb sie ständig wegen des Grabes herumjammert, aber trotzdem nicht zu den Friedhofsgärtnern geht, deren Adressen sie alle hat, fing doch tatsächlich an mit ihrem Minispaten die Erde außerhalb der Umrandung umzugraben. Nur mit Mühe konnten wir sie davon wieder abhalten. Wie kann man sich nur selbst so viel Streß wegen eines Grabes machen? Wir fragten sie, wie denn das Grab des Mannes von Frau M. aussieht und sie antwortete, Frau M. hätte da nur Efeu drüberwachsen lassen. Wenn sogar die nun wirklich sehr penible und etepetete Frau M., die sehr an ihrem Mann hing, nur Efeu wachsen läßt, was für einen Preis hofft dann meine Mutter eigentlich zu gewinnen, wenn sie sich wegen des Grabes fertig macht und alle anderen mit dazu? Später im Auto schwärmte sie dann von Butterblumenwiesen und daß sie nicht verstehen kann, warum manch einer die nicht erträgt und gleich mit dem Rasenmäher kommt. "Ja, oder mit dem Spaten..." war meine Antwort dazu. Da mein Bruder mir gegenüber einmal die Bemerkung gemacht hatte, er wolle sich auf demselben Friedhof schon eine Grabfläche sichern oder kaufen - ich weiß es noch wie heute, schließlich hat es mich doch ziemlich erstaunt, obwohl 55 Jahre vielleicht nicht wirklich zu früh sind dazu -, fragte ich ihn danach, aber jetzt stritt er alles ab und behauptete, so etwas niemals gesagt zu haben. Ich bin mir nicht sicher, ob er sich tatsächlich nicht mehr erinnert und alles wieder verworfen hat, oder ob es ihm einfach unangenehm war, weil seine Freundin anwesend war. Diese fragte auch gleich ganz pikiert, ob er denn nicht vorhabe, mit zu ihr in die Grube zu hüpfen, was mich wiederum an die Folge der schrecklich netten Familie erinnerte, in der sich Al ohne Gattin neben dem Grab eines alten Kleppers begraben lassen wollte. Ich bin anscheinend die einzige, die sich noch nicht mit Grabstellen beschäftigt hat, dabei hätte ich vielleicht am ehesten Grund dazu. Später waren wir essen und die Freundin meines Bruders lief auf dem Weg dauernd hinter mir und meinte, ich röche so blumig, nach Maiglöckchen oder so, dabei hatte ich heute gar kein Parfüm aufgelegt. Vielleicht meinte sie das Perückenspray, aber das riecht eher ekelig, wie ich finde, und überhaupt nicht blumig. Und schließlich habe ich nach zwei Jahren endlich mein Romanmanuskript zurückerhalten. Es war deshalb so lange verschollen, weil mein Bruder es jemandem zu lesen gab, den er kennt und der einmal als Lektor gearbeitet hat. Dieser meinte, es wäre ganz interessant, aber er sei mit den Fremdwörtern nicht klar gekommen. Interessant? Fremdwörter? Ich vermute ganz stark, daß er es gar nicht gelesen hat, aber meinem Bruder den Gefallen nicht abschlagen wollte.
zuckerwattewolkenmond - Mo, 22:34
Friedhof
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