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Mittwoch, 11. Januar 2006

Ulysses - der isses oder besser gesagt, soll es sein, und mein Kampf mit dem Müll

Ausnahmsweise ist diesmal mit Müll nicht der Roman gemeint, was einige meiner Leser sicher aufatmen lassen wird, sondern der Müll meiner Eltern, genauer gesagt, der meines Vaters. Ich durfte mir heute das Werk bei meinen Eltern abholen, meine Mutter machte mich aber gleich darauf aufmerksam, dass sie es nicht gefunden habe. Ich solle selber schauen. Nun mache man das mal bei ca. zehn doppelreihigen und deckenhohen Regalen mit tausenden von Büchern, vor denen meterhoch Kisten und Gerümpel gestapelt sind. An einige Regale bin ich nicht mal bis auf einen Meter herangekommen, da hätte ich schon fliegen müssen, aber das kann ich leider nicht.

Mir tut es im Herzen weh, wenn ich sehe, wie meine Eltern hausen, aber mein Vater, ein typischer Messie, kann sich von absolut überhaupt nichts trennen, nicht einmal von alten Dosen und Zeitungen. Leider ist er so aggressiv, dass Überredungsversuche oder Tricks aussichtslos sind. Allerdings glaube ich, dass er sich selbst nicht wohl fühlt zwischen den ganzen Müllbergen und mir kommt es so vor, als ob er, seit er jetzt an einer Depression leidet, auch nicht wirklich mehr so viel Interesse an seinen "Reichtümern" zeigt. Vielleicht musste es erst so weit kommen, damit er merkt, dass materieller Besitz allein nicht glücklich oder sicher macht, selbst wenn man für sämtliche Notfälle und Gelegenheiten die passenden Döschen zu Hause hat. Oder aber, er war vorher schon depressiv, hat es jedoch mit diesem ganzen Schnickschnack kompensiert. Da er sich nicht helfen lassen will, wird es wohl nicht mehr besser werden und meine Mutter leidet darunter. Manchmal habe ich aber den Verdacht, dass sie selbst auch etwas vermüllt ist, es jedoch allein meinem Vater in die Schuhe schiebt.

Jedenfalls musste ich heute, als ich zum Abendessen blieb, das mindestens fünfzig Jahre alte und völlig stumpfe Besteck wiedererkennen, mit welchem schon mein 15 Jahre älterer Bruder seinen ersten Grießbrei aß. Dabei besitzen sie seit langer Zeit ein neues Besteckset, welches zu den Feiertagen auch regelmäßig aufgelegt wurde (und es ist NICHT etwa kostbares Tafelsilber, sondern lumpiger Edelstahl). Ob meines sehr ungläubigen und fassungslosen Gesichtes raste meine Mutter dann gleich hinaus, um das neue Besteck zu holen, was aber nichts mehr half. Ich fragte mich trotzdem, warum um alles in der Welt meine Eltern das neue, überhaupt nicht kostbare Besteck nur an Feiertagen benutzen. Für was um Gottes Willen wollen sie es denn schonen? Etwa für die Erbschaft? Für was in Gottes Namen heben sie dieses alte, unansehliche Aluminiumzeug auf? Wenn das alte Besteck mehr als fünfzig Jahre überstanden hat, wird es das neue sicher auch für etliche Generationen, es besteht also keinen Grund, vorsichtig damit umzugehen. Genau deshalb entfuhr mir spontan die fassungslose Frage: "Habt ihr das immer noch nicht verschrottet?"

Na ja, die Chance, das gewünschte Buch zu finden, war also ziemlich gering. Ich glaube, ehe ich sämtliche Regale ausgeräumt hätte, um an die hinteren Reihen zu kommen, oder ehe ich irgendwie über all die Kisten und das Gerümpel geklettert wäre, um überhaupt an einige Regale ranzukommen, hätte ich es mir dann wohl lieber selbst gekauft. Würde mich ja nicht gerade in den finanziellen Ruin stürzen. Ich sah die Regale durch, so gut wie das ging, versuchte es hinter Marcel Proust, weil ich dachte, dass es gut dorthin passen würde und als das alles nichts brachte, wollte ich schon fast aufgeben. Doch dann, im letzten Moment, fand ich es. Zwei Bände. Ich halte das für ein gutes Omen.

Als ich aber mit meiner Beute in die Küche kam, meinte mein Vater gleich mit Blick auf die beiden Bücher zu mir: "Na, das wirst du sowieso nicht verstehen.", worauf meine Mutter mit ironisch spitzer Zunge zu mir sagte: "Er ist der einzige, der das versteht, weißt du...."
Trotzdem ließ sie es sich nicht nehmen, mir zum Abschied an der Tür noch einmal Mut zu machen:
"Lass dir Zeit, lies schön langsam. Du wirst es schon verstehen. Bist ja klug."
Seltsam, warum beruhigen mich diese Worte nu gerade überhaupt nicht?