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Freitag, 14. Juli 2006

Die (weiterhin) namenlose Geschichte - Teil 24

Von einer angenehmen neuen Munterkeit überwältigt kam ich zu Hause an, nachdem ich mich vorher schon von Robert verabschiedet und seinen Vorschlag, mich heim zu fahren, abgelehnt hatte. Wir einigten uns aber darauf, dass er mich am nächsten Samstag von zu Hause abholen und zum Ball auf der Taubeninsel bringen würde. Als ich das Zimmer betrat, erschrak ich, denn auf der nun grau im Halbdunkel der Nacht vor mir liegenden frischgestrichenen Wand gewahrte ich etwas dunkles, was dort wie ein Schatten klebte. Nervös betätigte ich den Lichtschalter und trat näher an die Wand heran, ohne das Ding gleich einordnen zu können. Nach einem kurzem Moment erkannte ich, dass es sich einfach nur um einen schwarzen Fleck handelte, an eben derselben Stelle, wo sich das Puppenversteck befunden hatte. Öliger Staub benetzte meine Fingerspitze, als ich darüber strich. Doch die Tatsache, dass es sich nur um einen Fleck handelte, beruhigte mich keineswegs, wie meine getreuen Leser mir sicherlich nachempfinden können, denn es war mir ein Rätsel, wie dieser entstanden sein konnte. Ich hatte allen Staub von der Wand entfernt und jede Ritze zugespachtelt. Völlig unmöglich, dafür eine Erklärung zu finden. Auch der Fleck auf dem Teppich war wieder dunkler und auch etwas größer geworden, nun fast schwarz. Obwohl sich ein leiser, stiller Ärger über das Zuschanden machen aller Arbeit und Bemühungen in meinem Herzen rührte, überwog doch ein seltsamer Schrecken. Krampfhaft versuchte ich eine ganze Weile, nicht mehr auf diese Stelle an der Wand zu schauen, doch je mehr ich es versuchte, um so mehr musste ich daran denken und bald konnte ich gar nicht anders, als genau dorthin zu starren. Deshalb hielt ich kurzerhand nochmals einen breiten Malerpinsel in meiner zittrigen Hand und übertünchte in großzügig aufgetragenen Bahnen den mysteriösen Fleck. Nun lag die Wand in neuerlicher jungfräulicher Weiße vor mir. Ich spülte die letzten Farbreste von meinen Händen und die Schweißperlen von meiner Stirn, dann begab ich mich zur Ruhe. Ein orangeroter Vollmond, der am Himmel wie ein würziger Käse in einer gigantischen Mausefalle hing, schaute zum Fenster herein und legte eine perlende Lichtspur quer in den Raum. Ihr folgte ich bis hinein in das Herz des Universums, wo ich tanzend die Leere fing und funkelnde Sterne daraus formte.

Durch die glitzernde Schwärze schwebte langsam ein Gesicht heran. Ich kannte es. Ich wusste, ich hatte es schon einmal gesehen. Es war böse und grausam. Vielleicht das Gesicht eines Kriegers, doch durch das lange, wallende Haar hindurch sah ich kleine Perlenohrringe blitzen. Es scheint zu mir zu sprechen, seine Lippen bewegen sich und wiederholen immer wieder dieselben Worte. "Sophie Alexejewna" hallt es lautlos in meinem Kopf, ohne Unterlass, bis ich die Augen öffne. „Sophie Alexejewna“ sage ich und warte.

Ok,

da sich anscheinend niemand mehr beteiligen will, steht das Ergebnis der Leserumfrage fest: die Mehrheit interessiert sich für meine persönlichen Tagebucheinträge. Ein bißchen wundert mich das ja, denn mein Leben ist nun alles andere als spannend. Andererseits beruhigt es mich aber, dass ich weiter ungehemmt über mein langweiliges Leben labern kann, ohne dass es jemanden anödet. Dabei fällt mir auf, dass ich mit dem Labern schon nachgelassen habe. Zumindest reine "Gedankeneinträge" sind seltener geworden. Das bedeutet nicht, dass ich keine mehr habe, aber sie sind so "speziell", dass ich sie selbst für mich nicht aufschreiben mag, denn dies erscheint mir so überflüssig, wie diese Gedanken an sich. Und doch ist da ein Thema, dass mich schon seit längerem immer wieder beschäftigt. Nicht erst, seit der lebensbedrohlichen Situation meines Vaters, auch vorher waren diese Überlegungen latent da, doch durch die Änderung der Umstände haben sich ganz konkrete Umrisse einer ganz konkreten Frage herausgebildet, wobei ich nicht weiß, ob es wirklich nur eine Frage ist, wenn auch eine für mich im Moment enorm wichtige, oder ob es sich nicht eher um eine Erkenntnis handelt, die mich durch die Änderung meines Blickwinkels in einer leichten bewußtseinsmäßigen Orientierungslosigkeit zurück läßt.

Jedenfalls kristallisiert sich für mich immer stärker heraus, dass es tatsächlich zwei Wege gibt, eine Tatsache, die mir vorher noch nie so klar vor Augen stand und von der ich auch jetzt nicht weiß, ob es nicht nur eine Gaukelei meines Verstandes ist. Doch sie erscheint mir so deutlich und selbstverständlich, so dass ich mich direkt frage, warum ich das nicht vorher gesehen habe, dass ich sie so schon für mich verinnerlicht habe. Und somit die Frage aufgeworfen finde, welchen Weg ich gehen möchte, bzw. welchen Weg ich gehen muß, damit das Ergebnis, das ich mir wünsche, eintrifft. Ich weiß ja, Umwege führen auch zum Ziel, aber in diesem Punkt bin ich nicht gewillt, auch nur noch einen einzigen Umweg zu machen. Und ich fürchte fast, dass genau diese Maßlosigkeit meiner Forderung dabei zu einem Verhängnis werden wird, denn sie zeigt zwar meinen starken Willen, dieses Ergebnis zu erreichen, aber dieser allein wird dafür nicht ausreichen oder mir vielleicht sogar im Wege stehen, da er sich auf ein völlig eigennütziges Ziel konzentriert.
Durch die Impulse, welche ich von außen erhalte, dürfte der zu wählende Weg eigentlich klar sein, denn alle weisen nur auf den einen hin, und dennoch hege ich gerade gegen diesen Weg einen gefühlsmäßigen inneren Widerstand, obwohl ich ihn ja unbewußt schon ein ganzes Stück weit beschritten habe. Unbewußt deshalb, weil ich mir über die Zusammenhänge und Konsequenzen des Tuns nicht klar war, sondern mich reine Neugierde trieb. Nun, wo ich sehe, wohin er (angeblich) führen soll, bin ich mir nicht mehr sicher, ob es wirklich das ist, was ich möchte, auch wenn es noch so toll klingt, oder ob es nicht sogar der gerade Weg in die "Hölle" ist, um es mal so auszudrücken, gemeint ist damit meine persönliche Vorstellung von der "Hölle", der ich gerne entgehen möchte. Doch nun stehe ich hier angewurzelt mitten auf dem Weg, unentschlossen, an einem Scheidepunkt zwischen Himmel und Hölle, um bei diesen kirchlichen Begriffen der Einfachheit halber zu bleiben, und bin mir nicht mehr sicher, welches wo ist, bzw. bildlich gesprochen, wo oben und wo unten ist. Ich frage mich außerdem, ob es überhaupt möglich ist, vollständig umzukehren. Wahrscheinlich ist es nicht unmöglich und im Vergleich zu der anderen Richtung, in welcher ein riesiger Berg vor mir liegt, von dem ich noch nicht einmal weiß, ob ich ihn auch bewältigen (und rechtzeitig bewältigen) kann, vielleicht sogar einfacher. Und dann denke ich mir manchmal, vielleicht ist ja insgesamt alles viel einfacher als ich es mir denke und überhaupt sollte man nicht so viel denken....